Frankreich will Stromkonzern ganz übernehmen
Um den Ausbau der Atomkraft voranzutreiben, will Frankreich für die vollständige Übernahme des nationalen Stromkonzerns EDF 9,7 Milliarden Euro in die Hand nehmen. Das Wirtschaftsministerium teilte am Dienstag in Paris mit, der Staat wolle Aktien für 12 Euro das Stück aufkaufen.
Frankreichs beigeordneter Minister für öffentliche Finanzen, Gabriel Attal, sagte dem Sender France Info, die Verstaatlichung werde massive Investitionen im Atombereich ermöglichen. Der französische Präsident Emmanuel Macron will den Nuklearsektor im Land entschieden ausbauen, um Energiesicherheit zu gewährleisten und der CO₂-Neutralität näherzukommen. Dafür sollen auch Meiler einer neuen Generation entstehen.
Frankreich setzt mit dem Ausbau der Atomkraft auf einen anderen Weg als Deutschland. In Deutschland sollen die letzten drei noch verbliebenen Atomkraftwerke Ende des Jahres vom Netz gehen. Allerdings läuft derzeit eine Debatte, die Laufzeiten der Atomkraftwerke angesichts der Gaskrise zu verlängern. Generell setzt Deutschland vor allem darauf, die erneuerbaren Energien aus Wind und Sonne massiv auszubauen. Damit sollen zum einen Klimaziele erreicht werden. Deutschland will aber auch weniger abhängig von fossilen Energien wie russischem Gas werden.
15,9 Prozent fehlen noch
In Frankreich hatte Premierministerin Élisabeth Borne vor rund zwei Wochen bestätigt, dass der Staat den verschuldeten Konzern EDF wieder komplett nationalisieren wolle. Schon jetzt befindet sich EDF überwiegend in Staatshand. Bei dem Kaufangebot geht es laut Wirtschaftsministerium um die verbleibenden 15,9 Prozent der Aktien und 60 Prozent der Schuldverschreibungen.
Bereits Anfang September möchte Frankreich das Angebot bei der nationalen Finanzmarktaufsicht einreichen. Dafür müssen aber zunächst die zusätzlich benötigten Haushaltsmittel vom Parlament gebilligt werden. Das Gesetz zum Nachtragshaushalt wird diese Woche in der Nationalversammlung diskutiert.
Das Mitte-Lager der Regierung und von Präsident Macron hatte in der Kammer bei der Parlamentswahl vor einem Monat die absolute Mehrheit verloren. Sie brauchen nun für ihre Vorhaben Stimmen der Opposition. Dies erwies sich bisher als schwieriger als von der Regierung erhofft. Bei der ersten Abstimmung über ein Gesetzesvorhaben in dieser Legislaturperiode erlitt die Regierung eine Niederlage. Das Vorhaben zum Schutz vor dem Coronavirus ging in erster Lesung zwar durch, doch die Abgeordneten ließen zentrale Teile streichen.
Squeeze-Out denkbar
Dem Wirtschaftsministerium zufolge soll es, wenn nötig, für die Verstaatlichung auch ein sogenanntes Squeeze-Out geben. Bei einem Squeeze-Out werden Kleinaktionäre aus einer Aktiengesellschaft herausgedrängt. Wie der Name schon andeutet, kann das auch gegen ihren Willen geschehen. Allerdings erhalten sie eine angemessene Barabfindung.
Laut der Zeitung „Le Monde“ will Colette Neuville von der Vereinigung zur Verteidigung von Minderheitenaktionären sich dafür einsetzen, dass der Staat die 32 Euro pro Aktie zahlt, die einige beim Börsengang investiert hätten. Der Kurssturz sei zu einem sehr großen Teil auf Entscheidungen zurückzuführen, die der Staat im Interesse der Allgemeinheit getroffen habe, zitierte sie das Blatt. (dpa/mf)
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