EVP will Verbrenner-Aus umkehren – Erleichterung für angeschlagene Autobranche?

Die größte Fraktion im EU-Parlament spricht sich für eine Wende beim sogenannten Verbrennerverbot aus: Neuwagen mit Verbrennungsmotor sollen auch nach 2035 in der EU zugelassen werden. Die Branche kalkuliert jedoch bereits mit dem Ausstieg.
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Eigentlich sollen in der EU Autos mit Verbrennungsmotor für Privatpersonen aus dem Verkehr verschwinden – doch dagegen regt sich Widerstand.Foto: Canetti/iStock
Von 16. Dezember 2024

Die mit Abstand größte Fraktion im EU-Parlament will das sogenannte Verbrenner-Aus rückgängig machen. Die EU-Klimaziele sollen aber weiter eingehalten werden, heißt es in einem Positionspapier des Mitte-Rechts-Bündnisses EVP, zu dem auch CDU und CSU gehören.

EVP: „Wir brauchen alle Technologien“

Die Bundesregierung hatte sich schon vor mehr als eineinhalb Jahren auf Drängen der FDP dafür eingesetzt, dass es Ausnahmen für sogenannte E-Fuels geben soll. Das geplante Verbot von Verbrennungsmotoren sollte rückgängig gemacht, um Technologieneutralität zu gewährleisten, steht in dem Papier.

Bei der Überarbeitung der entsprechenden EU-Regeln sollen unter anderem E-Fuels anerkannt werden. „Wir brauchen alle Technologien, auch solche, die derzeit möglicherweise noch gar nicht entwickelt sind. Das für 2035 geplante Verbrennerverbot muss deshalb zurückgenommen werden“, teilte der für das Thema in der EVP-Fraktion zuständige Abgeordnete Jens Gieseke (CDU) mit.

Die EU hat zuvor beschlossen, dass ab 2035 nur noch Neuwagen zugelassen werden sollen, die im Betrieb kein CO₂ ausstoßen. E-Fuels sind synthetische Kraftstoffe, mit denen Verbrennungsmotoren theoretisch klimaneutral betrieben werden können. Sie sind aber verhältnismäßig teuer und werden etwa im Luftverkehr dringend gebraucht. Denn es ist schwieriger, Flugzeuge im großen Stil elektrisch zu betreiben als Autos.

EVP: Klimastrafen für Autobauer vermeiden

Die EVP befürwortet in ihrem Positionspapier, mögliche EU-Klimastrafen in Milliardenhöhe für Autobauer zu vermeiden. Dies könne etwa dadurch erreicht werden, dass die Einhaltung der Vorschriften auf der Grundlage eines Dreijahresdurchschnitts bewertet werde. Wer die Vorgaben im Jahr 2025 nicht einhält, könnte das also beispielsweise mit der Übererfüllung der Vorgaben im Jahr 2026 ausgleichen. Für ein ähnliches Vorgehen hatte sich auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) offen gezeigt.

Die Autobranche hat sich indes bereits auf das Verbrenner-Aus im Jahr 2035 für Neuwagen eingestellt und will daran festhalten. Luca de Meo, Präsident des europäischen Branchenverbands ACEA, teilte dem „Handelsblatt“ mit, dass die Diskussion um das Verbrenner-Aus ideologisch motiviert sei. Er setzt sich dafür ein, dass es 2025 möglichst keine Strafzahlungen für die Hersteller geben wird.

Aktuell dürfen neue Fahrzeuge in der EU maximal 115,1 Gramm pro Kilometer ausstoßen. Ab Anfang 2025 sollen die Grenzwerte aber strenger werden. Dann sind nur noch 93,6 Gramm oder weniger erlaubt. Es ist die erste Verschärfung der CO₂-Flottengrenzwerte seit fünf Jahren.

Wenn die Autohersteller die Grenzwerte überschreiten, drohen ihnen nach derzeitiger EU-Gesetzeslage Geldbußen. „Niemand will Strafzahlungen in dieser schwierigen wirtschaftlichen Situation“, sagte der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese. Auf der anderen Seite dürfe aber keinesfalls das Signal ausgesendet werden, dass Klimaschutz nicht mehr wichtig sei.

Autoindustrie unter Druck

Mit ihren Forderungen will die EVP der angeschlagenen Autoindustrie helfen. Hersteller stehen vor großen Herausforderungen. Die gesamte deutsche Autoindustrie kämpft mit schwachen Absatzzahlen, insbesondere bei E-Autos. Aber auch bei anderen Antriebsarten sehen die Zahlen nicht rosig aus.

Deutschlands Schlüsselindustrie mit rund 770.000 Beschäftigten sieht sich zudem mit wachsender Konkurrenz aus China konfrontiert. Nach dem Wahlsieg von Donald Trump in den USA könnten zudem neue Zölle das Geschäft auf dem wichtigsten Auslandsmarkt der deutschen Autoindustrie erschweren.

Um den Absatz nachhaltiger Fahrzeuge anzukurbeln, sollten die EU-Mitgliedstaaten nach Vorstellung der EVP Förderprogramme wie etwa Mehrwertsteuerermäßigungen oder subventioniertes Leasing einführen.

Mehrheit der Deutschen gegen Verbrennerverbot

Laut einer Umfrage des Wirtschaftsprüfers und Unternehmensberaters Deloitte erfährt das Verbrenner-Aus ab 2035 keine mehrheitliche Zustimmung der deutschen Bevölkerung.

Lediglich 40 Prozent befürworten das politische Verbot. Fast genauso viele – 36 Prozent – der Befragten sind dagegen. Mit 24 Prozent ist fast ein Viertel der Befragten unschlüssig bei dem Thema.

Dabei fiel auf, „dass jüngere Menschen der Regulierung der Europäischen Union viel offener gegenüberstehen als ältere Generationen“, schrieb Deloitte. Demnach hätte bei der Gruppe der 18- bis 34-Jährigen eine Mehrheit von 57 Prozent das Verbrenner-Aus befürwortet. Nur rund ein Fünftel sei dagegen gewesen. Je älter die Befragten, desto mehr lehnten hingegen die Antriebsreform ab.

EU-Kommission müsste Änderungen vorschlagen

Die nötigen Änderungen für eine Abkehr vom sogenannten Verbrenner-Aus müsste die EU-Kommission unter Führung von Ursula von der Leyen vorschlagen. Die Behörde kann als einzige EU-Institution Gesetze und Änderungen an bestehenden Gesetzen vorschlagen. Zudem braucht es im Europaparlament und unter den EU-Staaten eine ausreichende Mehrheit.

Die deutsche Spitzenpolitikerin von der Leyen hatte Mitte Juli für den Fall ihrer Wiederwahl einen entsprechenden Vorstoß in Aussicht gestellt. Um die EU-Klimaziele zu erreichen, sei ein technologieneutraler Ansatz erforderlich, bei dem synthetische Kraftstoffe eine Rolle spielten, hieß es in politischen Leitlinien der CDU-Politikerin.

„Die Politik der Konservativen führt zu Chaos, Verunsicherung und schadet dem Automobilstandort Deutschland und Europa“, kritisierte der Grünen-Europaabgeordnete Michael Bloss das EVP-Papier. Statt eines jahrelangen Gezerres brauche es Klarheit und Investitionssicherheit. Ähnlich äußerte sich die Umweltorganisation Greenpeace.

(Mit Material der Nachrichtenagenturen)

 



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