Französischer Landwirt: Macron spielte Bauern gegen Ordnungskräfte aus

„Die Krise der französischen Landwirtschaft hat weit mehr als Proteste ausgelöst, sie hat ein nationales Bewusstsein geweckt.“ Landwirt Théophane de Flaujac war mit in Rungis und 700 Kilometer auf seinem Traktor nach Paris unterwegs.
Titelbild
Théophane de Flaujac, Landwirt, Unternehmer und Betriebsleiter in Lot-et-Garonne, einem Département in der französischen Region Nouvelle-Aquitaine.Foto: Epoch Times Frankreich
Von 8. Februar 2024

Der große Bauernaufstand fiel aus, doch die Ursachen für die Proteste sind noch nicht beseitigt: Gemeinsame Agrarpolitik, Normen, der Green Deal und Freihandel, der unfaire ausländische Konkurrenz begünstigt. Die breite Protestbewegung der Landwirte hat die französische Regierung unter Druck gesetzt. Um das Unbehagen zu lindern, kündigte Premierminister Gabriel Attal drei Bündel von Maßnahmen an.

Auch wenn die Traktorkonvois beschlossen haben, derzeit wieder umzukehren, schwelt die Unzufriedenheit weiter, herrscht Misstrauen. Welche Bilanz lässt sich ziehen?

Théophane de Flaujac war dabei; er ist Landwirt, Unternehmer und Betriebsleiter. Im Interview spricht er über seine Reise von Agen nach Paris, berichtet von den politischen Repressalien, und analysiert die Auswirkungen dieser beispiellosen Mobilisierung in der öffentlichen Meinung.

Können Sie uns die Gründe nennen, warum Sie Landwirt wurden und die täglichen Herausforderungen, die damit einhergehen?

Als jüngstes von acht Geschwistern wurde ich mit der Liebe zur Erde und zur Landwirtschaft erzogen. Von klein auf war der Bauernhof meiner Familie mein Spiel- und Lernplatz, wo ich einen tiefen Respekt für die Natur und die Arbeit auf dem Land entwickelt habe. Inspiriert durch das Beispiel meines Vaters entschied ich mich, gemeinsam mit meinem Bruder in seine Fußstapfen zu treten und die Zügel unseres landwirtschaftlichen Betriebs zu übernehmen.

Trotz eines akademischen Werdegangs in Philosophie und Politikwissenschaften war mein Herz immer in der Landwirtschaft verankert. Diese doppelte Ausbildung hat mir eine einzigartige Perspektive auf meinen Beruf verschafft, die kritisches Denken mit dem Verständnis für die sozialen und politischen Dynamiken, die die Landwirtschaft beeinflussen, verbindet.

Meine Inspiration für die Landwirtschaft ist eine Mischung aus Familientradition und persönlichem Engagement für einen Lebensstil, der harte Arbeit, Zuhören, den Willen, Gutes zu tun, und Neugierde wertschätzt. 

Unser Hof ist ein Mikrokosmos der französischen Landwirtschaft, der ihre Vielfalt und ihren Reichtum widerspiegelt. Wir produzieren eine Vielzahl von Feldfrüchten, Mais, Sonnenblumen sowie eine breite Palette an Getreide. Auch der Gemüseanbau nimmt einen wichtigen Platz ein, mit dem Anbau von Erdbeeren, Spargel, Tomaten, Auberginen, Gurken und vielen anderen. Darüber hinaus züchten wir Masthähnchen und sorgen so für eine Diversifizierung.

Mein Leben ist geprägt von ständigen Kämpfen gegen die unerbittlichen Realitäten des Marktes. Ein prominentes Beispiel dafür sind meine Tomaten.

In einem Jahr, nachdem ich eine mündliche Vereinbarung mit einem Supermarkt getroffen hatte, produzierte ich fünf Tonnen Tomaten und erwartete einen Verkaufspreis von 2,50 Euro pro Kilogramm. Zu meiner Bestürzung beschloss der Supermarkt jedoch, sie im nächsten Jahr für nur 1,80 Euro pro Kilo zu kaufen, ein Preis, der unter meiner Gewinnschwelle lag.

