Frankreichs Regierung steht auf wackligen Füßen
Frankreich hat links gewählt – und nun eine konservativ ausgerichtete Regierung. Seit den vorgezogenen Parlamentswahlen im Juli wurde zweieinhalb Monate lang um die Zusammensetzung des neuen Kabinetts gerungen.
Die nun am Ende der zähen Verhandlungen am Samstagabend vom Elysée-Palast präsentierte Liste der Regierungsmitglieder zeigt allerdings, dass die schlimmste französische Regierungskrise der jüngeren Zeit längst nicht überwunden ist. Dem einst so erfolgreichen Präsidenten Emmanuel Macron stehen schwierige Zeiten bevor.
Regierungsbildung: Linke schlugen Angebote von Barnier aus
Denn das linke Lager, das bei der Wahl die relative Mehrheit gewonnen hatte, sieht sich durch den Rechtsruck in der Regierungsbildung seines Siegs beraubt. So sprach der sozialistische Parteichef Olivier Faure von einer „reaktionären Regierung, die der Demokratie den Stinkefinger zeigt“.
Allerdings hatten mehrere linke Politiker Angebote des konservativen Premierministers Michel Barnier ausgeschlagen, weil sie dessen politische Linie ablehnen.
Macron war einst angetreten mit dem Leitspruch „Sowohl als auch“. Er wollte in einem politischen Experiment, das viele faszinierte, die Grenzen zwischen rechtem und linkem Lager sprengen. Seine Weggefährten holte er sich von allen Seiten. Eine Weile ging das gut, die Franzosen waren von ihrem brillanten und unkonventionellen Präsidenten begeistert.
Später rissen innerhalb der Macron-Bewegung die alten Gräben wieder auf. Vor allem aber bekamen auf der linken Seite das Unbeugsame Frankreich (LFI) Aufwind, auf der konservativen der Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen.
Wähler überraschten Macron
Der RN war schließlich so stark, dass er bei der Europawahl im Juni haushoch gewann. Das können die Wähler nicht wirklich so gemeint haben, schien Macron gedacht zu haben – und rief überraschend vorgezogene Parlamentswahlen aus. Doch die Wähler hatten es offensichtlich doch so gemeint. Denn in der ersten Runde stimmte jeder dritte für den RN.
Vor der zweiten Runde zogen sich dann viele Kandidaten des Linksbündnisses und des Macron-Lagers zugunsten des jeweils Anderen zurück. Obwohl der RN sein bislang bestes Ergebnis erzielte, landete er nur auf dem dritten Platz.
Aus der Wahl ging eine in drei Blöcke gespaltene Nationalversammlung hervor: das linke Lager, das bisherige liberale Regierungslager und der Rassemblement National. Diese Spaltung erschwerte die Bildung der neuen Regierung. Schon die Ernennung des Premierministers war schwierig.
Dass Macron in Barnier ausgerechnet einem Konservativen das Amt übertrug, brachte ihm viel Unwillen ein, auch in den eigenen Reihen.
Die neue Regierung steht auf wackligen Füßen
Bis zur letzten Minute wurde dann am Samstag noch darüber verhandelt, wer sich an der Regierung beteiligt – und wie diese aufgestellt sein muss, um nicht sofort über ein Misstrauensvotum zu stürzen. Die linke Opposition kündigte dann gleichwohl umgehend an, die neue Regierung schnellstmöglich absetzen zu wollen.
Allein hat sie dafür allerdings nicht genügend Stimmen. Wenn der RN einstimmt, ist die neue Regierung Geschichte. Um dies zu verhindern, dürfte Barnier sich verstärkt den Themen zuwenden, die Konservative bewegen: Einwanderung und innere Sicherheit.
Macrons Handlungsfreiheit ist damit erheblich eingeschränkt. Der Präsident, der einst den Spitznamen des Götterchefs Jupiter trug, dürfte Schwierigkeiten haben, in seiner verbleibenden Amtszeit noch größere Reformen durchzusetzen.
Die nächste Präsidentschaftswahl ist 2027, er selbst kann dann nicht mehr antreten. Le Pen hingegen will es zum vierten Mal versuchen – und hat derzeit bessere Aussichten als je zuvor. (afp/red)
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