Frankreich: Macron sinkt auf Hollandes historisches Popularitätstief – Zustimmung bei 23 Prozent
Frankreichs Regierung befindet sich in der dritten Woche der landesweiten „Gelbwesten“-Proteste in einem historischen Popularitätstief. Eine Umfrage des Instituts Ifop-Fiducial für Paris Match und Sud Radio, die am Dienstag veröffentlicht wurde und über die Reuters berichtet, hatte zum Ergebnis, dass die Zustimmungsrate für Präsident Emmanuel Macron auf mittlerweile nur noch 23 Prozent gefallen ist.
Dies kommt einem Minus von sechs Prozent gegenüber dem Vormonat gleich. Sein Premierminister Edouard Philippe liegt mit 26 Prozent noch etwas über dem Wert für den Präsidenten, auch er hat jedoch ein Minus von zehn Prozent zu verzeichnen.
Damit ist Macron im Popularitätsranking unter Frankreichs Politikern auf jenen historischen Tiefstwert gefallen, der Ende 2013 für den damaligen Präsidenten und Macron-Vorgänger François Hollande gemessen wurde. Hollande galt damals als der am wenigsten populäre politische Führer der modernen französischen Geschichte.
Am 17. November fanden die ersten landesweiten Proteste der sogenannten Gelbwesten statt. Anlass für deren Kundgebungen waren Ökosteuern, die eine weitere deutliche Verteuerung von Treibstoff nach sich gezogen hätten. Die Proteste haben sich jedoch bald zu einer grundsätzlichen Revolte gegen Macron und seine Politik ausgeweitet.
Macron hat Stichwahlergebnis als inhaltliche Zustimmung zu seiner Agenda aufgefasst
Die Proteste der Gelbwesten, die sich bislang einer politischen Einordnung verweigern, werden von unterschiedlichen Gruppierungen unterstützt. Neben dem Front National, der rechtskonservativen Vereinigung „Frankreich zuerst“ und Teilen der konservativen Republikaner haben sich zuletzt auch linksgerichtete Gruppen an den Demonstrationen beteiligt. Neben konservativen Kräften, die in der Ökosteuer den Ausdruck eines ausufernden Staates sehen, demonstrieren auch solche unter dem Banner der Gelbwesten, die im Zweifel noch mehr Staatseinfluss in Wirtschaft und Gesellschaft sehen wollen.
Am letzten Wochenende kam es in Paris auch teilweise zu gewalttätigen Ausschreitungen und zu Vandalismus am Rande der Aufmärsche. Die Polizei reagierte darauf mancherorts mit Härte, andernorts hingegen verbrüderten sich die Einsatzkräfte mit den Demonstranten. Obwohl die Regierung Macron die Einführung der Steuer vorerst für die Dauer von sechs Monaten ausgesetzt hat, wollen die Gelbwesten weiter demonstrieren. Ihr einigendes Ziel ist der Rücktritt Macrons, der 2017 im zweiten Wahlgang mit 66,1 Prozent der Stimmen gewählt worden war.
Macron scheint seinen deutlichen Sieg in der Stichwahl und die absolute Mehrheit seiner „En Marche“-Bewegung bei den späteren Parlamentswahlen als einhelliges Zeichen des Rückhalts für seine politische Agenda gewertet zu haben. Tatsächlich war die Wahlbeteiligung bereits bei der Präsidentenwahl geringer als 2012. Bei den Parlamentswahlen war sie sogar historisch niedrig.
Präsident der Reichen und der Medien
Der Sieg in der Stichwahl war vor allem dem Umstand geschuldet, dass fast alle politischen Parteien im Zeichen des sogenannten „republikanischen Reflexes“ zur Wahl Macrons aufgerufen hatten, um einen Erfolg seiner Gegenkandidatin Marine Le Pen zu verhindern. Macron erschien in diesem Sinne einer deutlichen Mehrheit als „geringeres Übel“. Im ersten Wahlgang hatte er jedoch selbst lediglich 24 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen können.
Der frühere Wirtschaftsminister profitierte außerdem noch vom Niedergang der Sozialisten, die den Volkszorn über die durchwachsene Darbietung ihres Präsidenten Hollande zu spüren bekamen, und von den Medien, die Macron und dessen aus dem Boden gestampfte Bewegung als Kräfte des „Anti-Establishments“ verkauften. Der erst als aussichtsreich geltende konservative Kandidat François Fillon wurde demgegenüber als „Putin-Freund“ gebrandmarkt und beschuldigt, seine Ehefrau als Scheinbeschäftigte auf Steuerzahlers Kosten geführt zu haben.
Macron konnte am Ende vor allem die reicheren und die „gebildeten“ Bevölkerungsschichten für sich mobilisieren. Nach dem Brexit und der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten sahen die politischen Eliten in ihm die große Hoffnung für ein postnationales Europa und die Werte der „liberalen Demokratie“.
Kampf gegen den „Nationalismus“ als politische Raison d’être
Macron war von Beginn an bemüht, diesen Erwartungen zu entsprechen. Er forderte eine EU-Armee und mehr Macht für Brüssel über die europäischen Nationen, inszenierte sich als globaler Gegenspieler zu Donald Trump und trieb die Kernanliegen des kulturellen Marxismus voran wie den „Klimaschutz“, offene Grenzen oder die Disziplinierung konservativer Regierungen im Namen der „europäischen Werte“. Sein primäres Feindbild ist der „Nationalismus“ – und darunter versteht Macron augenscheinlich jedwede kritische Regung gegenüber großeuropäischen und globalistischen Agenden.
In Frankreichs Bevölkerung scheint dieser Kurs hingegen nicht mehrheitsfähig zu sein. Macrons bisherige Säulen der Macht – die Schwäche seiner Gegner und der Rückhalt durch Medien und obere Zehntausend – verlieren angesichts der weit verbreiteten Unzufriedenheit innerhalb der Bevölkerung an Tragfähigkeit.
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