EuGH-Urteil zu Abgastests: Verkehrsministerien uneins über mögliche Auswirkungen für Diesel
In der Debatte um Teststandards der EU für Dieselfahrzeuge hat Österreichs Verkehrsministerium Befürchtungen hinsichtlich einer massenhaften Stilllegung alter Dieselfahrzeuge widersprochen. Gegenüber dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND) erklärte das von der Grünen-Politikerin Leonore Gewessler geführte Ministerium, diese Gefahr sehe man „aktuell als nicht gegeben“.
Der deutsche Bundesverkehrsminister Volker Wissing hatte die Möglichkeit einer Kettenreaktion ins Treffen geführt, sollte ein vor dem EuGH anhängiges Verfahren rund um sogenannte Thermofenster nicht zugunsten des Mercedes-Konzerns ausgehen.
Österreich beruhigt: Keine Stilllegung älterer Dieselfahrzeuge
Der Konzern hatte gegen geplante neue Vorgaben für die Abgasuntersuchung geklagt. Aktuell gelten die sogenannten NEFZ-Standards – jene des „Neuen Europäischen Fahrzyklus“. Dieser macht ein positives Ergebnis bei der Abgasuntersuchung von einem Durchschnittswert abhängig. Diesen muss ein Fahrzeug auf einer Teststrecke von elf Kilometern erzielen, die bestimmten Kriterien genügen muss.
Mittlerweile gelten in der EU jedoch die WLTP-Standards (Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure). Diese sehen vor, dass Abgastests im realen Verkehr abgehalten werden und in jedweder Verkehrslage bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten.
Die WLTP-Vorgaben sind auf Dieselfahrzeuge ab dem 6d-Standard abgestimmt. Allein in Deutschland sind derzeit aber noch 4,3 Millionen Euro-5- und 3,9 Millionen Euro-6-Dieselfahrzeuge zugelassen. Deren Betriebsgenehmigung erfolgte noch unter den NEFZ-Standards.
Bevorstehendes EuGH-Urteil: Thermofenster im Fokus der Abgasdebatte
Im Verfahren vor dem EuGH geht es um die sogenannten Thermofenster in Mercedes-Modellen. Diese steuern die Abgasreinigung und ihre Wirkung wird durch die Außentemperaturen beeinflusst. Sind diese niedriger, funktionieren sie vielfach nicht optimal. Dies könnte am Ende dazu führen, dass der EuGH die Zulässigkeit des Betriebs der betroffenen Fahrzeuge nach den geltenden Standards in Zweifel zieht.
Die EU-Kommission vertritt in dem Verfahren den Standpunkt, dass die neuen Vorgaben zur Abgasuntersuchung auch die Benchmark für Fahrzeuge der Normen Euro 5 und Euro 6 sein sollen. Vor allem dies hat für Irritationen gesorgt. Wissing geht davon aus, dass ein mögliches Urteil in diesem Sinne Präzedenzwirkung haben könnte.
Die EU, so der Minister, könnte unter Berufung auf das Urteil auch für andere ältere Modelle die Erfüllung der neuen Standards verlangen. Dies wäre jedoch illusorisch und deshalb könnte es zu Stilllegungen der bis zu acht Millionen Dieselfahrzeuge kommen, die heute noch auf deutschen Straßen unterwegs sind. Wissing befürchtet sogar, dass auch Benzinfahrzeuge betroffen sein könnten.
Risiko für Millionen Diesel- und Benzinfahrzeuge?
In Österreich hält man diese Befürchtungen, die Wissing auch in einem Brandbrief an die EU-Kommission artikuliert hatte, nicht für stichhaltig. In Wien sieht man insbesondere keine über den Einzelfall hinausreichende Wirkung des für November erwarteten Urteils. Es gehe lediglich um die Frage, ob der involvierte Anbieter selbst die für ihn einschlägigen Vorgaben eingehalten habe:
„Der EuGH prüft in einem konkreten Fall, ob die relevanten Vorschriften bei der Genehmigung eines einzelnen Fahrzeugtyps eingehalten wurden.“
Sollte dies nicht der Fall sein, sei es die Aufgabe von Mercedes, von sich aus Abhilfemaßnahmen vorzuschlagen. Man könne „selbstverständlich nicht einfach zusehen, wenn Hersteller Werbeversprechen und sogar gesetzliche Erfordernisse nicht erfüllen“. Allerdings habe das Urteil keine Präzedenzwirkung auf andere Fahrzeuge.
Deshalb wendet sich Österreichs Ministerium auch gegen ein gesetzgeberisches Eingreifen mit Blick auf das laufende Verfahren. Wissing hatte von der EU Maßnahmen gefordert, um den Vertrauensschutz zugunsten der Besitzer älterer Dieselfahrzeuge abzusichern.
EU-Kommission betont: Rückwirkende Änderungen ausgeschlossen
Die EU selbst hatte sich bei ersten Stellungnahmen kryptisch gezeigt. Später wurde man in Brüssel konkreter. Binnenmarktkommissar Thierry Breton betonte in einem Antwortbrief an Wissing, man habe „nicht die Absicht, rückwirkende Änderungen“ auf Kosten der Autofahrer vorzunehmen.
Bürger, die Autos in gutem Glauben gekauft hätten, würden in keiner Weise benachteiligt. Auch solle den Automobilherstellern kein zusätzlicher Verwaltungsaufwand aufgebürdet werden. Wissings Ausführungen in dessen Brief an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen seien „irreführend“, so Breton weiter.
Die Kommission stehe auf dem Standpunkt, dass die Pkw-Emissionsgrenzwerte „unter normalen Einsatzbedingungen“ eingehalten werden müssten – nicht in jeder Fahrsituation.
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