Europarat: Schwere Defizite bei Justizreform und Korruptionsbekämpfung in Polen
Der Europarat wirft Polen schwere Versäumnisse bei der Umsetzung von EU-Empfehlungen zur Korruptionsbekämpfung vor. Von insgesamt 22 Empfehlungen für Justiz und Parlament seien nur acht umgesetzt worden, heißt es in einem am Montag in Straßburg veröffentlichten Bericht der Staatengruppe gegen Korruption (Greco), einem Gremium des Europarats. Die Anti-Korruptions-Experten werteten dies als „insgesamt unbefriedigend“ und forderten Polen auf, bis spätestens Ende 2020 einen Bericht über den Fortschritt der Umsetzung vorzulegen.
Die Lage im Parlament sei seit einem früheren EU-Bericht von 2014 praktisch „unverändert“, heißt es in dem Bericht. Die EU hatte Polen demnach unter anderem empfohlen, die Kontakte zwischen Parlamentariern und Lobbyisten transparenter zu gestalten und die ethischen Leitlinien für mögliche Interessenskonflikte zu verbessern. Hier sei mehr „entschlossenes Handeln“ nötig, erklärte ein Sprecher des Europarats.
Richter laut Kritikern „Zwangspensioniert“
Auch beim Justizsystem sieht die Greco Handlungsbedarf. Die Regierung hatte 2017 unter anderem das Rentenalter für Richter herabgesetzt. Kritiker sahen darin eine Zwangspensionierung oberster Richter und den Versuch der rechtsnationalen Regierungspartei PiS, die Justiz insgesamt auf Linie zu bringen. Der Europäische Gerichtshof zwang Polen jedoch, die Regelung außer Kraft zu setzen, da sie die Unabhängigkeit der Justiz untergrabe.
Die Greco begrüßte dies, die Umsetzung weiterer EU-Empfehlungen sei jedoch „unzureichend“. „Am meisten Sorge“ bereiteten der Greco die Disziplinarmaßnahmen gegen Richter, heißt es in dem Bericht. Kritikern zufolge will die Regierung auf diese Weise Druck auf Richter ausüben, die politisch unerwünschte Urteile fällen oder Kritik an den umstrittenen Justizreformen äußern.
Unabhängigkeit der Justiz in Gefahr
Auch die Wahl der Mitglieder des Landesjustizrates sei nicht geändert worden. Zudem habe es keine wirkliche Überprüfung der neu geschaffenen Disziplinarkammer am Obersten Gericht gegeben. Das Oberste Gericht Polens hatte geurteilt, dass der Landesjustizrat und damit auch die Disziplinarkammer nicht ausreichend unabhängig von Parlament und Regierung seien.
Die Mitglieder der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts werden vom polnischen Präsidenten bestimmt. Der Landesjustizrat macht dem Präsidenten Vorschläge. Im Zuge der Justizreform wurde der Einfluss der Politik hier deutlich erhöht.
Die polnische Regierung habe keine Maßnahmen ergriffen, um die Einmischung der Regierung in die interne Organisation des Obersten Gerichts zu verringern und die Disziplinarmaßnahmen gegen Richter zu ändern, kritisierten die Experten. Deshalb seien Legislative und Exekutive in der Lage, „die Funktionsweise der Justiz auf kritische Weise zu beeinflussen und damit die Unabhängigkeit der Justiz in Polen erheblich zu schwächen“, erklärte der Europarat-Sprecher.
Die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hat, seitdem sie 2015 an die Regierung kam, eine Reihe von Justizreformgesetzen erlassen, die sowohl polnische Juristen als auch die Europäische Kommission kritisch sehen.(afp)
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