Frankreich: Höheres Rentenalter ab September trotz massiven Widerstands

Trotz der Proteste hat Präsident Macron am Samstag die Anhebung der Rentenreform in Kraft gesetzt. Die Linke sprach von „absurder Zurschaustellung von Arroganz“. Ein fraktionsübergreifender Misstrauensantrag wird überlegt.
Titelbild
Demonstranten vor dem Hotel De Ville, nachdem das Verfassungsgericht die wichtigsten Elemente der unpopulären Rentenreform des französischen Präsidenten am 14. April 2023 in Paris genehmigt hat.Foto: GEOFFROY VAN DER HASSELT/AFP via Getty Images
Epoch Times16. April 2023

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Ungeachtet monatelanger Proteste von Gewerkschaften und Oppositionsparteien hat Präsident Emmanuel Macron in Frankreich die Anhebung des Renteneinstiegsalters von 62 auf 64 Jahre in Kraft gesetzt.

Wenige Stunden nach der Billigung der Reform durch den Verfassungsrat wurde das entsprechende Gesetz am Samstag im französischen Amtsblatt veröffentlicht. Gewerkschaften und Opposition riefen daraufhin zu neuen Protesten auf. Premierministerin Elisabeth Borne kündigte derweil weitere Reformen an.

Die Veröffentlichung der neuen Rentenregeln im „Journal Officiel“ bedeutet, dass das Gesetz in Kraft gesetzt wurde. Der Text im Amtsblatt ersetzte beim Renteneintrittsalter das Wort „Zweiundsechzig“ durch „Vierundsechzig“.

Neben dem höheren Rentenalter billigte der Verfassungsrat weitere Kernpunkte der Reform, verwarf aber eine Reihe von Nebenaspekten. Zudem wies der Rat einen Antrag der linken Opposition auf einen Volksentscheid über die Reform ab.

Ab September wirksam

Gegen Entscheidungen des Verfassungsrats können in Frankreich keine Rechtsmittel eingelegt werden. Macrons Plänen zufolge soll das Gesetz zur Rentenreform im September wirksam werden.

Der Präsident will sich am Montagabend in einer Ansprache an die Franzosen wenden. Dabei werde er „Bilanz“ über die vergangenen drei Monate ziehen, sagte Regierungssprecher Olivier Véran am Samstag dem Sender TF1. Macron steht im ersten Jahr nach seiner Wiederwahl zum Präsidenten infolge der Rentenproteste bereits massiv unter Druck, die Zustimmungswerte für ihn sind auf dem niedrigsten Stand seiner Amtszeit.

Gewerkschaftsvertreter und Oppositionspolitiker reagierten erzürnt auf die rasche Unterzeichnung der Reform durch Macron nach dem grünen Licht des Verfassungsrats.

Die Chefin der Gewerkschaft CGT, Sophie Binet, kritisierte im Radiosender „France Info“ das Tempo als „völlig beschämend“. Der Chef der Gewerkschaft CFDT, Laurent Berger, pflichtete Binet mit den Worten bei, den Arbeitnehmern werde „konstante Verachtung“ entgegengebracht.

Zu „Tag des Zorns“ aufgerufen

Die Gewerkschaften für die Mitarbeiter der Eisenbahngesellschaft SNCF riefen in einer gemeinsamen Erklärung für kommenden Donnerstag zu einem „Tag des Eisenbahnerzorns“ auf.

Zuvor hatten Gewerkschaftsvertreter eine Einladung in den Élysée-Palast zurückgewiesen. Sie erklärten, sie seien zu keinem Treffen mit der Regierung vor dem 1. Mai bereit – und riefen für den Tag der Arbeit zu einer „außergewöhnlichen Mobilisierung“ auf. Die CGT kündigte zudem weitere Protestaktionen für den 28. April an.

Der Chef der linken Partei La France Insoumise (LFI), Jean-Luc Mélenchon, schrieb im Kurzbotschaftendienst Twitter, die schnelle Inkraftsetzung der Reform sei eine „absurde Zurschaustellung von Arroganz“. Der LFI-Abgegeordnete Éric Coquerel sagte der Nachrichtenagentur AFP, seine Partei wolle gemeinsam mit der liberalen Splittergruppe und dem Linksbündnis Nupes einen fraktionsübergreifenden Misstrauensantrag prüfen. Die Koservative Marine Le Pen hatte bereits am Freitag gesagt, das „politische Schicksal“ der Reform sei noch „nicht besiegelt“.

Regierungsvertreter verteidigten hingegen die schnelle Inkraftsetzung der Reform. Macrons rasche Unterschrift unter das Gesetz sei die „logische Folge“ der Entscheidung des Verfassungsrats, erklärte der Minister für Beziehungen zum Parlament, Franck Riester. Es sei nicht im kollektiven Interesse Frankreichs, „ständig auf das gleiche Thema zurückzukommen“.

Antwort der Regierung: „Reformen beschleunigen“

Derweil kündigte Premierministerin Élisabeth Borne die rasche Durchsetzung weiterer Reformen an. Sie und ihre Regierung seien „entschlossen“, den Reformprozess zu beschleunigen, sagte Borne bei einer Sitzung der Regierungspartei Renaissance in Paris.

Ziel sei es, „ein Frankreich der Vollbeschäftigung“ zu schaffen, für „Chancengleichheit“ zu sorgen und zugunsten des Gesundheitswesens und der Bildung zu „handeln“.

Paris: Elektroroller brennen auch gut

Zeitgleich zur Inkraftsetzung des neuen Rentengesetzes kam es am Wochenende erneut zu landesweiten Protesten. Allein in Paris wurden mehr als hundert Menschen festgenommen.

Französische Gendarmen mit Tränengasgranatenwerfern am 14. April 2023 in Paris. Foto: GEOFFROY VAN DER HASSELT/AFP via Getty Images

In der Hauptstadt wurden Fahrräder, Elektroroller und Mülltonnen in Brand gesetzt, berichteten AFP-Journalisten. Auch in anderen Städten wie Marseille, Toulouse und Lyon gingen Hunderte Menschen auf die Straße. In Rennes wurden laut AFP-Journalisten Wurfgeschosse auf Polizisten geschleudert, diese antworteten mit Tränengas.

Mit der Reform soll das Renteneintrittsalter bis 2030 schrittweise von 62 auf 64 Jahre angehoben werden. Dabei sind Ausnahmen für Menschen vorgesehen, die sehr früh ins Berufsleben gestartet sind oder besonders beschwerliche Berufe haben. Zudem wird die Mindestrente bei voller Beitragszeit auf 1.200 Euro angehoben. Mehr als zwei Drittel der Franzosen lehnen die Rentenreform ab. (afp)



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