Saudi-Arabien will Gewalt gegen Frauen den Kampf ansagen

Noch Anfang des Jahres war es Frauen im Königreich Saudi-Arabien nicht einmal erlaubt, ein Auto zu lenken. Jetzt will die Führung der Golfmonarchie den Schutz von Frauenrechten ernst nehmen und Maßnahmen zum Schutz vor häuslicher Gewalt und Belästigung verstärken. Die Regierung ist optimistisch, dass ihre Mühen Erfolg haben werden.
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Eine Geschäftsfrau in Dubai – Saudi-Arabien will künftig mehr Rechte für Frauen einführen.Foto: iStock
Von 30. November 2018

Am 25. November war der Internationale Tag für das Ende der Gewalt gegen Frauen – und diesmal hat erstmals ein Land diesen offiziell mitbegangen, das bislang für alles andere denn für den Schutz von Frauenrechten bekannt war: Saudi-Arabien.

Durften noch vor wenigen Monaten Frauen im Königreich nicht einmal am Lenkrad eines Autos sitzen und wurden erst jüngst noch gegen südostasiatische Hausmädchen Todesurteile verhängt, die sich gegen ihren Dienstherren und dessen sexuelle Übergriffe zur Wehr gesetzt hatten, will die Regierung in Riad nun das Problem der Gewalt gegen Frauen auf mehreren Ebenen angehen.

Handlungsbedarf ist, wie die saudische Zeitung „Arab News“ einräumt, in Hülle und Fülle gegeben. Der Leiter des nationalen Programms für Familiensicherheit, Dr. Madschid Al-Eissa, sprach mit dem Blatt über eine jüngst veröffentlichte Studie, der zufolge etwa 35 Prozent der Frauen in Saudi-Arabien mindestens einmal in ihrem Leben irgendeine Form von Gewalt erlitten hätten.

„Kein signifikant höherer Anteil als in anderen Ländern weltweit“

Ein vorwiegend kulturell oder religiös motiviertes Problem sieht Al-Eissa nicht. Dieser Anteil weiche nicht signifikant von den Daten anderer Länder weltweit ab, was zeige, dass Gewalt gegen Frauen ein globales Problem sei und keine Gesellschaft dagegen immun.

Das Familienschutzprogramm des Königreichs will vom nächsten Monat an in allen Provinzen ein Rehabilitationsprogramm für Frauen schaffen, die Opfer von Gewalt geworden waren. Das Programm sei für alle Betroffenen auf die Dauer von sieben Wochen anberaumt und verfolge das Ziel, diesen nach den Erfahrungen, die sie durchmachen mussten, zu helfen, wieder in ein normales Leben zurückzufinden. In der Hauptstadt bestehe es schon länger.

„Bislang haben allein in Riad bereits 120 Frauen von unserem Rehabilitationsprogramm profitiert“, so Al-Eissa.

Der Vorsitzende der saudischen Kommission für Menschenrechte, Bandar bin Mohammed Al-Aiban, spricht von allein 1059 Fällen von Gewalt gegen Frauen, die vor Gericht gebracht wurden. Dabei sei in 348 Fällen physische Gewalt im Spiel gewesen, in 59 Fällen habe es sich um häusliche Fälle gehandelt und in 65 Fällen sei sexueller Missbrauch im Spiel gewesen.

Die Dunkelziffer könnte deutlich höher sein, da nicht alle Fälle angezeigt werden. Im November des Vorjahres hat eine Umfrage unter mehr als 1000 Personen durch das saudische nationale Zentrum für öffentliche Meinungsforschung ergeben, dass 16 Prozent aller Frauen davon ausgehen, dass Gewalt gegen Frauen weit verbreitet ist. 73 Prozent aller Befragten schätzen, am häufigsten sei der Täter der eigene Ehemann und 83 Prozent halten die eigenen vier Wände für den gefährlichsten Ort, was Gewalt gegen Frauen anbelangt.