Schlimmer noch, als ich den Laden besuchte, entdeckte ich dieselben Tomaten – sie wurden dort für 5,70 Euro pro Kilo verkauft. Dieser Preis hätte mir eine anständige Gewinnspanne sichern müssen.

In einem anderen Jahr mussten wir mit unseren Kürbissen eine absurde Situation bewältigen. Nachdem wir 75 Tonnen angebaut hatten, waren wir gezwungen, sie wegzuwerfen, weil ein portugiesischer Erzeuger sie in Deutschland für 20 Cent pro Kilo verkaufte, ein Preis, der unseren Großhandelskosten in Frankreich entsprach.

Das zeigt die Widersprüche eines Systems, in dem die einheimischen Landwirte von billigen Importen und dem Druck der Einzelhändler erdrückt werden. Es unterstreichen die Zerbrechlichkeit unseres Berufs und die Dringlichkeit, unsere Unabhängigkeit bei der Lebensmittelversorgung zu verteidigen.

Wie war ihre Reise nach Paris?

Meine 700 km lange Traktorfahrt von Agen nach Paris war nicht nur eine einfache Reise, sondern ein echtes „landwirtschaftliches Epos“. Die Organisation war wie bei einer Militäroperation: ein Konvoi aus robusten Traktoren, die für Straßensperren ausgerüstet waren, begleitet von Versorgungslastern und sogar einem Kühlanhänger für unsere Vorräte. Wir waren auf alle Eventualitäten vorbereitet.

Was mich auf dieser Reise am meisten beeindruckt hat, war die unerwartete Solidarität. In jedem Dorf, das wir durchquerten, spielten sich rührende Szenen ab. Ganze Familien standen in den Fenstern oder am Straßenrand, schwenkten Fahnen, schenkten uns ein Lächeln und applaudierten.

Diese Momente der Gemeinschaft mit den Franzosen, die die Legitimität unseres Kampfes anerkannten, haben mich tief bewegt. Es war, als würde durch unseren Protest ein ganzer Teil des ländlichen und vergessenen Frankreichs zum Ausdruck kommen.

Sie sahen sich schnell mit den Ordnungskräften konfrontiert?

Die Spannung angesichts der von den Ordnungskräften eingesetzten Mittel war spürbar. Straßensperren versuchten, uns aufzuhalten, und wir mussten sie einfallsreich umgehen, wobei wir manchmal Felder und Schleichwege überquerten.

Was mich jedoch wirklich überraschte, war das Ausmaß der Überwachung: Hubschrauber mit hoch entwickelten Radargeräten, die unsere Bewegungen verfolgen und unsere Routen vorhersagen konnten.

Zu den stärksten Erinnerungen gehört die Interaktion zwischen einem befreundeten Landwirt und einem CRS (eine Art französische Bundespolizei) [1]. Auf der Brücke von Orléans, wo wir festsaßen, sprach mein Freund einen CRS an und erzählte ihm von unseren Kämpfen, unseren Familien und der lebenswichtigen Bedeutung unseres Berufs.

Seine Worte waren so ergreifend, dass dem CRS eine Träne über die Wange lief – ein seltener Moment der Menschlichkeit, der die Komplexität unseres Kampfes veranschaulichte. Es war nicht nur ein Kampf um das wirtschaftliche Überleben, sondern auch um die Anerkennung unserer wesentlichen Rolle in der Gesellschaft.

Sie gehören zu den 91 Landwirten, die festgenommen wurden, nachdem sie in den Großmarkt in Rungis eingedrungen waren. Können Sie uns den Hintergrund erläutern?

Mein Polizeigewahrsam in Rungis war der Höhepunkt einer Reihe von Ereignissen, die sinnbildlich für unseren Kampf stehen.

Wir, eine Gruppe von etwa 100 Landwirten, hatten es geschafft, friedlich mit erhobenen Händen in das MIN de Rungis (Großmarkt) einzudringen, ohne Gewalt oder Schäden anzurichten. Diese gewaltfreie Aktion wurde jedoch als verwerflich ausgelegt, und wir wurden unrechtmäßig wegen unerlaubten Handlungen angeklagt. Die Anzeige wurde später glücklicherweise zurückgezogen, als unsere Schuldlosigkeit anerkannt worden war.

