Gabriel will „Neuausrichtung“ in deutscher Türkei-Politik
Reisehinweise für die Türkei sollen verschärft werden, kündigte Sigmar Gabriel an. Nach den jüngsten Verhaftungen von Menschenrechtsaktivisten in der Türkei will der Außenminister eine „Neuausrichtung“ in der deutschen Türkei-Politik.
Die Vorwürfe gegen die Menschenrechtler seien „offensichtlich unbegründet und an den Haaren herbeigezogen“, sagte Gabriel am Donnerstag in Berlin. Der Fall des in der Türkei inhaftierten Menschenrechtsaktivisten Peter Steudtner zeige, dass in der Türkei deutsche Staatsbürger vor willkürlichen Verhaftungen nicht mehr sicher seien.
„Wir können daher gar nicht anders, weil wir dem Schutz der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes verpflichtet sind, als unsere Reise- und Sicherheitshinweise in die Türkei anzupassen“, sagte Gabriel. Bisherige Warnungen für bestimmte Besuchergruppen gelten daher ab sofort für alle Deutschen – und somit auch für Touristen.
Neuplanung deutscher Unternehmensinvestitionen in der Türkei nötig
Außerdem soll über die Vergabe von staatlichen Bürgschaften bei Investitionen von deutschen Unternehmen in der Türkei sowie über die Vorbeitrittshilfen der EU geredet werden.
„Man kann niemandem zu Investitionen in ein Land raten, wenn es dort keine Rechtssicherheit mehr gibt und sogar völlig unbescholtene Unternehmen in die Nähe von Terroristen gerückt werden“, sagte Gabriel.
„Ich sehe deshalb nicht, wie wir als Bundesregierung weiter deutsche Unternehmensinvestitionen in der Türkei garantieren können“, fügte er hinzu. Die Bundesregierung werde darüber nachdenken, wie sie ihre Hermes-Bürgschaften entwickele und wie sie mit Investitionskrediten und Wirtschaftshilfen umgehe.
Gabriel: „Türkei soll zu europäischen Werten zurückkehren“
„Wir erwarten eine Rückkehr zu europäischen Werten“, forderte Gabriel Richtung Ankara. Die ohnehin angespannten deutsch-türkischen Beziehungen wurden zuletzt durch die Inhaftierung Steudtners weiter belastet. Zuvor hatten die Inhaftierungen des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel und der deutschen Journalistin Mesale Tolu bereits schwere Konflikte zwischen Berlin und Ankara provoziert.
„Wer unbescholtene Besucherinnen und Besucher seines Landes unter wirklich hanebüchenen, ja abwegigen Beschuldigungen festnimmt, und in Untersuchungshaft verbringen lässt, der verlässt den Boden europäischer Werte“, sagte Gabriel, der für die Beratungen über den Umgang mit der Türkei seinen Urlaub unterbrach.
Die Türkei verlasse damit auch das Selbstverständnis, das sich die NATO als Wertebündnis gegeben habe. „Die Fälle Peter Steudtner, Deniz Yücel und Frau Tolu stehen beispielhaft für die abwegigen Vorwürfe der Terrorpropaganda, die offensichtlich nur dazu dienen sollen, jede kritische Stimme in der Türkei zum Schweigen zu bringen“, so Gabriel.
„Neuausrichtung“ in Türkei-Politik notwendig
Diese Namen stünden für ein Unrecht, „das jeden deutschen Staatsbürger in der Türkei treffen kann“, sagte der Außenminister. „Wir müssen deshalb zu einer Neuausrichtung unserer Türkei-Politik kommen.“
Die Entscheidung für eine Anpassung der deutschen Türkei-Politik habe er sowohl mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als auch mit SPD-Chef Martin Schulz abgestimmt, so Gabriel. Auch die CSU werde eingebunden.
Man habe viel Geduld für den türkischen Bündnispartner aufgebracht, auch wenn das oft nicht leicht gewesen sei, so Gabriel. „Wir können nicht so weiter machen wie bisher“, sagte der Außenminister. „Wir müssen klarer als bisher sein, damit die Verantwortlichen in Ankara begreifen, dass eine solche Politik nicht folgenlos ist.“ (afp/dts)
Mehr dazu:
Berlin: Türkischer Botschafter ins Ministerium zitiert
Drei weitere Deutsche in der Türkei in Haft
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion