Frankreich: Gegner der Rentenreform demonstrieren weiter
Am elften Protesttag in Frankreich gegen die Rentenreform haben sich am Donnerstag etwas weniger Menschen als zuvor beteiligt. Am Nachmittag kam es erneut zu Ausschreitungen am Rande der Demonstrationen in Paris und anderen Orten. In der Nähe des Pariser Restaurants „La Rotonde“, in dem Präsident Emmanuel Macron einst seinen Wahlsieg gefeiert hatte, gerieten radikale Demonstranten und Sicherheitskräfte aneinander.
Die Polizei wurde mit Flaschen und anderen Gegenständen beworfen und setzte ihrerseits Tränengas ein. Am Vormittag hatten Demonstranten mehrere Straßenblockaden in der Nähe von Lyon, Rennes und Brest errichtet. Auch der Bahnverkehr war erneut beeinträchtigt, allerdings weniger stark als an den vorherigen Protesttagen.
Blockaden gab es auch an Straßen und verschiedenen Hochschulen im Land. Das Bildungsministerium meldete weniger als acht Prozent Streikende bei den Lehrkräften. In Lyon wurden Medienberichten zufolge Läden beschädigt. In Nantes habe die Polizei bei Zusammenstößen Tränengas eingesetzt. Auch in Rennes sei die Stimmung angespannt gewesen.
Protest gegen Blackrock in Paris
Berichten zufolge versperrten Demonstrantinnen und Demonstranten den Zugang zu einem Teil des Pariser Flughafens Charles de Gaulle.
Noch bevor der Demonstrationszug in Paris losging, drangen Gegner der Rentenreform in ein Firmengebäude ein. Auf Videos war zu sehen, wie sie bengalische Feuer zündeten und Sprechchöre sangen. „Es braucht Geld, um unser Rentensystem zu finanzieren. Hier gibt es welches“, rief ein Sprecher der Eisenbahner-Gewerkschaft CGT Cheminots der Zeitung „Le Parisien“ zufolge ins Megafon. „Anstatt zwei Lebensjahre von den Arbeitnehmern zu nehmen, sollte Macron es hier suchen.“
In dem Gebäude sitzt auch der US-Vermögensverwalter Blackrock, der auf Anfrage keinen Kommentar abgab. In der ersten Amtszeit von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron war Blackrock während der Streiks und Proteste gegen die damals geplante Rentenreform zu einer Art Feindbild geworden. Bei den aktuellen Protesten hat Blackrock bisher hingegen keine Rolle gespielt.
Reform wird nicht akzeptiert
„Es gibt einen großen Widerstand gegen die Reform, die noch immer nicht akzeptiert wird“, sagte Gewerkschaftschef Laurent Berger. Die Sicherheitskräfte rechneten landesweit mit bis zu 800.000 Demonstrierenden. Etwa 11.500 Polizisten und Gendarme waren im Einsatz.
Seit der Verabschiedung der Reform durch einen legalen Verfassungskniff hatten sich die Proteste teilweise radikalisiert. Die Sicherheitskräfte gerieten wegen ihres teilweise brutalen Vorgehens in die Kritik.
Am Vortag war ein Treffen zwischen Frankreichs Premierministerin Elisabeth Borne und Gewerkschaftsvertretern nach etwa einer Stunde ergebnislos beendet wurden. Die Gewerkschaften forderten vergeblich den Rückzug der Reform. Borne wollte lediglich über neue Themen verhandeln, etwa die Arbeitsbedingungen für Senioren.
Macron: das Land steht nicht in einer demokratischen Krise
Präsident Emmanuel Macron, der derzeit auf Staatsbesuch in China ist, ließ über sein Umfeld verbreiten, dass er zu der Reform stehe und dass das Land sich nicht in einer demokratischen Krise befinde. Diesen Vorwurf hatte Gewerkschaftschef Berger erhoben. „Wir sind uns nicht einig, aber nicht im Krieg“, betonte Arbeitsminister Olivier Dussopt.
Noch ist die Rentenreform nicht in Kraft getreten. Macron will, dass dies bis zum Jahresende geschieht. Derzeit wird das Vorhaben vom Verfassungsrat geprüft. Abgeordnete, Senatoren und auch Borne hatten die Instanz angerufen, um den Text unter die Lupe zu nehmen und das Vorgehen der Regierung zu prüfen.
Teile der Opposition bemängelten, dass die Regierung die Reform in einem Haushaltstext verpackte und im beschleunigten Verfahren durchs Parlament schickte. Der Verfassungsrat kann die Reform in Teilen oder vollständig kippen oder für verfassungskonform erklären. Kommende Woche Freitag will er seine Entscheidung bekannt geben. Für den Donnerstag davor riefen die Gewerkschaften nun zu erneuten Protesten auf.
Gewerkschaften beraten über weitere Proteste
Die Gewerkschaften, die seit den Protesten gegen die Rentenreform überraschend geschlossen auftreten, wollten am Abend über weitere Proteste beraten. Seit Januar sind die Gegner der Rentenreform bereits zehn Mal auf die Straße gegangen. Anfang März erreichten die landesweiten Demonstrationen nach offiziellen Angaben eine Höchstbeteiligung von etwa 1,3 Millionen Menschen.
Derzeit befasst sich der Verfassungsrat mit dem Gesetz, das zwar verabschiedet ist, aber noch nicht veröffentlicht wurde. Dessen Entscheidung wird am 14. April erwartet.
Die Reform hebt das Renteneintrittsalter bis 2030 schrittweise von 62 auf 64 Jahre an. Dabei sind weiter Ausnahmen für Menschen vorgesehen, die sehr früh ins Berufsleben gestartet sind oder besonders beschwerliche Berufe haben. Zudem wird die Mindestrente bei voller Beitragszeit auf 1200 Euro angehoben.
Mehr als zwei Drittel der Franzosen lehnen die Rentenreform ab. Die Rente gilt in Frankreich als wichtige soziale Errungenschaft. (afp)
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