Frankreichs Justizminister verteidigt Gesetz zur Fernüberwachung: „Kein Totalitarismus wie Orwells 1984“
Die französische Nationalversammlung hat am 5. Juli eine umstrittene Gesetzesänderung verabschiedet, die es der Polizei mit gerichtlicher Genehmigung erlaubt, Verdächtige durch die Fernaktivierung von Kameras, Mikrofonen und GPS-Ortungssystemen auf Telefonen und anderen Geräten zu überwachen.
Die Spionagebestimmung, die Teil eines umfassenderen Gesetzes zur Justizreform ist, wurde sowohl von der Linken als auch von Rechtsverteidigern als autoritäre Schnüffelcharta angegriffen, wie „Le Monde“ berichtete.
Dennoch wurde der Vorschlag mit 80 zu 24 Stimmen angenommen. Sowohl die Fraktion von Emmanuel Macron, die Partei Renaissance, als auch Marine LePens Rassemblement National hätten überwiegend dafür gestimmt.
Fernüberwachung nur bei „schweren Fällen“
Wie aus dem Gesetzestext hervorgeht, könne das private Mobiltelefon bei schweren Straftaten wie Diebstahl in einer organisierten Bande, Mord oder Vergewaltigung, aber auch im Sinne „besonderer Ermittlungstechniken“ eingesetzt werden. In diesen Fällen werde das Handy nicht nur zur Lokalisierung aktiviert, sondern könne ebenfalls der Video- oder Tonüberwachung dienen.
Laut „Le Monde“ ist der Änderungsantrag während einer Debatte am vergangenen Mittwoch von Abgeordneten aus dem Lager von Präsident Emmanuel Macron eingebracht worden. Dabei soll sich der Einsatz der Fernüberwachung nur auf diejenigen Fälle beschränken, „in denen die Art und Schwere des Verbrechens dies rechtfertigt“, wie Justizminister Éric Dupond-Moretti angab.
Außerdem müsse die Bestimmung von einem Richter genehmigt werden, und die Gesamtdauer der Überwachung dürfe sechs Monate nicht überschreiten. Empfindliche Berufsgruppen wie Ärzte, Journalisten, Rechtsanwälte, Richter und Abgeordnete kämen für eine Überwachung nicht infrage.
Zur Verteidigung des Gesetzes sagte Dupond-Moretti: „Wir sind weit entfernt vom Totalitarismus von 1984“ und damit George Orwells Roman über eine total überwachte Gesellschaft. „Das Leben der Menschen wird durch das Gesetz gerettet“, fügte er hinzu.
Ernsthafter Eingriff in Privatleben
Nach Ansicht der französischen Interessengruppe für digitale Rechte, La Quadrature du Net, geben die Bestimmungen „Anlass zu ernster Besorgnis über die Verletzung grundlegender Freiheiten“. Dabei kritisierte sie den ernsthaften Eingriff in „das Recht auf ein Privatleben und auf private Korrespondenz“.
Die Rechtfertigung des Justizministeriums sei nicht nachvollziehbar. Dieses berufe sich auf die Angst, die Aufmerksamkeit von Straftätern während der Ermittlungen auf sich zu ziehen, wenn man die Ermittlungswerkzeuge physisch installiere. Ebenso könne dadurch die festgelegte Strategie der Ermittlungsbehörden enthüllt oder das Leben derjenigen Beamten gefährdet werden, die die Werkzeuge installieren würden, argumentiere die Behörde.
Wie La Quadrature du Net jedoch anprangert, wird dieses angebliche Risiko für die Beamten durch keinerlei seriöse Informationen oder konkrete Beispiele gestützt.
Überwachung in anderen Ländern
Abhörmaßnahmen, wie sie in Frankreich geplant sind, finden in anderen Ländern bereits seit Jahren statt. Somit ist in dieser Sache das Kind bereits in den Brunnen gefallen.
Schon 2006, bevor das erste iPhone auf den Markt kam, hatte das FBI in den USA die Mikrofone von Mobiltelefonen aus der Ferne aktiviert – selbst wenn die Telefone ausgeschaltet waren – und hörte Verdächtige ab. Und das völlig legal. Damals konnte man bei vielen Handys noch die Batterien herausnehmen. Heute ist das nicht mehr so einfach.
Ein Comparitech-Bericht aus dem Jahr 2022 zeigt, dass von 50 untersuchten Ländern jede Polizeibehörde in gewissem Umfang Zugriff auf Smartphones und deren Daten hat.
Das Ausmaß des Zugriffs ist unterschiedlich, und viele Länder haben Anforderungen an die Berechtigung. China, Saudi-Arabien, Singapur und die Vereinigten Arabischen Emirate ermöglichen einen der uneingeschränktesten Zugriffe – in China muss man nicht einmal verdächtigt werden.
Deutschlands Geheimdienst kann Spionagesoftware installieren
In Deutschland ist es möglich, dass Geheimdienstmitarbeiter aus der Ferne auf Smartphones zugreifen und Spionagesoftware auf dem Telefon einer beliebigen Person installieren können, selbst wenn diese nicht eines Verbrechens verdächtigt wird. Dies geht ebenfalls aus dem Comparitech-Bericht hervor.
In den Vereinigten Staaten seien in der Regel Durchsuchungsbefehle erforderlich, aber es gibt zahlreiche Ausnahmen. Australien gehe noch einen Schritt weiter und erlaube der Polizei sogar, Daten auf dem Telefon eines Verdächtigen zu verändern.
Österreich, Belgien, Finnland und Irland gehören zu den Ländern mit der besten Bewertung in Bezug auf den Schutz der Privatsphäre von Smartphones, mit „klaren und präzisen Gesetzen, die besagen, dass die Polizei nur dann auf Mobiltelefone zugreifen darf, wenn die betreffende Person verdächtig ist und ein Durchsuchungsbefehl vorliegt“.
Wer also wirklich sicher sein will, sollte sich entweder ein Telefon mit herausnehmbarem Akku zulegen oder alle technischen Geräte, die er besitzt, zerstören.
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