In Wahrheit schien die Verhaftung eher politisch motiviert zu sein als alles andere, denn unser einziges „Vergehen“ bestand darin, dass wir unseren Beruf verteidigen und die Franzosen angesichts so vieler Ungerechtigkeiten ernähren wollten.

Der Polizeigewahrsam, der 16 Stunden dauerte, fand unter zermürbenden Bedingungen statt. Wir waren in schmutzigen Zellen eingesperrt, die von einem starken Uringeruch durchdrungen waren: eine Umgebung, weit von der Menschenwürde entfernt. Die Durchsuchung, die einige von uns über sich ergehen lassen mussten, war besonders erniedrigend; Bauern wurden in Unterwäsche und mit Handschellen vor Frauen, Teenagern und sogar älteren Menschen durchsucht.

Diese Behandlungen waren zwar hart, wurden aber durch ein gewisses Verständnis seitens der Polizisten gemildert, die trotz ihrer Rolle mit unserer Sache zu sympathisieren schienen. Die Verhaftung löste in der Landwirtschaft große Aufregung aus, die sich in spontanen Demonstrationen vor Polizeistationen und Präfekturen äußerte, in denen unsere Freilassung gefordert wurde. Diese Aktionen zeugen von der tiefen Solidarität innerhalb der landwirtschaftlichen Gemeinschaft.

Macron hat zwei Frankreich gegeneinander ausgespielt: auf der einen Seite das Frankreich, das schützt, verkörpert durch die Ordnungskräfte, und auf der anderen Seite das Frankreich, das ernährt, repräsentiert durch uns Landwirte.

Und wir haben die gleichen Werte.

Diese Konfrontation war, obwohl sie frei von physischer Gewalt war, symbolisch und emotional aufgeladen. Sie spiegelte die Komplexität einer Situation wider, in der sich zwei wesentliche Kräfte der Nation gegenüberstanden, von denen sich jede der Schwierigkeiten und Herausforderungen der anderen bewusst war.

Es war auch ein eindrucksvolles Spiegelbild der Art und Weise, wie unser Kampf um die Landwirtschaft von den Behörden wahrgenommen und behandelt wird und offenbarte eine Kluft zwischen der Wahrnehmung unserer Aktionen und der Realität unseres friedlichen Einsatzes für die französische Landwirtschaft.

Die Regierung hat am 1. Februar mehrere Maßnahmen angekündigt, um die Wut der Landwirte zu besänftigen: Änderungen bei landwirtschaftlichen Erbschaften, 150 Millionen Euro für Viehzüchter, schnelle Rückerstattung der Steuer auf Diesel. Ist das zufriedenstellend?

Die jüngsten Maßnahmen, die die Regierung als Antwort auf unsere Forderungen angekündigt hat, scheinen mir eine reine Nebelkerze zu sein. Während unsere Hauptforderung eine gerechte Entlohnung für unsere Arbeit war, haben wir als Antwort eine kleine Subvention erhalten, ein Tropfen auf den heißen Stein.

Gleichzeitig war für mich der krasse Gegensatz zu den 50 Milliarden Euro an Hilfsgeldern, die Europa der Ukraine, einem Nicht-EU-Land, zukommen ließ, besonders auffällig. Dies wirft Fragen über die Prioritäten und die Zuweisung von Ressourcen auf europäischer Ebene auf.

Darüber hinaus wurden zwar Versprechungen bezüglich der Verlangsamung von Freihandelsverträgen gemacht, doch diese bleiben auf dem Tisch. Mit der hohen Wahrscheinlichkeit, dass sie letztendlich angenommen werden. Diese Situation vermittelt mir den Eindruck, dass man zuhört, wir aber nicht gehört werden – kurz: „Quatsch ruhig und geh zur Arbeit.“

Ich persönlich hatte keine großen Erwartungen, bin aber dennoch enttäuscht. Mir scheint, dass die, die uns regieren, den Bezug zur Realität vor Ort verloren haben. Sie versuchen, alles zu kontrollieren, ohne wirklich zu verstehen, was auf dem Spiel steht und mit welchen Herausforderungen wir Landwirte tagtäglich konfrontiert sind.

