Fronten im EU-Finanzstreit vor Sondergipfel verhärtet
Vor dem Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs haben sich äußerst schwierige Verhandlungen über den Corona-Hilfsfonds und den europäischen Haushalt abgezeichnet. Es gebe „noch viele, viele Dissenspunkte“, sagte Europa-Staatsminister Michael Roth am Mittwoch nach einer Video-Konferenz mit seinen EU-Kollegen zur Gipfel-Vorbereitung. Er wies zurück, dass die Möglichkeit zur Kürzung von EU-Geldern bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit in den schwierigen Finanzverhandlungen bereits „geopfert“ worden sei.
Bei dem Gipfel am Freitag und Samstag in Brüssel geht es um ein bisher beispielloses Finanzpaket von 1,8 Billionen Euro. Es besteht aus dem nächsten siebenjährigen EU-Finanzrahmen für die Zeit von 2021 bis 2027 von gut einer Billion Euro und dem Hilfsfonds gegen die schweren wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise von 750 Milliarden Euro.
Viele Fragen sind hoch umstritten. Roth bestätigte, dass die Höhe des Corona-Aufbaufonds einer „der Kernkonflikte“ ist. Diplomaten zufolge fordern Finnland, Österreich, Dänemark und Schweden deutliche Kürzungen bei den 500 Milliarden Euro, die nach einem Vorschlag von EU-Ratspräsident Charles Michel als Zuschüsse an besonders von der Pandemie getroffene Mitgliedstaaten fließen sollen.
Es gebe Regierungen, „die einen stärkeren Fokus auf Kredite wünschen“, sagte Roth dazu. Gerade die „krisengeschüttelten Länder“ seien aber schon stark verschuldet und wollten deshalb Zuschüsse und nicht weitere Kredite. Dieser Konflikt sei „sicher eine der schwierigsten Fragen“, die von den Staats- und Regierungschefs am Wochenende gelöst werden müsse, sagte Roth.
Insbesondere die Niederlande verlangen zudem, dass die Auszahlung der Corona-Hilfen an strikte Reformauflagen geknüpft werden. Den Haag fordert Diplomaten zufolge, dass die Mitgliedstaaten die Umsetzung der Reformen bewerten und dann einstimmig über die Auszahlung der Gelder entscheiden. Michel hatte hier dagegen einen Beschluss mit qualifizierter Mehrheit vorgeschlagen – das wären 55 Prozent der Mitgliedstaaten, die für 65 Prozent der EU-Bevölkerung stehen.
Hoch umstritten ist auch die vorgesehene Möglichkeit, Mitgliedstaaten EU-Haushaltsgelder bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit zu kürzen. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hat hier bereits mit einem Veto gedroht. Er könnte damit das gesamte Finanzpaket blockieren, denn Entscheidungen darüber müssen von den 27 Mitgliedstaaten einstimmig getroffen werden.
Die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit sei weiter eine Priorität Deutschlands und von „ganz, ganz vielen Mitgliedstaaten“, sagte Roth am Mittwoch nach einer Video-Konferenz der EU-Europaminister. Das Thema sei vor dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs „nicht geopfert“ worden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte allerdings Anfang Juli klargemacht, dass sie bei den Gipfel-Verhandlungen die umstrittene Frage der Rechtsstaatlichkeit nicht in den Vordergrund stellen will. „Damit man Fonds mit Rechtsstaatlichkeit (…) verbinden kann, braucht man erstmal Fonds“, sagte Merkel damals. Dies stehe bei dem Gipfel „im Fokus“.
„Ich zähle in dieser Frage auch sehr stark auf das Europäische Parlament in den Verhandlungen“, sagte EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn zum Streit um die Rechtsstaatlichkeit. Die Abgeordneten haben klar gemacht, dass diese Frage für sie wesentlich ist. Sie müssen dem Finanzpaket am Ende zustimmen. (afp)
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