Friedensnobelpreisträger H.-P. Dürr und die Internationale Sicherheitskonferenz

Titelbild
Friedensnobelpreisträger und Quantenphysiker Hans-Peter Dürr.Foto: Roland R. Ropers
Von 1. Februar 2013

 

In München findet vom 1.-3. Februar 2013 die alljährliche Internationale Sicherheitskonferenz statt – dieses Mal mit einer Rekordbeteiligung von hochrangigen Politikern und Entscheidungsträgern aus der ganzen Welt.

Die City der bayerischen Metropole verwandelt sich zu dieser Zeit in einen Hochsicherheitstrakt. Nebenbei bemerkt, belegt Deutschland den dritten Platz auf der Rangliste der größten Rüstungslieferanten. Die qualitativ besten Panzer werden seit Jahrzehnten in München produziert, was von der Bevölkerung kaum wahrgenommen wird.

Zeitgleich findet in München die von dem Physiker Hans-Peter Dürr vor 11 Jahren mit ins Leben gerufene „Internationale Friedenskonferenz“ statt – unter dem Motto: „Frieden und Gerechtigkeit gestalten – NEIN zum Krieg“. Ich sprach mit dem Quantenphysiker und Friedensnobelpreisträger Hans-Peter Dürr über den unbegrenzten geistigen Zusammenhang unserer Welt.

Der Atom- und Kernphysiker und Ehrenbürger der Stadt München, Hans-Peter Dürr ist im 84. Lebensjahr. Er war der engste Schüler und Mitarbeiter des Physikers und Nobelpreisträgers Werner Heisenberg (1901 – 1976).

Er ist sehr besorgt, wie leichtfertig und auch unwissend mit der Kernenergie umgegangen wird. 1995 wurden die „Pugwash Conferences on Science and World Affairs“, zu deren aktiven Mitgliedern Hans-Peter Dürr zählt, in Oslo mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Seit dem ersten Treffen in dem kleinen Fischerdorf Pugwash in Nova Scotia/Kanada kamen auf internationalen Konferenzen und Workshops renommierte und einflussreiche Wissenschaftler zusammen. Sie liefern dort Beiträge zu Fragen der atomaren Bedrohung, zu bewaffneten Konflikten und Problemen der globalen Sicherheit. „Pugwash International“ veranstaltet neben Jahrestagungen auch Workshops zu Themen wie nukleare Abrüstung, biologische und chemische Waffen und Weiterverbreitung von Waffentechnologien sowie zu Themen nachhaltiger Entwicklung und der Verantwortung der Naturwissenschaftler.

Hans-Peter Dürr ist vom Wissenschaftler zum Wissenden und Weisen geworden; er fühlt die Verantwortung, sich einzumischen, solange er dazu in der Lage ist. Er ist ein Meister des liebenden Dialogs; für ihn bedeutet ein persönliches, wertschätzendes Gespräch „Kommunion“.

Immer wieder spricht er von der notwendigen Kooperation anstelle eines vernichtenden Wettbewerbs. Seit vielen Jahren haben wir in sehr intensiven Gesprächen die Unterscheidung von Realität und Wirklichkeit diskutiert und differenziert interpretiert. Erst vor wenigen Tagen waren wir zusammen, wobei Hans-Peter Dürr seine wichtigsten Gedanken wiederholte:

„Die Wirklichkeit ist nicht zu verwechseln mit Realität. Unter Realität verstehen wir eine Welt der Dinge, der isolierten Objekte und deren Anordnung.

Jene Welt, welche die alte, überholte Physik mit ihrem mechanistischen Weltbild beschreibt, mag für unseren Alltag ausreichen, trifft aber nicht das Ganze. Die Felder in der Quantenphysik wirken in ganz andere, größere Räume hinein, die nichts mit unserem vertrauten dreidimensionalen Raum zu tun haben. Es ist ein reines Informationsfeld und hat nichts mit Masse und Energie zu tun.

Dieses Feld ist nicht nur innerhalb von mir, sondern es erstreckt sich über das ganze Universum. Der Kosmos ist ein Ganzes ohne jegliche Begrenzung.

Lesen sie weiter auf Seite 2: Was die Quantenphysik sagt

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Die Quantenphysik sagt uns, dass die Wirklichkeit ein großer geistiger Zusammenhang und unsere Welt voller Möglichkeiten ist. Wir leben in einer viel größeren Welt, als uns im Allgemeinen bewusst ist.

Leben ist ein erstaunliches Phänomen. Mit seinem Bewusstsein und seiner Fähigkeit zum absichtsvollen Handeln hat der Mensch eine neue Stufe des Lebendigen erklommen. Sie ermöglicht ihm, die Welt auf doppelte und recht unterschiedliche Weise wahrzunehmen. Er erlebt sie zunächst ganz unmittelbar innerlich, weil er, wie alles andere, Teil dieser Welt ist; und er erfährt sie dann nochmals anders über seine Sinne in seinem hellen Bewusstsein als etwas Äußeres, von sich Abgetrenntes.

Es ist die Betonung der äußeren Welt, die von der Trennung ausgeht, durch die der Mensch sich selbst als Lebewesen in Frage stellt und mit sich selbst auch ein Großteil des höher entwickelten Lebens auf der Erde in Gefahr bringt.

Es ist die Negierung der inneren Wahrnehmung der Wirklichkeit als einer Ganzheit, welche den Menschen zu seiner Naturvergessenheit führt und ihn dazu verleitet, sich im Wettstreit mit anderen den Ast abzusägen, auf dem er sitzt.

Die Quantenphysik entspricht der Logik der Natur: Teilchen verhalten sich wie Wellen und Wellen wie Teilchen. Und genau diese Unschärfe verweist auf den Ursprung alles Lebendigen – auf einen zugrunde liegenden universellen Code, der eben nichts anderes ist als Information.

Die neue Physik bezieht auf diese Weise auch unsere Alltagserfahrungen mit ein und damit die Lebendigkeit. Es gibt nur ein Beziehungsgefüge, den ständigen Wandel, nur einen Zusammenhang ohne materielle Grundlage, etwas, was wir nur spontan erleben und nicht greifen können.

Materie und Energie treten erst sekundär in Erscheinung – gewissermaßen als etwas Geronnenes, Erstarrtes. Wenn wir über die Quantenphysik sprechen, sollten wir besser eine Sprache verwenden, die nur aus Verben besteht.

Das Substantiv ‚Liebe“ kann ich nicht definieren; lieben muss erlebt werden. In der subatomaren Quantenwelt gibt es keine Gegenstände, keine Materie, keine Substantive, also keine Dinge, die wir anfassen und begreifen können. Es gibt nur Bewegungen, Prozesse, Verbindungen und Informationen.

Da die Zukunft im Wesentlichen offen ist, wird die Welt in jedem Augenblick neu erschaffen, aber wohlgemerkt vor dem Hintergrund, wie sie vorher war. Der Bruch, den die neue Physik fordert, ist tief. Er bezeichnet nicht nur einen Paradigmenwechsel, sondern deutet darauf hin, dass die Wirklichkeit im Grunde keine Realität im Sinne einer dinghaften Wirklichkeit ist. Wirklichkeit ist reine Verbundenheit oder Potenzialität.

Soll die Menschheit eine Zukunft haben, so haben wir als Mitglieder der menschlichen Gesellschaft keine andere Wahl, als unser gemeinsames Schicksal mit heißem Herzen und kühlem Verstand in beide Hände zu nehmen und mitzuwirken, es entschlossen und sanft zugleich durch die gefährlichen Klippen und Stromschnellen der nächsten Jahrzehnte zu steuern.“

 



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