Frankreich setzt auf lokale Maßnahmen statt landesweitem Lockdown
Angesichts der massiv gestiegenen Corona-Infektionszahlen will Frankreich alles tun, um einen neuen landesweiten Lockdown zu vermeiden. Premierminister Jean Castex sagte am Freitag nach einer Krisensitzung unter Leitung von Präsident Emmanuel Macron, es werde vorerst keine „allgemeinen Ausgangsbeschränkungen“ geben. Stattdessen rief er die Behörden in besonders betroffenen Städten wie Marseille und Bordeaux sowie im Überseegebiet Gouadeloupe auf, bis Montag örtlich begrenzte Maßnahmen vorzuschlagen. Dort klagen die Krankenhäuser über steigenden Druck.
Zuletzt hatte Frankreich einen Höchststand von fast 10.000 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden verzeichnet. Castex sprach von einer „deutlichen Verschlechterung“ der Situation. Der Corona-Warnwert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche ist im Landesschnitt mit 72 Fällen deutlich überschritten. Als besonders kritisch gilt die Lage in der Hafenstadt Marseille mit 275 Fällen. In Paris sind es aktuell 144 Fälle.
Die Regierung weist inzwischen 42 der hundert Verwaltungsbezirke als „rote Zonen“ aus, wo sich das Virus „aktiv verbreitet“. Das sind 14 mehr als noch vor knapp einer Woche. Dies gibt den örtlichen Behörden die Möglichkeit für verschärfte Maßnahmen. Deutschland warnt aktuell vor Reisen in sieben französische Festlandsregionen, neben Paris und der Côte d’Azur kam zuletzt auch der Südwesten dazu.
In ersten Regionen traten bereits neue Maßnahmen in Kraft: Im nordfranzösischen Verwaltungsbezirk Pas-de-Calais müssen unter anderem Bars, Restaurants und Geschäfte mit Spät- oder Alkoholverkauf vorerst spätestens um 0.30 Uhr schließen. Die Stadt Nizza untersagte Besuche in den städtischen Alten- und Pflegeheimen.
Nach Angaben des Regierungschefs sollen zudem Corona-Tests für Menschen mit Symptomen oder Gesundheitspersonal Vorrang haben. Vielerorts müssen Testwillige derzeit lange Schlangen in Kauf nehmen, oft liegen die Ergebnisse erst nach mehreren Tagen vor. Castex sagte zudem 2000 neue Einstellungen bei überlasteten Gesundheitsämtern und Krankenkassen zu.
Zugleich verkürzt die Regierung die Quarantänezeit wie angekündigt von 14 auf sieben Tage. Damit soll für eine bessere Akzeptanz geworben werden. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums halten viele Franzosen die Selbstisolation nicht ein.
„Seien Sie sehr vorsichtig“, riet Castex den Bürgern. Der Premier äußerte sich bei einer Fernsehansprache ohne Publikum. Der Premier ist selbst in freiwilliger Quarantäne, weil er Kontakt zum infizierten Direktor der Tour de France, Christian Prudhomme hatte. Ein erster Corona-Test bei Castex fiel negativ aus.
Bereits jetzt gelten in Frankreich zum Teil schärfere Regeln als in Deutschland und anderen Nachbarstaaten: In Unternehmen und den meisten Schulen gilt eine Maskenpflicht. In Paris und zahlreichen anderen französischen Großstädten muss der Mund-Nasen-Schutz zudem auch im Freien getragen werden.
Der Leiter der Notfallaufnahme im Pariser Krankenhaus Georges Pompidou, Philippe Juvin, äußerte im Sender BFM-TV die Befürchtung, dass in Risikogebieten „in zwei bis drei Wochen wieder 50 Prozent der Beatmungsplätze belegt“ sein könnten. Mit mehr als 30.800 Todesopfern ist Frankreich eines der am stärksten betroffenen Länder in Europa. (afp)
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