Blutfehde in Familie kann Anerkennung als Flüchtling begründen

Die Verwicklung der Familie in eine Blutfehde kann einem neuen Gutachten am Europäischen Gerichtshof (EuGH) zufolge ein Grund sein, einen Asylbewerber als Flüchtling anzuerkennen. Ein Urteil ist das aber noch nicht.
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Eine geflüchtete Familie am 05. Oktober 2023 in der Erstaufnahmeeinrichtung für Migranten und Flüchtlinge in Eisenhüttenstadt.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Epoch Times5. September 2024

Die Verwicklung der Familie in eine Blutfehde kann einem neuen Gutachten am Europäischen Gerichtshof (EuGH) zufolge ein Grund sein, einen Asylbewerber als Flüchtling anzuerkennen.

Je nach Lage im Herkunftsland könne die Zugehörigkeit zu dieser Familie ein Verfolgungsgrund sein, argumentierte der zuständige EuGH-Generalanwalt Richard de la Tour in seinen am Donnerstag vorgelegten Schlussanträgen. Ein Urteil ist das noch nicht. (Az. C‑217/23)

Um als Flüchtling anerkannt zu werden, muss jemand bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Flüchtling ist, wer im Herkunftsland Verfolgung wegen seiner sogenannten Rasse, Nationalität, politischen Überzeugung oder Religion befürchten muss – oder aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe.

Am EuGH ging es nun um die Frage, ob Mitglieder von in Blutfehden verwickelten Familien als Angehörige einer solchen sozialen Gruppe angesehen werden können.

Konkreter Fall: Asylantrag eines Afghanen in Österreich

Vorgelegt hatte die Frage der österreichische Verwaltungsgerichtshof, der über den Fall eines Afghanen entscheiden muss. Der Mann beantragte Asyl in Österreich und begründete das damit, dass ihm in Afghanistan Blutrache drohe. Sein Vater und ein Bruder seien bereits von Cousins getötet worden, die auch ihm nach dem Leben trachteten.

De la Tour erläuterte nun die Voraussetzungen für Flüchtlingsschutz auf Grundlage der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Dafür müsse unter anderem eine deutlich abgegrenzte Identität der Gruppe im Herkunftsland nachgewiesen werden – die Gesellschaft müsse sie also als andersartig betrachten.

Das österreichische Gericht zweifelte daran, dass das in dem vorliegenden Fall so ist. Die Blutfehde würde in der Heimatregion des Asylbewerbers traditionell gepflegt, um Streits beizulegen, argumentierte es. Das überzeugte den Generalanwalt aber nicht. Es müsse der Einzelfall betrachtet werden.

Termin für Urteil noch nicht bekannt

Er verwies darauf, dass sich das sogenannte Recht auf Rache von Generation zu Generation übertragen könne. Würde schon ein kleiner Junge verfolgt, nur weil er dieser Familie angehöre, sei das ebenso willkürlich wie eine Verfolgung aus Gründen von ethnischer Zugehörigkeit oder Religion.

Blutfehde könne bedeuten, dass die Familie sich abschotte, führte er aus. In den schlimmsten Fällen würden Jungen aus der Schule genommen. Manche Familien hätten kein Einkommen mehr, weil Hilfe für sie als Beleidigung der anderen Familie, mit der sie eine Blutfehde hätten, angesehen werde.

De la Tour wollte also nicht ausschließen, dass Mitglieder einer in eine Blutfehde verwickelten Familie auch dann von der Gesellschaft als andersartig angesehen werden, wenn die Blutrache dort noch weit verbreitet ist. Vor allem Männer könnten gezwungen sein, sich zu verstecken – entweder um Rache zu entgehen oder weil sie sich weigerten, selbst Rache auszuüben.

Ein Termin für das Urteil am EuGH wurde noch nicht veröffentlicht. Im konkreten Fall entscheidet nach dem EuGH-Urteil das österreichische Gericht, ist dabei aber an die Rechtsauffassung des EuGH gebunden. (afp/red)



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