FDP-Fraktionschef: Nein, zu Bargeld und Seenotrettung – ja, zu Grenzkontrollen und Asylverfahren

FDP-Fraktionschef Christian Dürr hat sich für eine deutlich härtere Asylpolitik ausgesprochen. Auch Friedrich Merz hat eine neue Idee: Er will die Wartezeit für erweiterte medizinische Leistungen für ausreisepflichtige Asylbewerber verlängern.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr setzt sich für die Bürokratieentlastung der Wirtschaft ein.
Das Archivbild zeigt FDP-Fraktionschef Christian Dürr. Er will den „Pullfaktor“ Bargeld für Asylbewerber abschaffen.Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 5. Oktober 2023

„Mein Ultimatum lautet: Am 6.11. ist Stichtag. Bis dahin müssen alle 16 MPs sagen, wir wollen keine Bargeldzahlungen mehr, denn die sind ein Pullfaktor.“

Christian Dürr, der Fraktionsvorsitzende der FDP im Bundestag, bemühte sich am Morgen des 4. Oktober in einem Interview mit dem Nachrichtensender „ntv“ sichtlich, einen klaren Ton zum Thema Massenmigration anzuschlagen. Die Zielmarke 6. November bezieht sich auf die für diesen Tag anberaumte Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) mit Bundeskanzler Olaf Scholz.

Dürrs Partei, die Nummer drei in der Ampelregierung, steckt seit Monaten im Umfragetief. Am kommenden Sonntag, 8. Oktober, finden in Bayern und Hessen Landtagswahlen statt. Die Probleme der Massenmigration nach Deutschland sind seit 2015 noch nicht einmal im Ansatz gelöst.

„Diese Bargeldzahlungen müssen endlich aufhören“

Ginge es nach Dürr, so sollten Asylbewerber also künftig nur noch Bezahlkarten in die Hand bekommen: „Diese Bargeldzahlungen müssen endlich aufhören“. Denn Bares werde „teilweise in die Heimat geschickt“, wofür das Geld aber gar nicht gedacht sei.

Nach Angaben von „ntv“ sehen „Experten“ solche Geldtransfers ins Ausland durch Asylbewerber auch als einen „Grund dafür, warum Staaten ihre Bürger nicht zurücknehmen, wenn sie aus Deutschland abgeschoben werden sollen“.

Die Bundesregierung habe bereits alle „rechtlichen Voraussetzungen“ für eine solche Bezahlkartenpraxis geschaffen, meinte Dürr. Bei der Umsetzung seien nun die Länder gefragt: „Ich würde vorschlagen, dass es die Länder flächendeckend machen, das heißt, hier den Kommunen die Arbeit abnehmen“. Der Bund selbst sei dafür nicht zuständig und dürfe sich gar nicht entsprechend betätigen, stellte Dürr klar. Seine „herzliche Bitte“, die „Bargeldauszahlung einzustellen“, richte sich nun insbesondere „an die Unionsministerpräsidenten“. Wenn man „Hand in Hand“ gehe, statt sich „gegenseitig zu beschuldigen, […] dann schaffen wir das“.

Die Länder fordern seit Jahren vom Bund mehr Geld, um die Kosten der Massenmigration bewältigen zu können. Die Bundesregierung allerdings will nicht noch mehr zahlen: Nach Angaben der „Tagesschau“ verweisen „Vertreter der Ampelkoalition“ immer wieder auf die grundsätzliche Möglichkeit, auf Sachleistungen auszuweichen. Selbst Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) habe sich zuletzt dafür ausgesprochen.

Für vorübergehende Grenzkontrollen innerhalb der EU – und dauerhaft an den Außengrenzen

Dürr erklärte weiter, „offen“ für stationäre Grenzkontrollen innerhalb Europas zu sein, auch in Richtung Polen und Tschechien. Faeser hatte dem Ende September 2023 nach langem Zögern zugestimmt – allerdings nur als „flexible und mobile Kontrollen an wechselnden Orten“, um die bis dato praktizierte Schleierfahndung vor Ort zu ergänzen.

Dabei müsse es sich allerdings um eine „vorübergehende Maßnahme“ handeln, meinte Dürr:

Wir wollen ja nicht aufgrund der Migrationssituation die europäischen Binnengrenzen wieder hochziehen.“

Das vorrangige Ziel müsse vielmehr „der Außengrenzenschutz“ sein: Es müsse wieder „Kontrolle darüber herrschen, wer überhaupt nach Europa kommt“.

Seenotrettung: „Dieses perfide System muss durchbrochen werden“

Eine neue Marschrichtung forderte Dürr auch bei der Seenotrettung: Nicht private Organisationen seien zu unterstützen. Das Ziel müsse vielmehr sein, „dass die Europäische Union den Notfall macht“. „Überhaupt muss dieses perfide System durchbrochen werden“, das für „viel Leid“ sorge, mahnte Dürr. „Menschen zahlen Geld dafür, um unter Umständen in Seenot zu kommen. Das darf ja keine Zukunft haben.“

Aus demselben Grund dürfe es auch keine Asylverfahren innerhalb Europas mehr geben. Diese sollten besser gleich „an den europäischen Außengrenzen“ stattfinden, „damit sich gar nicht erst jemand auf den Weg über das Mittelmeer macht“.