Meiner Meinung nach zeugt dieser Ansatz von einer kranken Gesellschaft, die von einem Sozialismus geprägt ist, der von der Realität und den tatsächlichen Bedürfnissen des Agrarsektors abgekoppelt ist.

Welche Bilanz ziehen Sie aus ihrem „landwirtschaftlichen Epos“?

Einer der ermutigendsten Aspekte unserer Bewegung war die massive Unterstützung durch die Bevölkerung, die 86 Prozent erreichte. Es zeugt von einem kollektiven Bewusstsein für die entscheidende Bedeutung der Landwirtschaft und die Legitimität unseres Protests.

Die beispiellose Mobilisierung führte zudem zu einer außergewöhnlichen Medienberichterstattung, die nicht nur unsere Herausforderungen als Landwirte, sondern auch die fragwürdigen Praktiken einiger Akteure des Sektors, insbesondere von Agrargewerkschaften wie der FNSEA, ins Rampenlicht rückte. Die Medienpräsenz könnte in Verbindung mit den nahenden Europa- und Gewerkschaftswahlen einen Wendepunkt darstellen.

Mir scheint, dass wir einen entscheidenden Moment erleben, eine allgemeine Bewusstwerdung der Schwierigkeiten in der Landwirtschaft. 

Wie sehen Sie die Zukunft der Bewegung und im weiteren Sinne die Zukunft der französischen Landwirtschaft?

Die aktuelle Krise im französischen Agrarsektor, die durch unseren Aufstieg in Paris und unsere Aktion in Rungis gekennzeichnet war, hat weit mehr als eine Reihe von Protesten ausgelöst; sie hat ein nationales Bewusstsein geweckt. 

Obwohl die von der Regierung angekündigten Maßnahmen mit Skepsis aufgenommen und als unzureichend empfunden wurden, war die Medienwirkung unserer Bewegung beispiellos. Sie hat nicht nur die Schwierigkeiten der Landwirtschaft aufgedeckt, sondern auch die Funktionsstörungen innerhalb der Gewerkschaftsstrukturen, insbesondere mit der FNSEA. 

Diese Zeit könnte einen entscheidenden Wendepunkt für die Zukunft der Landwirtschaft in Frankreich markieren. Sie signalisiert einen dringenden Bedarf an bedeutenden Reformen und einem konstruktiveren Dialog zwischen Landwirten, Gewerkschaften, der Zivilgesellschaft und den Behörden. Mehr denn je ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Stimme der Landwirte gehört wird und ihre lebenswichtigen Beiträge zur Gesellschaft anerkannt und gewürdigt werden. 

Diese Reise war, abgesehen von den zurückgelegten Kilometern und den Hindernissen, auf die wir gestoßen sind, wie eine Initiationsreise. Sie offenbarte das Ausmaß der nationalen Solidarität mit unserer Sache, aber auch die Entschlossenheit der staatlichen Behörden, die Ordnung aufrechtzuerhalten.

Es war eine Erfahrung, die den Kampf der französischen Landwirte verkörperte: eine Mischung aus Widerstandsfähigkeit, Hoffnung und dem unaufhörlichen Streben nach Gerechtigkeit und Anerkennung.

Und Achtung, in weniger als einem Monat ist die Landwirtschaftsmesse: Es könnte etwas passieren ….

Vielen Dank für das Gespräch!

[1] „CRS“ steht für „Compagnies Républicaines de Sécurité“ (Republikanische Sicherheitskompanien). Die CRS ist ein kasernierter Verband der französischen Nationalpolizei und besteht aus 61 Kompanien, die je nach Bedarf im ganzen Land eingesetzt werden. Die Einheit wird oft bei Rettungseinsätzen in schwierigen Situationen eingesetzt und ist für ihre robuste Präsenz bei Demonstrationen bekannt.

Der Artikel erschien zuerst in der französischen Epoch Times unter dem Titel: „Macron a mis face à face deux France : la France qui protège, incarnée par les forces de l’ordre, et la France qui nourrit, représentée par nous, agriculteurs“, analyse Théophane de Flaujac. (Deutsche Überarbeitung ks)



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