Viel Theorie, aber auch schon einige konkrete Projekte

Die Aufgabe des Familienschutzprogramms besteht vorerst vorwiegend in der Erarbeitung von Präventivstrategien wie Programmen zur Bewusstseinsbildung, Foren, Workshops oder Kursen, die zusammen mit verschiedenen Institutionen abgehalten werden. Ein bisschen konkrete Arbeit soll es aber dann doch auch jetzt schon geben, schildert Al-Eissa:

Zusätzlich fokussieren wir uns darauf, Zivilbetreuer und Personen, die mit den Opfern arbeiten, auf ihre Aufgabe vorzubereiten. Das heißt, dass wir mit unterschiedlichen Sektoren zusammenarbeiten, etwa Sicherheitspersonal, Justizbeamten, Mitarbeitern in sozialen Einrichtungen, Gesundheitscoaches, Ärzten und Lehrern. Wir arbeiten mit diesen zusammen an Maßnahmen zum Training und zur Bildung von Kapazitäten, um die Probleme richtig identifizieren und angehen zu können.“

Im Jahr 2013 hatte Saudi-Arabien erstmals ein Gesetz erlassen, das häusliche Gewalt unter Strafe stellt und vorwiegend Frauen und Kinder schützen soll.

Der Begriff des Missbrauchs in diesem Zusammenhang ist sehr weit gefasst und umfasst alle Formen der Ausbeutung: physisch, psychisch oder sexuell. Auch die Drohung damit durch eine Person, zu der sich die andere in einem Abhängigkeitsverhältnis befindet, fällt dem Gesetz nach darunter. Auch das Zurücklassen oder die Vernachlässigung durch ein verantwortliches Familienmitglied oder jemanden, der von Gesetzes wegen zur Fürsorge verpflichtet ist, sei tatbestandsmäßig.

Besserungsprogramme für Täter

Das Ministerium für Arbeit und soziale Entwicklung, das zur Vollziehung beauftragt ist, hat eine soziale Schutzeinheit gegründet, die Berichte entgegennehmen soll oder Fälle zusammen mit den zuständigen Behörden bearbeiten soll. In den größten Regionen des Landes wurden Komitees zum sozialen Schutz gegründet, wo es keine gibt, wurden Wahrnehmungsverträge mit gemeinnützigen Organisationen geschlossen. Auch eine Notrufnummer mit ausschließlich weiblicher Besetzung wurde eingerichtet.

Die betrauten Stellen haben die Aufgabe, in Fällen von Übergriffen, die ihnen bekannt werden, innerhalb von zwei bis sechs Stunden – je nach Schwere des Falls – die zuständigen Behörden zu kontaktieren.

Auch für die Täter gibt es Hilfsprogramme. Diese sollen den gesundheitlichen und psychologischen Zustand der Verdächtigen überprüfen und ihnen mithilfe von speziellen Programmen helfen, zu besseren Familienmitgliedern zu werden.

Das Gesetz gegen häusliche Gewalt gibt es in Saudi-Arabien seit 2013, seit 2018 sollen auch Frauen außerhalb der eigene vier Wände geschützt werden. Ein Gesetz gegen sexuelle Belästigung wurde verabschiedet, dessen Bestimmungen mit Sanktionen verknüpft sind, die Gefängnisstrafen von bis zu zwei oder in gravierenderen Fällen bis zu fünf Jahren vorsehen. Auch Geldstrafen bis zu 300 000 Rial (etwa 70 000 Euro) sind möglich.

Papier ist geduldig

Trotz all dieser Maßnahmen löste es weithin Gelächter und Kopfschütteln aus, dass im Juni Saudi-Arabiens stellvertretende Arbeits- und Sozialministerin Tamader bin Yousef Al-Rammah in das 23-köpfige UN-Komitee zur Beseitigung der Diskriminierung von Frauen gewählt wurde.

Papier ist sehr geduldig, und das gilt insbesondere auch in der Golfmonarchie, wo nach wie vor Verwandtschaftsbeziehungen, Clanstrukturen und religiöse Überzeugungen im Sinne der Scharia dem geschriebenen Recht und der Rechtsstaatlichkeit oft und schnell Grenzen setzen können.

Dennoch versichert der Sprecher des Innenministeriums, Generalmajor Mansour Al-Turki, gegenüber Arab News, dass die neuen Maßnahmen greifen werden: „Wir erwarten, dass dieses Gesetz die Zahl der sexuellen Belästigungsverbrechen vermindern wird. Wir arbeiten daran, dass solche Verbrechen nirgendwo mehr im Königreich passieren.“



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