Fluch oder Segen: Hat Botsuana zu viele Elefanten?
Auf 19 Einwohner kommt ein Elefant – Botswana hat mit geschätzt 130.000 wilden Elefanten die größte Elefanten-Population aller Länder, sagt die Tierschutzorganisation Elephants Without Borders. Die Frage, ob es zu viele Elefanten in Botsuana gibt, ist Gegenstand hitziger Debatten.
Forscher sind sich nicht einig, wie groß Botsuanas ökologische Tragfähigkeit für Elefanten ist und ab wann sie das lokale Ökosystem überlasten und schädigen. Das Land hat etwa eine Fläche so groß wie Frankreich und etwa 2,5 Millionen Einwohner.
Streit mit Deutschland
Im Frühjahr war eine Debatte zwischen Botsuana und Deutschland über die mögliche weitere Beschränkung der Einfuhr von Jagdtrophäen hochgekocht.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) gilt als Befürworterin und hatte damit die Kritik Botsuanas auf sich gezogen. Im April wetterte der scheidende Präsident Mokgweetsi Masisi (2019-2024) gegenüber der „Bild“, er wolle aus Protest 20.000 Elefanten nach Deutschland schicken.
Ende September sagte Masisi auch, die 20.000 Elefanten abschießen zu lassen, um ihr Fleisch an hungernde Menschen in Botsuana zu verteilen. Botswana befürchtete, dass dem Land durch weitere Einfuhrbeschränkungen hohe finanzielle Einbußen entstehen könnten.
„Die Botschaft hinter dem Geschenkangebot war, dass es nicht einfach ist, mit Elefanten zusammenzuleben, wenn man nicht von ihnen profitiert“, erklärte Modukanele nun dpa.
Hintergrund ist eine im Frühjahr hochgekochte Debatte über die mögliche weitere Beschränkung der Einfuhr von Jagdtrophäen.
Keulung und Trophäen
Die Jagd auf Elefanten ist ein kontroverses und emotionales Thema. Botsuana verbot 2014 die Elefantenjagd. Fünf Jahre später hob die Regierung das Verbot wieder auf – eine Entscheidung, die Empörung auslöste.
Botsuana argumentiert, dass die Trophäenjagd und kontrollierte Keulungen dazu beitragen können, die Elefantenpopulation in den Griff zu bekommen und die Konflikte zwischen Mensch und Tier zu verringern.
Die Jagd sei zudem eine wichtige Einnahmequelle für Gemeinden in Botsuana, sagte Boatametse Modukanele, der Ständige Sekretär des Ministeriums für Umwelt und Tourismus. Eine einzige Trophäenjagd bringe Tausende US-Dollar ein.
Die Einnahmen flössen in Treuhandfonds und würden für soziale Dienstleistungen und Naturschutz verwendet. Sie gäben lokalen Gemeinden zudem Anreiz, illegale Wilderei zu unterbinden und dazu beizutragen, dass Elefantenbestände stabil bleiben, so Modukanele.
Nur etwa 250 Jagdlizenzen pro Jahr würden in ausgewählten Gebieten vergeben, vor allem in Gegenden, in denen es häufig zu Konflikten zwischen Menschen und Elefanten komme. „Bei der hohen Zahl von Elefanten, die wir haben, macht das keinen großen Unterschied“, sagt der Politiker.
Verwüstung von Dörfern und Feldern
Elefanten brauchen viel Platz und Nahrung. Ein erwachsener Bulle trinkt bis zu 200 Liter Wasser pro Tag und frisst rund 150 Kilogramm. „Elefanten müssen täglich weite Strecken zurücklegen, um Futter zu finden, und zerstören dabei viele Bäume“, erklärt Walona Sehularo von der Tierschutzorganisation Elephants for Africa in Botsuana.
Die Dickhäuter richten große Schäden auf Waldflächen und Feldern an, fressen Strohdächer von Hütten, fallen in Gemüsegärten ein und verwüsten Dörfer, wie Sehularo schildert.
Es komme in Botsuana nahezu täglich zu Konflikten zwischen Elefanten und Menschen, die ihr Hab und Gut verteidigen wollten. Jedes Jahr werden in Botsuana und in anderen afrikanischen Ländern Menschen von Elefanten getötet, und Menschen töten Elefanten – als Vergeltung, wegen des Elfenbeins oder bei der Trophäenjagd.
Rebecca Gatshele ist Bäuerin in Morematao, einem kleinen Dorf, das im Norden des Landes an den Makgadikgadi Pans Nationalpark grenzt. Über die Jahre haben Elefanten immer wieder die Ernte von Gatshele und anderen Landwirten zerstört.
Über Monate gezüchtete Nahrungspflanzen wie Mais, Sorghum, Bohnen, Erbsen und Kürbisse seien innerhalb weniger Stunden von den grauen Riesen geplündert worden, klagt die 56-Jährige. Wassersuchende Elefanten vertrieben Bauern von ihren Brunnenanlagen und demolierten Wasserleitungen.
Konflikte zwischen Mensch und Tier
Wer die Gegend um Morematao besucht, kann die Zerstörung durch Elefantenherden leicht erkennen. Rund 50 Prozent der Bäume und Sträucher sind beschädigt, umgestoßen oder entwurzelt.
„Wenn es zu viele Elefanten gibt, hat das Auswirkungen auf die übrige Natur, die Pflanzen- und Tierwelt. Elefantenzahlen zu kontrollieren, ist daher eine gute Sache“, sagt auch Gofiwa Thebenala, der Naturschutzmanager des Tuludi Camps im Khwai Naturreservat im Okavango-Delta.
Um Elefanten fernzuhalten, hat Gatshele gemeinsam mit anderen Bauern ihre Felder mit Baumstämmen und Ästen eingezäunt. Elephants for Africa stellt ihnen während der Erntesaison getrockneten Chili zur Verfügung, der verbrannt wird, um die Dickhäuter abzuschrecken. „Doch wenn ein Elefant wirklich etwas will, kann man kaum etwas tun, um ihn aufzuhalten“, sagt Gatshele resigniert. Selbst Elektrozäune helfen dann nicht.
In Gegenden, in denen es viele Elefanten gibt, hätten zahlreiche Bauern aufgegeben, ihre Felder zu bestellen, sagt Sehularo. „Die Menschen leben in ständiger Angst. Sie haben Angst, Feuerholz suchen zu gehen, ihr Vieh zu Wasserstellen zu führen, ihre Kinder zur Schule gehen zu lassen oder Bekannte in Nachbardörfern zu besuchen“, erzählt er. „Die traurige Realität ist, dass es im Zusammenleben mit Elefanten immer Probleme geben wird“.
Offene Elefantenkorridore
Wissenschaftler suchen nach Lösungen für das Zusammenleben zwischen Menschen und Elefanten. Der gemeinnützige Ecoexist Trust glaubt beispielsweise, die Zahl der Elefanten sei gar nicht der entscheidende Faktor.
Ein wichtiger Grund für die vielen Konflikte sei, dass Dörfer und Felder an Orten lägen, die Elefanten seit Jahrhunderten als Korridore nutzen, um Wasser und Nahrung zu finden. Ecoexist hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese zu identifizieren, abzugrenzen und zu schützen. Die Theorie der Organisation: Wenn sich die Wege von Menschen und Elefanten nicht kreuzen, gibt es automatisch weniger Konkurrenz um natürliche Ressourcen. (dpa/red)
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