Die Welt auf dem Pulverfass: Atombomben gibt es mehr als genug – auch in Deutschland
Wien – Der Jubel ist groß: Wenn die jetzt in Wien erzielte Einigung hält, wird der Iran auf absehbare Zeit keine Nuklearwaffen entwickeln können. Obwohl auch darüber schon die Meinungen auseinandergehen.
So kommentiert Christian Böhme im Tagesspiegel: "Die Islamische Republik kann sich allerdings schon jetzt als Sieger fühlen. Zwar muss das Regime Kontrollen seines Atomprogramms akzeptieren. Die klerikale Führung hat aber große Erfahrung im Täuschen und Tricksen, wenn es darum geht, die Inspektoren ins Leere laufen zu lassen. Und das Spiel auf Zeit haben die Mullahs über die Jahre perfektioniert."
Der skeptische US-Kongress – viele Abgeordnete lehnen jegliche politische Kooperation mit dem Iran ab – muss der Vereinbarung aber noch zustimmen. Israel läuft dagegen Sturm.
Netanjahu sieht den Iran nun auf dem Weg zur nuklearen Aufrüstung. In allen Bereichen, die den Iran vom Bau einer Atombombe abhalten sollten, seien Zugeständnisse gemacht worden, kritisierte Netanjahu. Das Ende der Sanktionen werde Teheran zudem Hunderte Milliarden Dollar verschaffen, mit denen Terror-Gruppen finanziert würden.
Kritische Stimmen kamen nicht nur aus dem konservativen Lager, sondern aus fast allen israelischen Parteien. Vize-Außenministerin Zipi Chotoveli von Netanjahus Likud sprach von einem „historischen Kapitulationsvertrag des Westens gegenüber der Achse des Bösen unter der Führung des Irans.“ Verteidigungsminister Mosche Jaalon (Likud) schrieb, das Abkommen sei auf „Lug und Trug“ aufgebaut.
Aber auch so gibt es noch mehr als genug Atomwaffen – auch in Deutschland.
Wer hat eigentlich die Atombombe?
Offiziell sind im Atomwaffensperrvertrag von 1970 fünf Staaten als Atommächte genannt: die USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich – also die fünf Vetomächte des UN-Sicherheitsrats. Darüber hinaus haben Indien, Pakistan und Nordkorea Tests mit Atomwaffen gemacht. Auch Israel ist vermutlich schon seit einem halben Jahrhundert im Besitz der Atombombe. Insgesamt also: neun Atommächte.
Wie viele Atomwaffen gibt es auf der Welt?
Genaue Zahlen hat niemand. Aber jedenfalls deutlich weniger als früher. Mitte der 1980er Jahre gab es noch etwa 70 000 Atomwaffen. Fast alle gehörten den beiden Supermächten USA und Sowjetunion. Heute – so das Friedensforschungsinstitut Sipri aus Stockholm in seinem neuen Jahrbuch – existieren schätzungsweise noch 15 850 Nuklearwaffen. Die meisten davon hat Russland (7500), gefolgt von den USA (7260). Erst mit weitem Abstand folgen China (260), Pakistan (100-120), Indien (90-110) und die anderen.
Lagern in Deutschland auch noch atomare Sprengköpfe?
Ja, in Rheinland-Pfalz, im Fliegerhorst Büchel. Experten gehen davon aus, dass es dort – noch aus Zeiten des Kalten Kriegs – zwischen 10 und 20 amerikanische Sprengköpfe gibt. Alle Forderungen, die Waffen von deutschem Boden abzuziehen, blieben bisher ohne Erfolg. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte kürzlich im Bundestag: „Das Thema ist keineswegs aufgegeben. Aber es ist ebenso schwierig wie in den vergangenen Jahren.“
Wie kommen eigentlich die Bemühungen um atomare Abrüstung voran?
Nach dem Ende des Kalten Kriegs hatten die USA und Russland ernsthaft damit begonnen, ihre Atomwaffen zu verschrotten. Doch seit einigen Jahren verringern sie die Arsenale nicht mehr groß. Stattdessen haben beide mit einer Modernisierung begonnen. Zudem werfen sie sich gegenseitig vor, bestehende Abkommen zu brechen. Das Ziel einer Welt ohne Atomwaffen („Global Zero“) – wie es US-Präsident Barack Obama und auch Kremlchef Wladimir Putin einst postuliert hatten – ist wieder weiter in die Ferne gerückt. Wobei: Nah dran war man nie.
Geht das Wettrüsten aufs Neue los?
Der Ukraine-Konflikt hat jedenfalls neue Sorgen ausgelöst: Kiew hatte aus Sowjetzeiten Atomwaffen geerbt, diese dann aber freiwillig vernichtet. Manche meinen, dass Russland andernfalls darauf verzichtet hätte, sich die Krim wieder einzuverleiben. Nun kündigte Putin noch an, bis zum Jahresende 40 neue Interkontinentalraketen anzuschaffen, die auch mit atomaren Sprengköpfen bestückt werden können. Das muss nicht heißen, dass ein neues Wettrüsten beginnt. Aber die Ära der atomaren Abrüstung ist wohl vorbei. (rls/dpa)
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