Fall Timanowskaja: Zwei belarussische Trainer müssen Olympisches Dorf verlassen
Nach den Vorwürfen im Fall Timanowskaja hat das Internationale Olympische Komitee (IOC) zwei belarussischen Trainern die Akkreditierung entzogen.
Die Entscheidung sei „im Interesse des Wohlergehens der belarussischen Athleten, die sich noch in Tokio befinden“, gefallen, erklärte das IOC am Freitag im Kurzbotschaftendienst Twitter. Die belarussische Olympia-Teilnehmerin Kristina Timanowskaja sollte nach eigenen Angaben gegen ihren Willen zurück nach Minsk gebracht werden, weil sie in Japan Kritik an Sportfunktionären ihres Landes geübt hatte. Das belarussische Nationale Olympische Komitee (NOK) kündigte Einspruch an.
Leichtathletik-Trainer Juri Maisewitsch und Funktionär Artur Schimak mussten das Olympische Dorf verlassen. Ihnen werde weiterhin die Möglichkeit zur Anhörung geboten, teilte das IOC weiter mit.
Massiver Druck auf Timanowskaja?
Das belarussische NOK erklärte am Freitag über seinen Kanal im Messenger-Dienst Telegram, es verteidige „die Interessen aller belarussischen Athleten und Trainer vor jeglicher Form von Diskriminierung“. Das NOK behalte sich das Recht vor, Einspruch gegen die IOC-Entscheidung einzulegen.
Die 24-jährige Sprinterin Timanowskaja stand während der Olympischen Spiele in Tokio nach eigenen Angaben massiv unter dem Druck der belarussischen Führung in Minsk. Nachdem sie sich kritisch über die Sportfunktionäre ihres Landes geäußert hatte, fürchtete sie demnach, entführt zu werden. Sie bat die japanische Polizei und das IOC um Hilfe und konnte mittlerweile mit einem „humanitären Visum“ von Tokio über Wien nach Polen ausreisen.
„Wir stehen mit Kristina Timanowskaja seit Beginn des Falles in Kontakt“, sagte IOC-Präsident Thomas Bach vor Journalisten. „Wir sind sehr froh, dass sie sicher in Polen ist, und wir haben ihr über das Polnische Nationale Olympische Komitee auch Hilfe angeboten, um sie bei ihren sportlichen Zielen zu unterstützen.“
Die Leichtathletin hatte die belarussischen Sportfunktionäre kritisiert, weil sie bei den Olympischen Spielen ohne Rücksprache mit ihr für das 4×400-Meter-Rennen statt für den 200-Meter-Lauf aufgestellt worden war.
Das belarussische NOK erklärte als Reaktion auf die Kritik der Sportlerin, Timanowskaja scheide wegen ihres „emotionalen und psychologischen Zustands“ aus dem Wettbewerb aus. Die Athletin wies diese Behauptungen zurück.
Timanowskaja kritisierte öffentlich die Gewalt gegen Demonstranten
Die belarussischen Behörden gehen seit Monaten mit großer Härte gegen Regierungskritiker vor. Im vergangenen Jahr waren Massenproteste nach der umstrittenen Wiederwahl von Machthaber Alexander Lukaschenko brutal niedergeschlagen worden. Seitdem sind viele Regierungskritiker ins Ausland gegangen, zahlreiche weitere wurden verhaftet.
Timanowskaja war eine von zahlreichen belarussischen Sportlern, die im August 2020 öffentlich die Gewalt gegen Demonstranten bei den Protesten kritisiert hatten.
In einem Interview mit der „Welt“ (Samstagsausgabe) und den Partnerzeitungen „Gazeta Wyborcza“ aus Polen und „El País“ aus Spanien schilderte Timanowskaja Einzelheiten ihrer Flucht. Der Trainer und die Mitglieder des belarussischen NOK hätten sie zunächst in ihrem Hotel zur Heimreise gedrängt und ihr gedroht. „Sie haben gesagt, wenn ich aufstehe und abhaue, dann erwarten mich ernsthafte Konsequenzen.“
Ein Mann „versuchte, mich unter Druck zu setzen“
„Später kam ein Psychologe zu mir, ein Mann, der versuchte, mich unter Druck zu setzen und der mir Angst machte“, sagte die Sprinterin. „Er sagte mir mehrfach, dass ich Probleme mit meinem Kopf hätte und fing an, unverständliche Dinge über manische Zustände zu erzählen. Er erklärte, dass Personen, die in so einem Zustand sind wie ich, sich das Leben nehmen.“
Zur selben Zeit hätten belarussische Fernsehsender begonnen, über die Situation zu berichten. „Ich habe von meinen Eltern erfahren, dass im Staatsfernsehen Material über mich gezeigt wurde, in dem ich als gestörte Persönlichkeit in schlechter psychischer Verfassung dargestellt wurde“, sagte Timanowskaja. Sie habe befürchtet, bei einer Rückkehr nach Belarus ins Gefängnis oder in die Psychiatrie zu kommen. (afp)
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