Frankreich: Proteste gegen Macrons Rentenreform halten an – Misstrauensanträge gegen Regierung erwartet
Mit Stand vom Freitagmorgen, 17. März, hatten die Sicherheitskräfte allein in Paris 217 Personen bei teils gewaltsamen Protesten gegen die Rentenreform festgenommen. In ganz Frankreich kommt es zu Kundgebungen und Ausschreitungen, nachdem Präsident Emmanuel Macron am Tag zuvor deren Durchsetzung im Exekutivweg angekündigt hatte. In der Großen Nationalversammlung hatte sich zuvor angedeutet, dass das Vorhaben ohne Mehrheit bleiben könnte.
Gewalt auf dem Place de la Concorde
In der Nacht zum Freitag hatten Einsatzkräfte den Place de la Concorde in Paris geräumt. Dabei hatten sie auch Tränengas und Wasserwerfer gegen Demonstranten eingesetzt. Protestteilnehmer hatten auf dem Platz vor dem Parlament zuvor ein Feuer entzündet.
Etwa 7.000 Personen hatten sich „France24“ zufolge zuvor spontan auf dem Platz eingefunden. Ordnungskräfte versuchten, die versammelte Menge zu trennen. Einem „Reuters“-Reporter zufolge warfen Teilnehmer der Kundgebung dabei Pflastersteine auf die Polizei.
In Marseille hatten „Nieder mit dem Staat“ skandierende Demonstranten Geschäfte verwüstet und Müllbehälter in Brand gesetzt. Nach Angaben von AFP-Reportern kam es auch in Nantes, Rennes, Lille, Grenoble und Lyon zu Protesten. In mehreren Fällen arteten diese in gewalttätige Ausschreitungen aus. Bereits am Mittwoch hatten landesweit mehr als 500.000 Menschen gegen die Rentenreform demonstriert.
Senat hatte Rentenreform Minuten vor der geplanten Abstimmung gebilligt
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte am Donnerstag das Parlament umgangen und sich auf eine besondere verfassungsrechtliche Befugnis berufen. Damit will er sein Prestigeprojekt zur Rentenreform durchsetzen, die zuvor in der Großen Nationalversammlung zu scheitern drohte.
Der Senat, das Oberhaus in Frankreich, hatte am Donnerstagmorgen den Entwurf noch mit einer Mehrheit von 193 zu 114 Stimmen angenommen. Die dortige konservative Mehrheit hatte im Vorfeld Zustimmung zu dem Reformprojekt signalisiert.
Im Unterhaus gestaltete sich die Situation komplexer. Macrons Bündnis hatte dort im Vorjahr die eigene Mehrheit verloren. Zwar hatten die konservativen Republikaner im Vorfeld ebenfalls Unterstützung für die Rentenreform in Aussicht gestellt. Am Ende deuteten mehrere Abgeordnete aus deren Reihen jedoch an, ihre Meinung geändert zu haben.
Premierministerin Élisabeth Borne stellte angesichts der Unsicherheit eines Abstimmungsausgangs in Aussicht, der Präsident könnte die Rentenreform auf exekutivem Weg durchsetzen. Der Artikel 49.3 der Verfassung würde ihm diese Möglichkeit eröffnen. Er „erlaubt der Regierung, die Annahme eines Textes durch die Versammlung sofort und ohne Abstimmung zu erzwingen, dem die Versammlung nicht widersprechen kann, ohne die Regierung durch einen Misstrauensantrag gemäß Klausel 2 zu stürzen“ und er „ermöglicht es der Regierung, die Mehrheit zu zwingen, einen Text zu verabschieden, sowie den Gesetzgebungsprozess zu beschleunigen und insbesondere jede Behinderung durch die Opposition zu beenden“. (Quelle: „abcdef.wiki“)
Tumulte auch in der Nationalversammlung
Dieser Schritt hatte nicht nur heftige Proteste auf den Straßen großer Städte zur Folge. Auch in der Nationalversammlung selbst quittierten Abgeordnete Bornes Ankündigung mit Gejohle und Buhrufen. Einige stimmten die Nationalhymne an, andere forderten in Sprechchören den Rücktritt der Regierung und hielten Plakate mit der Aufschrift „Nein zu 64 Jahren“ hoch. Das Präsidium musste mehrfach die Sitzung unterbrechen.
Olivier Faure von der Sozialistischen Partei erklärte:
Wenn ein Präsident keine Mehrheit im Land, keine Mehrheit in der Nationalversammlung hat, muss er seinen Gesetzentwurf zurückziehen.“
Marine Le Pen vom Rassemblement National sprach von einem „totalen Fehlschlag“ Macrons. Sie kündigte an, einen Misstrauensantrag gegen die Premierministerin einzubringen. Möglicherweise erwägen auch andere Fraktionen im Parlament einen solchen Schritt. Die Erfolgschancen dürften jedoch gering sein. Die Republikaner machten bereits deutlich, einen Misstrauensantrag nicht mitzutragen.
Fabien Roussel von der Kommunistischen Partei warf Macron vor, das Parlament „lächerlich gemacht“ zu haben. Die Gewerkschaften riefen unterdessen zu einer Ausweitung der Proteste auf.
Borne sieht keine Alternative zur Rentenreform
Premierministerin Élisabeth Borne verteidigte unterdessen das Reformvorhaben am 16. März in den Abendnachrichten des Senders „TF1“. Es gehe um die Zukunft des Rentensystems, das sich nicht mit Schulden finanzieren lasse. Bei der Ausarbeitung des Reformentwurfs seien Ausnahmen für Menschen mit anstrengenden Berufen und einem frühen Berufseinstieg gemacht worden, niedrige Renten würden angehoben. „Vier von zehn Franzosen müssen nicht bis 64 arbeiten“, sagte die Premierministerin.
Das Vorhaben der französischen Regierung sieht eine schrittweise Anhebung des regulären Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre bis zum Jahr 2030 vor. Gleichzeitig soll die Anzahl der Einzahlungsjahre bis zum Bezug der vollen Altersrente steigen. Ein voller Rentenanspruch bleibt jedoch weiterhin erst ab 67 Jahren bestehen. Zudem ist geplant, die monatliche Mindestrente auf etwa 1.200 Euro brutto zu erhöhen.
Die Reform soll das Rentensystem insgesamt einheitlicher und transparenter gestalten, indem sie verschiedene Einzelsysteme mit Privilegien für bestimmte Berufsgruppen abschafft. Umfragen zufolge lehnen zwei Drittel der Bevölkerung das Vorhaben ab.
(Mit Material von AFP und dpa)
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