Festnahme von „Apple Daily“-Chefredakteur in Hongkong – Zeitung erhöht Auflage am Folgetag deutlich

Die Polizei in Hongkong hat am Donnerstag fünf führende Mitarbeiter der China-kritischen Zeitung "Apple Daily" festgenommen. An dem massiven Polizeieinsatz waren mehr als 500 Beamte beteiligt. Die Redaktion reagierte prompt.
Epoch Times18. Juni 2021

Einen Tag nach der Polizei-Razzia in der Redaktion der pro-demokratischen Hongkonger Zeitung „Apple Daily“ hat der Verlag am Freitag die Auflage deutlich gesteigert. Statt der üblichen 80.000 Exemplare wurden in der Hoffnung, möglichst viele Hongkonger zu erreichen, nach Angaben des Blattes 500.000 Exemplare gedruckt. Auf der Titelseite wurde über die Razzia berichtet, zudem war in fett gedruckten gelben Buchstaben „Wir müssen weitermachen“ zu lesen.

Am Tag zuvor waren Chefredakteur Ryan Law sowie vier weitere führende Mitarbeiter festgenommen worden. Den auf der Titelseite abgebildeten Mitarbeitern wird auf Grundlage eines 2020 verabschiedeten sogenannten Sicherheitsgesetzes illegale Zusammenarbeit mit „einem anderen Land oder externen Elementen“ angelastet.

Im Arbeiterviertel Mongkok standen Anwohner am frühen Morgen Schlange, um ein Exemplar der „Apple Daily“ zu bekommen. „Normalerweise verkaufen wir gut 60 Stück, aber heute waren es 1800. Jetzt ist alles ausverkauft“, sagte ein Standbetreiber der Nachrichtenagentur AFP.

Polly, eine 40-jährige Produktentwicklerin aus Hongkong, sagte, sie habe gleich zehn Exemplare gekauft: „Viele Jahre lang haben wir Pressefreiheit genossen und konnten alles sagen.“ Nun habe sich die Lage in Hongkong innerhalb eines Jahres komplett verschlechtert. Steven Chow, ein weiterer Kunde, erklärte, „Apple Daily“ sei eine einzigartige Stimme in Hongkong: „Man mag sie vielleicht nicht, aber man muss ihnen ihre Stimme lassen – sie überleben lassen. Das ist wichtig.“

Nach der Razzia vom Donnerstag wurden in den Redaktionsräumen der Zeitung zahlreiche Computer und Festplatten mitgenommen. Die Behörden beschlagnahmten zudem Vermögenswerte der Zeitung in Höhe von umgerechnet 1,9 Millionen Euro. Wie lange die Zeitung noch überleben kann, ist unklar.

Kritik an Festnahme von „Apple Daily“-Chefredakteur

Die Festnahme von führenden Mitarbeitern der China-kritischen Zeitung in Hongkong hat international für Empörung gesorgt. Die USA bezeichneten den Polizeieinsatz am Donnerstag als „ausschließlich politisch motiviert“. Auch Großbritannien verurteilte die Razzia. Die Behörden in der chinesischen Sonderverwaltungszone erklärten, die Zeitung habe zu „Sanktionen“ gegen Hongkong und die Führung in Peking aufgerufen.

An dem massiven Polizeieinsatz waren mehr als 500 Beamte beteiligt. Chefredakteur Ryan Law, Geschäftsführer Cheung Kim-hung und drei weitere führende Mitarbeiter der Zeitung wurden festgenommen. Ihnen wird illegale Zusammenarbeit mit „einem anderen Land oder externen Elementen“ mit dem Ziel der Gefährdung der „nationalen Sicherheit“ angelastet.

„Apple Daily“ und sein inhaftierter Eigner Jimmy Lai sind mit ihrer offenen Unterstützung für die Demokratie-Bewegung in Hongkong seit langer Zeit ein Dorn im Auge der Führung in Peking, welche die Bestrebungen nach mehr Demokratie in der früheren britischen Kronkolonie zu unterdrücken sucht.

Der 73-jährige Lai wurde wegen des Vorwurfs betrügerischer Absprachen angezeigt, nachdem die Redaktion der Zeitung bereits im vergangenen August durchsucht worden war. Inzwischen wurde er wegen der Teilnahme an Protesten zu mehreren Gefängnisstrafen von insgesamt 20 Monaten verurteilt.

Pressefreiheit am „seidenen Faden“

In einer Nachricht an die Leser warnte „Apple Daily“, die Pressefreiheit in Hongkong hänge am „seidenen Faden“.

Die US-Regierung übte scharfe Kritik am Vorgehen der Behörden. Der Einsatz ziele darauf ab, kritische Stimmen in Hongkong zum Schweigen zu bringen, sagte Außenamtssprecher Ned Price in Washington. „Die Behörden müssen aufhören, unabhängige und freie Medien ins Visier zu nehmen.“ Dies schade der Demokratie in Hongkong, aber auch dem internationalen Ruf der Finanzmetropole.

Der britische Außenminister Dominic Raab warf China vor, das sogenannte Sicherheitsgesetz in Hongkong zu nutzen, um „abweichende Stimmen ins Visier zu nehmen, anstatt die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten“. Er rief die chinesische Regierung auf, die bei der Übergabe der früheren britischen Kronkolonie an China 1997 zugesicherte Pressefreiheit zu respektieren.

Die chinesische Führung hatte das sogenannte Sicherheitsgesetz als Reaktion auf die Massenproteste gegen den wachsenden Einfluss Pekings in Hongkong erlassen. Es erlaubt den Behörden ein rigoroses Vorgehen gegen alle Aktivitäten, die nach ihrer Auffassung die nationale Sicherheit Chinas bedrohen. Verstöße können mit lebenslanger Haft bestraft werden. Der Westen sieht in dem Gesetz eine eklatante Verletzung der Autonomierechte Hongkongs.

Der Beauftragte der Hongkonger Regierung für Sicherheitsfragen, John Lee, wollte sich nicht zu der Frage äußern, welche Artikel aus dem „Apple Daily“ das Sicherheitsgesetz verletzt hätten. Der Einsatz der Regierung gelte nicht der Pressefreiheit, fügte Lee hinzu. „Wir zielen auf Verrat ab, der die nationale Sicherheit gefährdet.“

Epoch Times auch immer wieder im Visier der KP

Auch die Epoch Times Hongkong wurde in den vergangenen zwei Jahren mehrfach angegriffen. Dabei wurde das Inventar der Druckerei wiederholt durch Vandalismus zerstört. 2019 kam es sogar zu einem Brandanschlag. Im Juli 2020, einem Tag nach dem Inkrafttreten des Sicherheitsgesetzes in Hongkong, wurden 4 Mitarbeiter der Epoch Times festgenommen. (afp/nmc)



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