„Mehr Ordnung ist das Stichwort der Stunde“

Bei aller Weltoffenheit Deutschlands wünschten sich die Menschen hierzulande „Ordnung“, stellte Dürr fest. Er selbst teile diesen Wunsch „ausdrücklich“.

Man müsse bei der Migration differenzieren: Einerseits brauche Deutschland wegen „des demografischen Wandels“ zwar eine „Einwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt“, die „irreguläre Migration […] in die sozialen Sicherungssysteme“ müsse aber „endlich nach unten“ gehen. „Mehr Ordnung ist das Stichwort der Stunde“, so Dürr.

Auf europäischer Ebene sei man „dabei, dass die gemeinsame Asylpolitik endlich ins Rollen“ komme, sagte Dürr. Die aktuelle Bundesregierung mache dafür „jetzt den Weg frei in Europa“. Die Union dagegen habe das „in der Vergangenheit leider blockiert“, als sie noch das Sagen in der Bundesregierung gehabt habe, kritisierte der FDP-Fraktionschef.

182 Euro Bargeld unabdingbar

Dürrs Forderung nach Bezahlkarten beziehungsweise Sachleistungen für Asylbewerber stößt beim Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB) auf wenig Gegenliebe, wie die „Tagesschau“ berichtet. Miriam Marnich, die Referatsleiterin für Asyl, Flüchtlinge und Migration beim DStGB, habe auf den erhöhten Aufwand und die damit steigenden Kosten hingewiesen. Außerdem müsse „der Handel bereit sein, Gutscheine für Lebensmittel anzunehmen“.

Ganz ohne Bargeld wird es nach Einschätzung der „Tagesschau“ ohnehin nicht funktionieren: „Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist zu entnehmen, dass ein Teil der Unterstützung der Menschen als Geldleistung zur Verfügung stehen muss. Vorgesehen sind hierfür monatlich 182 Euro für eine alleinstehende Person.“ Weitere 228 Euro pro Person seien für „Lebensmittel, Kleidung und Medikamente“ aufzubringen. Dies geschehe nach Auskunft von DStGB-Referatsleiterin Marnich „je nach Unterkunftsart“ bereits „vielfach“ in Form von Sachleistungen. In Gemeinschaftsunterkünften sei dies leichter zu bewerkstelligen. Nach Ansicht von Marnich sei es „sinnvoll“, sämtliche Leistungen für Asylbewerber innerhalb der EU „anzugleichen“.

«2023 wird leider ein Jahr der Rezession», sagte CDU-Chef Friedrich Merz.

CDU-Chef Friedrich Merz will die Attraktivität Deutschlands für Migranten schmälern. Foto: Angelika Warmuth/dpa

Merz will Wartezeit für erweiterte medizinische Leistungen verlängern

Der Begriff „Pullfaktor“ hatte bereits vor einigen Tagen für viel Kritik an CDU-Chef Friedrich Merz gesorgt. Merz hatte das Wort in einer Talkrunde der Zeitung „Welt“ benutzt, um jene Anreize zu beschreiben, die Deutschland als Wunschziel für Migranten besonders attraktiv machen.

Besonders ein Beispiel, das Merz in Richtung der Grünen erwähnte, erregte die Gemüter: Seiner Darstellung nach genössen rund 300.000 bereits abgelehnte Asylbewerber die vollen Leistungen des deutschen Gesundheitssystems: „Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine. Was Sie hier machen, ist eine Katastrophe für dieses Land.“

Inzwischen ist Merz aber offensichtlich auf einen anderen Ansatz gekommen: Im Gespräch mit dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND, Bezahlschranke) plädierte er dafür, ausreisepflichtigen Asylbewerbern nicht schon nach 18 Monaten Aufenthalt einen Anspruch auf erweiterte medizinische Leistungen zu gewähren, sondern erst frühestens nach drei Jahren „Wartezeit“. Dafür müsste das Asylbewerberleistungsgesetz geändert werden. Merz:

Die Botschaft an die 300.000 abgelehnten Asylbewerber lautet aktuell: Ihr müsst nur lange genug bleiben, dann geht es euch in Deutschland immer besser. Das müssen wir korrigieren.“

Nach Angaben der „Tagesschau“ hielten sich Ende 2022 etwa 304.000 Menschen in Deutschland auf, die eigentlich ausreisepflichtig waren. 248.000 davon hätten allerdings einen Duldungsstatus besessen, weil bestimmte Gründe gegen eine Abschiebung gesprochen hätten, zum Beispiel das Fehlen von Ausweisdokumenten.



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