G7-Gipfel beschließt Gegenentwurf zu Chinas Seidenstraßenprojekt
Als Gegengewicht zum wachsenden Einfluss Chinas in der Welt haben die G7-Staaten eine globale Initiative für Infrastrukturprojekte gestartet.
Interessierten Ländern solle eine „an Werten orientierte“, hochwertige und transparente Partnerschaft angeboten werden, teilte das Weiße Haus am Samstag mit. Damit schaffen die G7-Länder eine Alternative zu Chinas „Belt and Road Initiative“, der sogenannten „Neuen Seidenstraße“.
Dabei geht es um den „strategischen Wettbewerb mit China“, um konkrete Schritte zur Unterstützung von Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen bei ihren gewaltigen Herausforderungen im Bereich der Infrastruktur einzuleiten. Dabei sei das weltweite Infrastruktur-Projekt beschlossen worden, berichtet das Weiße Haus.
Der Infrastrukturplan für ärmere und aufstrebende Länder wurde auf Initiative von US-Präsident Joe Biden beschlossen. Er soll ein Gegenentwurf zur „Neuen Seidenstraße“ sein, über die Peking den Ausbau von Verkehr-, Handels- und Industrie-Infrastruktur in zahlreichen Ländern vorantreibt.
Wachsender Einfluss Chinas wird kritisch gesehen
Zahlreiche Länder, darunter die USA, sehen den wachsenden Einfluss Chinas kritisch und werfen dem Pekinger Regime vor, Projekte des Programms als Hebel zu nutzen, um seinen geopolitischen Einfluss auszuweiten.
Einem US-Vertreter zufolge will Biden weiter für eine deutliche Abgrenzung von China werben und neben den Infrastrukturhilfen auch auf eine Stellungnahme gegen Zwangsarbeit der muslimischen Minderheit der Uiguren in China hinwirken.
„Es geht nicht nur darum, sich China entgegenzustellen oder es mit China aufzunehmen“, sagte ein Vertreter des Weißen Hauses. Es gehe darum, eine „positive alternative Vision der Welt“ zu bieten.
China nutzt Seidenstraßen-Projekt um Länder abhängig zu machen
Pekings Einfluss ist in den vergangenen Jahren in einigen Ländern durch Kredite und Projekte im Rahmen der „Neue Seidenstraße“-Initiative gewachsen. Das Projekt löste bei regionalen Mächten und vor allem bei westlichen Nationen Besorgnis aus. Im Zuge der Initiative half China einer Reihe von Ländern, Straßen, Eisenbahnen, Dämme und Häfen zu bauen oder zu entwickeln.
Viele Ländern verschuldeten sich allerdings durch die teils überdimensionierten Projekte, sodass Peking die neu gebaute Infrastruktur als Zahlungsausgleich unter ihre Kontrolle bekam. Die Länder gerieten dadurch in ein Abhängigkeitsverhältnis mit dem Pekinger Regime. Dies wiederum nutzt China, um seine eigene Wirtschaftskraft auf Kosten seiner „Partner“-Länder zu erhöhen, um schließlich die USA als Wirtschaftskraft Nr. 1 ablösen zu können und die Weltherrschaft zu erlangen.
Schlagabtausch bei Corona-Aufklärung und Menschenrechte zwischen USA und China
Zuvor hatten am Freitag sich die USA und China am Rande des G7-Gipfels einen Schlagabtausch in Sachen Corona-Aufklärung und Menschenrechte geliefert. In einem seltenen Telefonat mit Chinas Spitzendiplomat forderte US-Außenminister Antony Blinken Peking am Freitag auf, Licht ins Dunkel über den Ursprung von Covid-19 zu bringen. Chinas Spitzendiplomat Yang Jiechi warf den USA vor, das Thema für politische Zwecke zu Instrumentalisieren.
