Gazprom stoppt Gaslieferungen an OMV: Nehammer sieht Österreich gut vorbereitet
Seit 1968 hatte die aus der sowjetischen Mineralverwaltung in Ostösterreich nach dem Zweiten Weltkrieg hervorgegangene Mineralölgesellschaft OMV Erdgas aus der Sowjetunion bezogen. Noch bis vor Kurzem wurden bis zu 80 Prozent des österreichischen Erdgasbedarfs durch die russische Gazprom gedeckt.
Nun droht die jahrzehntelange Geschäftsbeziehung zu enden – und der Hintergrund ist ein Schiedsspruch der Internationalen Handelskammer (ICC), der am Mittwoch, 13.11., ergangen war. Dieses hatte der OMV einen Schadensersatz in Höhe von 230 Millionen Euro plus Zinsen und Kosten zugesprochen.
Gazprom kündigt Lieferstopp ab Samstag an
Zur Begründung hieß es, dem österreichischen Mineralölkonzern sei der Schaden durch unregelmäßige Gaslieferungen nach Ausbruch des Ukrainekriegs entstanden. Zudem habe sich die vollständige Einstellung der Lieferungen nach Deutschland im September 2022 auch auf die OMV ausgewirkt. Der teilstaatliche Konzern beliefert auch deutsche Kunden.
Die OMV hatte nach Verkündung des Urteils angekündigt, den vom Schiedsgericht zugesprochenen Anspruch gegen künftige Zahlungsansprüche der Gazprom aufrechnen zu wollen. Konkret fasste die Mineralölgesellschaft ins Auge, weiterhin die Lieferungen von Gas aus Russland entgegenzunehmen, aber nicht zu bezahlen, bis der zugesprochene Gegenwert erreicht sei.
Am Freitag hat die Gazprom der OMV gegenüber angekündigt, ab Samstag kein Gas mehr zu liefern. Diese bestätigte die Mitteilung in einer sogenannten Urgent Market Message. Sowohl aus der OMV als auch aus der Politik hieß es, man habe eine solche Entwicklung für möglich gehalten und sei darauf eingestellt. Allerdings betrachten es Brancheninsider als überraschend, dass die Reaktion auf das Urteil so schnell erfolgte. Vorerst sei eine Liefermenge von 7.400 Megawattstunden pro Stunde betroffen.
Möglicherweise nur OMV von Ausbleiben betroffen
Es ist noch offen, wie viel Gas am Samstag tatsächlich am Knotenpunkt Baumgarten ankommt. Vonseiten der vor Ort verantwortlichen Stellen für die Durchführung des noch bis Ende des Jahres bestehenden Gastransitvertrages mit der Ukraine heißt es, die Gazprom wolle an dem Tag die exakt gleiche Menge durchleiten wie am Freitag. Es sei deshalb denkbar, dass der Lieferstopp nur der OMV gelten werde, nicht aber Abnehmern etwa in Ungarn oder der Slowakei.
Die Frage, wie es mit den Lieferungen weitergeht, wenn am 31. Dezember der Gastransitvertrag mit der Ukraine endet, ist bis dato ungeklärt. Mit einer Verlängerung ist vor dem Hintergrund des Krieges und der abgebrochenen diplomatischen Beziehungen zwischen Moskau und Kiew nicht zu rechnen.
Österreicher Bundeskanzler Karl Nehammer und die scheidende Energieministerin Leonore Gewessler erklärten, man sei „nicht erpressbar“. Die Gasspeicher für den Winter seien in Österreich zu 93 Prozent gefüllt. Der drohende Lieferstopp bestätige die Linie der Bundesregierung, die Unabhängigkeit von fossilen Energieimporten anzustreben.
Es ist das eingetreten, worauf wir uns seit Kriegsausbruch in der Ukraine vorbereitet haben. Ich wurde am Nachmittag informiert, dass die Gazprom die Lieferungen an die OMV morgen früh einstellt.
Ich kann versprechen: Niemand wird im Winter frieren, keine Wohnung wird kalt… pic.twitter.com/bsHFl0lbBY
— Karl Nehammer (@karlnehammer) November 15, 2024
Wollte OMV einen Vorwand für ein vorzeitiges Vertragsende schaffen?
Das Narrativ von der „Erpressung“, die der Kreml mit dem Lieferstopp anstrebe, steht jedoch infrage, wenn man die Vorgeschichte und deren Rahmen betrachtet. Es spricht eine große Menge dafür, dass die OMV bewusst versucht, einen Weg zu finden, den bis 2040 laufenden Vertrag mit der Gazprom vorzeitig zu beenden.
Der langfristige Vertrag läuft bis 2040. Liefert Gazprom, muss die OMV diesem zufolge auch dann zahlen, wenn sie das Gas nicht abnimmt. Entscheidend ist die Lieferbereitschaft der russischen Seite. Dazu kommt, dass die konkrete Umsetzung der Versorgung bei Ausfall des Gastransits über die Ukraine noch ungeklärt ist.
Bereits im Mai hatte die OMV mit Blick auf die Sanktionspolitik aus Brüssel Bedenken geäußert. Ein Gericht in der EU könnte sie zwingen, die Zahlungen im Rahmen ihres Vertrags mit dem Gazprom-Tochterunternehmen Gazprom Export einzustellen, hieß es damals. Österreichs Regierung hatte unterdessen bereits angekündigt, Möglichkeiten zur Auflösung der Gaslieferverträge zwischen OMV und Gazprom zu prüfen.
Noch vor dem Sommer hatten E-Control und die Energieagentur eine Studie zu den möglichen Auswirkungen eines Endes des Langzeitvertrags für Österreichs Energieversorgung präsentiert.
Gazprom wollte OMV Klage im Ausland untersagen lassen
Im März hatte die Gazprom gegen die OMV-Tochter Exploration & Produktion eine Klage vor dem Schiedsgericht für St. Petersburg und das Leningrader Gebiet eingebracht. Ziel war es, dieser zu untersagen, einen Rechtsstreit mit Gazprom im Ausland zu führen. Damit wollte die Gazprom den Schritt der OMV vor dem Schiedsgericht verhindern. Geklagt hatte dann allerdings eine andere Tochtergesellschaft, die OMV Gas Marketing & Trading GmbH.
Eine Einstellung der Lieferung durch die Gazprom wäre eine mögliche Option für die OMV, den Vertrag vorzeitig zu beenden. Ob dies auch der Zweck des Vorgehens gewesen sei, darüber hält das Unternehmen sich bedeckt. Man werde seine „juristische Strategie nicht öffentlich machen“, äußerte sich die OMV gegenüber dem „Standard“.
Bezüglich der Folgen des Lieferstopps rechnet die OMV einer eigenen Analyse zufolge mit einer Preiserhöhung von fünf Euro pro Megawattstunde. Derzeit kostet diese an der Börse 45 Euro. Kunden mit längerfristigen Verträgen müssten ab dem kommenden Jahr mit höheren Preisen rechnen. Wer an Spotmärkten kauft, hätte schon kurzfristig mit Mehrkosten zu rechnen.
Österreich hofft auf Ersatzlieferungen – unter anderem aus den V. A. Emiraten
Derzeit liegen die Gaspreise um etwa 20 Prozent höher als im Oktober, mit steigender Tendenz. Zum einen sind die Temperaturen niedriger, zum anderen wird mehr Gas verstromt, weil die Erneuerbaren nicht in der Lage sind, den Bedarf zu decken.
Teilweise könnten die Entwicklungen jedoch schon eingepreist sein, insbesondere vor dem Hintergrund des Endes des Gastransitvertrages über die Ukraine. Als mögliche Lösung ist nun im Gespräch, dass ein aserbaidschanisches Energieunternehmen die Leitungskapazitäten übernimmt. Österreich hatte sich bereits in den vergangenen Jahren um eine stärkere Diversifizierung der Gasversorgung bemüht. So schloss man etwa Verträge mit den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Italien ab.
Das Gas in den österreichischen Speichern ist übrigens nicht nur für Österreich selbst bestimmt. Ein Teil davon wird auch in Länder wie Slowenien oder die Slowakei gehen.
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