Frankreich: 1. Mai-Demonstrationen arten erneut in Gewalt aus

Die Demonstrationen am gestrigen 1. Mai haben starke Spuren in ganz Frankreich – hauptsächlich in Paris – hinterlassen. In der Hauptstadt griffen rund 3.000 Randalierer systematisch Polizisten, Gendarmen, aber auch Feuerwehrleute an. Zum ersten Mal setzte die Polizei auch Drohnen zur Überwachung ein.
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Demonstranten gegen Frankreichs Rentenreform am 1. Mai 2023 in Paris.Foto: Geoffroy van der Hasselt/AFP via Getty Images
Von 2. Mai 2023

Der Tag der gewerkschaftsübergreifenden Mobilisierung am Montag, 1. Mai, wurde von Gewalt in Paris und auch in anderen Städten des Landes überschattet. 108 Polizisten und Gendarmen seien am Rande der Prozessionen verletzt worden, wie „Le Figaro“ am Montagabend berichtete. Es gab 291 Festnahmen im Land, davon 90 in Paris. In der Hauptstadt und weiteren Großstädten setzte die Polizei erstmals Drohnen zur Überwachung der Lage ein.

Demonstranten setzten Autos und Mülltonnen in Brand und warfen Scheiben von Banken und Geschäften ein. Die Gewerkschaften hatten in Großstädten und kleineren Orten zu über 300 Kundgebungen aufgerufen. Die Behörden sprachen am Abend von landesweit 782.000 Teilnehmern, davon allein 112.000 in Paris. Nach Gewerkschaftsangaben waren es 2,3 Millionen Menschen.

Randalierer schütten Benzin in Keller eines Gebäudes

In der Hauptstadt griffen rund 3.000 Randalierer systematisch Polizisten, Gendarmen, aber auch Feuerwehrleute an. Eine Szene erregte dabei große Aufmerksamkeit. Am gestrigen Nachmittag hatten einige Unruhestifter Benzin in den Keller eines Gebäudes geschüttet, der sich über einem Dieseltank befand, wie das Medium „Mediavenir“ in einem Twitter-Beitrag veröffentlichte.

Auch die Lage auf dem „Place de la Nation“ in der Hauptstadt war extrem angespannt gewesen, was ein Video vom Montagabend zeigt. Die Ordnungskräfte waren dort einem Hagel von Geschossen ausgesetzt und mussten sich zurückziehen.

„Ohne Verstärkung wären wir tot gewesen.“

Wie „Europe 1“ berichtete, sei die Polizei mehrmals am Tag mit kampferprobten Extremisten konfrontiert gewesen, die mit fast militärischen Taktiken versuchten, Gruppen von Polizisten zu isolieren. „Ohne Verstärkung wären wir tot gewesen“, sagte einer von ihnen gegenüber dem Medium. Die feuerfeste Kleidung eines Polizisten, der mit einem Molotowcocktail beworfen worden war, habe ihn nicht davor schützen können, schwere Verbrennungen an Händen und Gesicht zu erleiden.

Auch an anderen Orten sei es zu Gewalttätigkeiten gekommen. In der Stadt Angers im Westen Frankreichs seien die Türen des Rathauses mit Eisenstangen attackiert worden. Oder in Nantes sei im Parkhaus des „conseil départemental“ ein Feuer gelegt worden, so „Europe 1“ weiter.

Es gibt aber auch Videos, in denen gewaltsame Vorgehensweisen gegen Demonstranten ersichtlich sind, wie ein Journalist auf seinem Twitter-Account zeigt. In einem von ihm geposteten Video sei ein Demonstrant von der BRAV zu Boden geschleudert worden. Die BRAV-Polizeieinheiten wurden in der Vergangenheit bereits mehrmals wegen ihrer harten Methoden kritisiert.

Politiker der Patrioten-Partei: „Wahnsinns-1. Mai für den Widerstand!“

Laut Innenminister Gérald Darmanin sei die überwiegende Mehrheit der Demonstranten aber friedlich geblieben, wie die Nachrichtenagentur dpa berichtete. Aber vor allem in Paris, Lyon und Nantes seien die Ordnungskräfte extrem gewalttätigen Randalierern gegenübergestanden, die mit einem Ziel gekommen seien: Polizisten zu töten und das Eigentum anderer anzugreifen. „Diese Gewalt ist vorbehaltlos zu verurteilen“, so Darmanin.

Für den französischen Politiker Florian Philippot, Gründer der Partei Les Patriotes, war der gestrige Tag ein Erfolg. Er bezeichnete ihn als „Wahnsinns-1. Mai für den Widerstand!“, wie er in einem Twitter-Beitrag verkündete. Tausende und Abertausende von Franzosen seien „gegen Macron, die EU, die NATO, diese ganze korrupte Oligarchie“ auf die Straßen gegangen.

100-Tage-Programm soll Vertrauen wieder herstellen

Die letzten landesweiten Proteste gegen die Rentenreform hatte es vor zwei Wochen gegeben, nachdem Macron die Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre offiziell in Kraft gesetzt hatte. Für Unmut sorgt weiterhin, dass die Regierung die Reform ohne Abstimmung im Parlament unter Nutzung eines Sonderparagrafen durchdrückte.

Üblicherweise kommen zu Kundgebungen am 1. Mai in Frankreich landesweit zwischen 100.000 und 160.000 Menschen zusammen. Nun aber hatten die Gewerkschaften den 1. Mai zu einem neuerlichen Protesttag gegen die Reform des Präsidenten erklärt.

Macrons Mitte-Regierung würde die inzwischen beschlossene Rentenreform am liebsten als abgehakt betrachten, die Gewerkschaften und Teile der Opposition protestieren aber weiter, um deren Umsetzung ab 1. September zu verhindern.

Um wieder mehr Vertrauen in der Bevölkerung zu gewinnen, stellte Premierministerin Élisabeth Borne am Mittwoch ein 100-Tage-Programm mit Verbesserungsschritten in Bereichen wie Bildung, Gesundheit und Innerer Sicherheit vor.

Wie schon bei der Rentenreform steckt die Regierung aber in der Klemme, da sie im Parlament seit den Wahlen im vergangenen Sommer nicht mehr über eine absolute Mehrheit verfügt. Ein neues Migrationsgesetz verschob Borne darum auf den Herbst.

(mit Material von dpa)



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