Flüchtlinge in Idomeni hoffen auf Wunder
In kleinen Gruppen ziehen sie auf dem letzten Kilometer durch Felder und Wiesen zum Flüchtlingslager unmittelbar an der Grenze zu Mazedonien. Diese ist weithin sichtbar: Ein hoher Zaun mit Stacheldraht markiert ihren Verlauf.
Im Lager ist schon längst kein Platz mehr für die Menschen. Angelegt wurde es für 2000 Durchreisende. Doch inzwischen sind mehr als Zehntausend dort – und Mazedonien lässt nur noch maximal 250 Asylsuchende am Tag das Metalltor im Zaun passieren.
Die Neuankömmlinge campieren auf den Feldern vor dem Lager. Wer kein eigenes Zelt hat, kann eines für 40 Euro von einem mobilen Händler erstehen. „Für vier Personen“, versichert dieser. In Wirklichkeit dürfte vielleicht ein Ehepaar mit zwei kleinen Kindern mit Müh‘ und Not darin Platz finden.
Mit 13.000 beziffert Babar Baloch, ein Sprecher des UN-Hilfswerks UNHCR, am Sonntag die Zahl der Menschen, die in Idomeni festsitzen. Weitere 1000 verteilen sich nach Schätzung von Hilfsorganisationen auf Pensionen und leerstehende Gebäude in der Umgebung. Jeden Tag kommen rund 2000 Menschen dazu. Der Rückstau in Idomeni nimmt gefährliche Ausmaße an. „Das ist eine humanitäre Krise“, meint Baloch. „Viele Menschen leben jetzt seit mehr als einer Woche im Freien. Wir haben stark schwankende Außentemperaturen, vor allem Kinder verkühlen sich und werden krank.“ Mehr als die Hälfte der Flüchtlinge – rund 55 Prozent laut UNHCR-Angaben – sind inzwischen Frauen und Kinder.
Der griechische Staat ist kaum sichtbar. Private Hilfsorganisationen versorgen die Gestrandeten mit dem Nötigsten. Vor der Essensausgabe bilden sich lange Schlangen. Griechen aus der Umgebung kommen mit ihren Privatautos und verteilen an die Flüchtlinge Brot, Trinkwasser, Baby-Nahrung.
Die griechische Polizei reguliert auf ihrer Seite den Zugang zum Grenztor. Es gibt ein kompliziertes Vormerk-System, das den immer restriktiveren Bedingungen der Mazedonier – die in Wirklichkeit mit den anderen Balkanstaaten und Österreich abgestimmt sein dürften – Rechnung trägt. Faktisch dürfen nur mehr noch Syrer und Iraker das Grenztor passieren, und seit Sonntag – nach unbestätigten Informationen – auch nur mehr noch die, die aus Landesteilen stammen, in denen gekämpft wird, und die laut Stempeln im Reisepass nicht länger als 30 Tage in der Türkei waren.
Auf den 26-jährigen Ibrahim aus Aleppo trifft nur die erste Bedingung zu – seine Heimatstadt ist eine der Höllen im Syrien-Krieg. Vor anderthalb Jahren floh er in die Türkei, weil „ich nicht Soldat werden und andere Menschen umbringen wollte“. Das Flüchtlingsleben in der Türkei war schlecht. Entweder hatte Ibrahim keine Arbeit oder er kellnerte in einem Restaurant, mit 18-Stunden-Tagen, für einen Hungerlohn. Wie so viele andere hier will er nach Deutschland. Er will seine Ausbildung zum Physiotherapeuten fortsetzen. Ein Onkel sei bereits da.
Zu den gegenwärtigen Zuständen in Idomeni meint er: „Genau so schrecklich wie das Elend im syrisch-türkischen Grenzgebiet.“ Nur ungern freundet er sich mit dem Gedanken an, dass sich das Grenztor zur Balkanroute nach dem EU-Türkei-Gipfel an diesem Montag völlig schließen könnte. Das sogenannte „Durchwinken“ bis nach Deutschland hätte dann definitiv ein Ende.
Welche Optionen bleiben dann einem wie Ibrahim? „Ich werde mich um Hilfe an die Vereinten Nationen wenden“, sagt er. Möglicherweise wird man Menschen, die in so großer Zahl in Griechenland festsitzen, am Ende doch über die EU verteilen. Zumindest ist es diese Hoffnung, an die sich der junge Syrer klammert. Es ist eine Hoffnung, deren Erfüllung bei der derzeitigen Aufnahmebereitschaft in Deutschland und anderswo an ein Wunder grenzen würde.
(dpa)
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