Fünf Jahre Flüchtlingspakt mit Erdogan – ein Überblick

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Flüchtlinge in der Türkei auf dem Weg zur griechischen Grenze.Foto: ---/XinHua/dpa/dpa
Epoch Times17. März 2021

Am 18. März 2016 hat die EU mit der Türkei ihren Flüchtlingspakt geschlossen. Fünf Jahre später ist die Bilanz für beide Seiten durchwachsen.

Die Türkei wirft der EU vor, ihre Zusagen nicht einzuhalten. Und Präsident Recep Tayyip Erdogan nutzt das Abkommen immer wieder, um mit der Drohung eines Ausstiegs Druck auf die EU auszuüben.

Ein Überblick:

Warum ist die Türkei in der Flüchtlingsfrage für die EU wichtig?

Die Türkei beherbergt 3,7 Millionen Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland Syrien. 2015 versuchten immer mehr Menschen, nach Europa weiterzureisen. In dem Jahr gelangten 856.000 Menschen über den Seeweg nach Griechenland. Die meisten reisten weiter Richtung Deutschland.

Was sieht der Flüchtlingspakt von 2016 vor?

Im März 2016 einigten sich die EU und die Türkei auf eine Zusammenarbeit. Ankara sicherte zu, alle neu auf den griechischen Inseln ankommenden Flüchtlinge zurückzunehmen und gegen Schlepperbanden vorzugehen.

Die EU versprach ihrerseits beschleunigte Verhandlungen über die Abschaffung des Visa-Zwangs für türkische Bürger und den EU-Beitritt sowie Gespräche über eine Ausweitung der Zollunion. Vor allem aber stellte die EU sechs Milliarden Euro zur Versorgung syrischer Flüchtlinge in der Türkei in Aussicht.

Hat das Abkommen gewirkt?

Ja. Die Ankunftszahlen in Griechenland sind dramatisch gesunken. In den Jahren 2017 bis 2020 kamen im Schnitt 96 Prozent weniger Flüchtlinge über die Ägäis nach Griechenland.

Wieviele Flüchtlinge hat Ankara zurückgenommen?

Laut EU-Kommission wurden seit März 2016 insgesamt 2140 Flüchtlinge in die Türkei zurückgebracht. Allerdings hat Ankara im Sommer vergangenen Jahres die Rücknahme ausgesetzt. Die türkische Regierung begründet dies damit, dass die EU ihre Zusagen aus dem Pakt nicht erfülle.

Hat die EU ihre Versprechen eingehalten?

In der Visa-Frage ging bald nichts voran, weil die Türkei ihre weit gefassten Anti-Terrorgesetze nicht ändern wollte. Die Beitrittsgespräche weitete die EU zwar aus, doch Erdogans Reaktion auf den Putschversuch vom Juli 2016 veränderte die Lage. Wegen des massiven Vorgehens gegen Regierungsgegner stoppten die EU-Staaten erst die Ausweitung und schließlich die Verhandlungen insgesamt. Auch die Modernisierung der Zollunion liegt auf Eis.

Sind die sechs Milliarden für die Flüchtlinge geflossen?

Ausgezahlt sind laut EU-Kommission bisher 4,1 Milliarden Euro. Aber auch die restlichen Gelder aus dem Sechs-Milliarden-Paket sind bereits fest verplant. Brüssel zufolge sind Zahlungen für den Großteil der Projekte, die zumeist über internationale Hilfsorganisation laufen, noch bis in die Jahre 2022 und 2023 vorgesehen.

Wird die EU ein neues Milliardenpaket schnüren?

Die Türkei fordert neues und mehr Geld für die Versorgung der Flüchtlinge im eigenen Land. Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten im Dezember erklärt, sie seien „bereit, syrischen Flüchtlingen weiterhin finanzielle Unterstützung zu gewähren“. Konkrete Planungen für ein neues Milliardenpaket gibt es aber nicht. Allerdings sagte die EU vergangenes Jahr weitere 535 Millionen Euro zu, damit bestimmte Programme 2021 weiterlaufen können.

Was verlangt die Türkei?

Erdogan will eine „Erneuerung“ und Ausweitung des Abkommens von 2016. Er fordert dabei auch finanzielle und logistische Unterstützung der EU, um die freiwillige Rückkehr syrischer Flüchtlinge in ihre Heimat zu organisieren. Zudem will Ankara auch Gelder für eine halbe Million weitere Flüchtlinge, die nicht aus Syrien kommen.

Wie steht die EU dazu?

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell zeigte sich diese Woche grundsätzlich offen für eine „Erneuerung“ der Vereinbarung. Bei den Mitgliedstaaten gibt es derzeit aber kaum Interesse, den Deal von 2016 wieder aufzuschnüren. Und Pläne der Türkei, syrische Flüchtlinge in dem von ihr besetzten Norden des Bürgerkriegslandes anzusiedeln, werden vielfach skeptisch gesehen. Den weiteren Kurs sollen die EU-Staats- und Regierungschefs nun bei ihrem Gipfel Ende März vorgeben. (afp)



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