Europas größtes KKW als russische Militärbasis
Die russische Armee baut das größte Kernkraftwerk Europas, das etwa 50 Kilometer entfernt von der südukrainischen Stadt Saporischschja steht, als Militärbasis aus. Dies berichtet das „Wall Street Journal“ auf seiner Website.
Demnach haben mehr als 500 russische Soldaten, die die Anlage bereits im März beschlagnahmt haben, schwere Artilleriebatterien eingesetzt und Minen entlang des Ufers am angrenzenden Stausee, der das Wasser der sechs Reaktoren kühlt, verlegt, schreibt die Zeitung unter Berufung auf Augenzeugen.
Die ukrainische Armee halte zwar die etwa fünf Kilometer entfernten Städte am gegenüberliegenden Ufer, sehe aber wegen der zwei derzeit noch aktiven Atomreaktoren keine Möglichkeit zu einem Angriff.
Drei Tage kein Kontakt zur Anlage
Hochrangige Techniker von Rosatom, Russlands staatlichem Atomenergiekonzern, hätten eine Basis in einem bewachten Bunker unter der Anlage eingerichtet. „Sie halten es wie einen Stützpunkt für ihre Artillerie“, zitiert das Journal einen europäischen Beamten, der sich im von der Ukraine nach wie vor kontrollierten Saporischschja aufhält.
„Sie wissen, dass die Ukraine ihre Angriffe von der Anlage aus nicht erwidern wird.“ Es scheine eine der russischen Taktiken zu sein, kritische Infrastrukturen zu nehmen und sie als Schutzschild zu benutzen, so der ehemalige ukrainische Verteidigungsminister Andriy Zagorodnyuk.
In der vergangenen Woche habe die Atomaufsichtsbehörde der Vereinten Nationen drei Tage lang keinen Kontakt gehabt, nachdem ihre Datenverbindung zum Kernkraftwerk ausgefallen war. Dies sei bereits das zweite Mal seit dem Einmarsch Russlands der Fall gewesen, dass die Behörde mit Sitz in Wien keine Daten mehr von den Kameras und Instrumenten erhielt, die normalerweise Sicherheitsaufnahmen und -werte aus dem riesigen Komplex übermitteln.
Ukrainische Arbeiter entführt
Am 29. Juni habe das staatliche ukrainische Energieunternehmen Energoatom, das die Anlage verwaltet, mitgeteilt, dass russische Truppen damit drohten, die Kühlbecken abzulassen, um unter Wasser versteckte Waffen ukrainischer Widerstandskämpfer zu suchen.
Dies könnte eine ernsthafte Bedrohung für die Anlage darstellen, die auf einen ständigen Strom von gefiltertem Wasser angewiesen ist, um ihre Reaktoren und abgebrannten Brennstäbe zu kühlen, heißt es im „Wall Street Journal“ weiter. Auch hätten russische Soldaten mehr als 40 der etwa 11.000 Mitarbeiter des Kraftwerks entführt, um von den Angehörigen umgerechnet 1.650 Euro pro Person zu erpressen.
Die russischen Streitkräfte hätten das Kernkraftwerk in den frühen Morgenstunden des 4. März – acht Tage nach der Invasion – eingenommen. Bei dem Angriff sei ein Ausbildungszentrum in Brand geraten, das nur wenige hundert Meter von den sechs Reaktoren entfernt liegt. Fachleute für nukleare Sicherheit sagten, dass es ohne den Besuch unabhängiger Experten vor Ort schwierig sei, die Risiken einzuschätzen, die russische Landminen, Artillerie und Soldaten für die Anlage darstellten. Die Übernahme eines aktiven Kernkraftwerks sei beispiellos und werfe viele Fragen zur Sicherheit auf.
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