Blinken betonte gegenüber Yang, dem höchsten Verantwortlichen der Kommunistischen Partei Chinas für Außenpolitik, „die Wichtigkeit von Kooperation und Transparenz bezüglich der Herkunft des Virus“, wie das US-Außenministerium mitteilte. Er forderte auch, dass Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nach China zurückkehren dürfen.
Blinken fordert Peking auf Druck auf Taiwan zu verringern
Zudem rief er Peking auf, den Druck auf Taiwan zu verringern und „die Probleme friedlich zu lösen“. Peking betrachtet Taiwan, das sich 1949 von China losgesagt hatte, als abtrünnige Provinz, die wieder mit dem Festland vereinigt werden soll – notfalls mit Gewalt. In den vergangenen Jahren hat China den wirtschaftlichen, militärischen und diplomatischen Druck auf Taiwan massiv erhöht.
Yang verwahrte sich gegen die Kritik der USA am Umgang Chinas mit der Corona-Krise. Die Theorie eines Laborunfalls als Auslöser der Pandemie nannte er „absurd“, wie das chinesische Staatsfernsehen meldete.
US-Präsident Joe Biden hatte eine Untersuchung angeordnet zu der Frage, ob möglicherweise ein Laborunfall in der chinesischen Stadt Wuhan zu der weltweiten Corona-Pandemie Toten führte.
Beim G7-Gipfel stehen auch die Spannungen mit China im Bereich Menschenrechte auf der Tagesordnung, unter anderem die Menschenrechtsverstöße in der nordwestlichen Provinz Xinjiang sollen diskutiert werden. Bidens Regierung fährt eine harte Linie gegenüber China und will Peking im Verbund mit westlichen Partnern mit Stärke gegenübertreten.
G7-Länder treffen Vereinbarungen, um besser auf Pandemien vorbereitet zu sein
Die G7 -Staaten verabschiedeten eine sogenannte „Erklärung von Carbis Bay“, die nach dem Tagungsort im Südwesten Englands benannt ist. Sie enthält eine Reihe gesundheitspolitischer Zusagen. Zentral ist die schnellere Entwicklung und Zulassung von Impfstoffen sowie von Behandlungs- und Diagnosemethoden. Bei neuen ansteckenden Krankheiten soll dies künftig nicht länger als 100 Tage dauern.
Die Staats- und Regierungschefs wollen sich laut britischen Angaben zudem dazu verpflichten, ihre Kapazitäten zur Genomsequenzierung zu erhöhen, um gefährliche Virusvarianten schneller zu identifizieren. Mit Reformen soll außerdem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gestärkt werden.
Am Rande des Gipfeltreffens gab es am Samstag eine Reihe bilateraler Treffen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kam mit Johnson zusammen, wenig später traf sie den japanischen Ministerpräsidenten Yoshihide Suga.
Streit um das Brexit-Abkommen zu Nordirland
Johnson und Merkel hätten betont, wie wichtig die Zusammenarbeit ihrer beiden Länder sei, um Handel und Sicherheit zu stärken, sagte ein Sprecher des britischen Premiers. Auch über außenpolitische Fragen zu Russland und China tauschten sie sich demnach aus.
Der Gipfel wurde von einem Streit um das Brexit-Abkommen zu Nordirland überschattet. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel forderten die Regierung in London auf, sich an die Vereinbarung über Warenkontrollen in Nordirland zu halten. Auch der französische Präsident Emmanuel Macron appellierte an Johnson, sein Wort zu halten. Dieser wiederum bat die Europäer seinerseits um Kompromissbereitschaft.
Die wirtschaftliche Erholung von der Corona-Pandemie bildete den Schwerpunkt der Gespräche der Staats- und Regierungschefs am Freitag. Am Samstag dominieren dann die Themen Wirtschaft und Außenpolitik den Gipfel. An den Gesprächen nehmen zeitweise auch Australien, Südkorea, Südafrika und Indien teil. Am Sonntag liegt ein Schwerpunkt auf dem Klimawandel. (afp/er)
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