EU will Kampf gegen illegale Einwanderung verschärfen

Die EU hat angekündigt, illegale Einreisen stärker zu bekämpfen: Der Druck auf unkooperative Herkunftsländer soll verstärkt, der Grenzschutz zwischen Bulgarien und der Türkei verbessert und Ausreisepflichtige schneller abgeschoben werden. Kanzler Scholz setzt weiter auf „Erwerbsmigration“.
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Die Außengrenze der EU in Richtung Türkei soll künftig besser gegen illegale Einwanderung geschützt werden.Foto: Screenshot Frontex/esri
Von 10. Februar 2023

„Wir werden handeln, um unsere Außengrenzen zu stärken und irreguläre Migration zu verhindern.“ EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) gab sich nach den nächtlichen Beratungen auf dem Migrationssondergipfel in Brüssel zuversichtlich, einen guten Kompromiss für eine künftige gemeinsame Asyl- und Einwanderungspolitik gefunden zu haben.

Manches soll offenbar verschärft werden: Mehr Grenzschutz, einfachere Abschiebungen unberechtigt Eingereister und mehr Druck auf unkooperative Herkunftsländer – so lauten die wichtigsten Eckpunkte der Gipfelabschlusserklärung am Morgen des 10. Februar. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lobte die „pragmatischen, guten, gemeinsamen Lösungen“. Andererseits müsse es weiter „Erwerbsmigration“ geben, weil die EU großen Bedarf an Fachkräften aus dem nicht-europäischen Ausland habe, so der deutsche Regierungschef.

Infrastruktur und Bürokratie

Um die illegale Zuwanderung zu stoppen, sollen nach Äußerungen von der Leyens „unverzüglich“ zwei „Pilotprojekte“ auf den Weg gebracht werden:

  • Zur Sicherung und Verbesserung der bulgarisch-türkischen EU-Grenzschutzanlagen sollen mehr Fahrzeuge, Kameras, Straßen und Wachtürme angeschafft werden. Es handele sich um „Infrastruktur […], ohne die kein Grenzzaun funktioniert“, erklärte Kommissionspräsidentin von der Leyen nach Angaben der „Tagesschau“. Die Kosten dafür sollen aus dem bulgarischen Haushalt, aus dem EU-Haushalt und aus Mitteln des EU-Solidaritätsmechanismus finanziert werden. Wer letztlich wie viel beisteuern soll, bleibt bis auf Weiteres offen.
  • Einwanderungswillige sollen besser registriert, einem beschleunigten Asylverfahren zugeführt und im Fall einer Ablehnung schneller an die EU-Außengrenze gebracht werden, um die Asylsysteme der EU-Staaten zu entlasten. Einzelheiten über das Wie und Wo sind ebenfalls noch unklar.

Mehr Druck auf Herkunftsländer, mehr EU-interne Zusammenarbeit

Auf breite Zustimmung traf der bereits vor einigen Tagen von Schweden eingebrachte Vorschlag, den politischen Druck auf Staaten zu erhöhen, die ihre ausreisepflichtigen Staatsbürger nicht wieder aufnehmen wollten, obwohl dies völkerrechtlich vorgeschrieben sei. Als Druckmittel sollen Visaregelungen, Handelsbeziehungen und Entwicklungshilfe dienen, die je nach Kooperationsbereitschaft geändert werden könnten.

Bundeskanzler Scholz gab nach Informationen von „n-tv.de“ an, mit einem entsprechenden Abkommen mit Indien bereits gute Erfahrungen gemacht zu haben. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte derartige Sanktionsoptionen zuletzt klar abgelehnt.

Die 27 EU-Staaten einigten sich außerdem darauf, abgelehnte Asylanträge gegenseitig anzuerkennen, um Abschiebungen beschleunigen zu können. Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni bezeichnete diese Entscheidung laut „Tagesschau“ als einen „Schritt in die richtige Richtung“.

Neue Zäune vom Tisch

Auf den Neubau von Zaunanlagen entlang der EU-Außengrenze, für die der österreichische Regierungschef Karl Nehammer noch kurz vor dem Gipfel zwei Milliarden Euro gefordert hatte, konnten sich die Gipfelteilnehmer allerdings nicht einigen: Die EU-Kommission, Deutschland und Luxemburg sprachen sich klar dagegen aus. Luxemburgs Regierungschef Xavier Bettel bezeichnete es als „eine Schande, wenn eine Mauer in Europa gebaut würde mit den europäischen Sternen drauf“.

Nehammer begrüßte die Beschlüsse trotzdem als „ein klares Signal“ und als einen „neuen Schwerpunkt“ in der Migrationspolitik. Dieser müsse nun „weiterentwickelt“ werden: „Den Worten müssen Taten folgen.“ Kurz vor dem Gipfel hatte Nehammer nach Informationen des ORF angekündigt, die Abschlusserklärung nicht mittragen zu wollen, falls „konkrete Schritte“ ausbleiben sollten.

Die „Schlussfolgerungen des Europäischen Rates“, so der offizielle Name der Abschlusserklärung des EU-Sondergipfels, sind en détail auf den Seiten der Europäischen Union zu finden (PDF).

Aufnahmequoten kein Thema mehr

Der in den vergangenen Jahren immer wieder geführte Streit um verpflichtende Aufnahmequoten spielte beim Gipfel diesmal keine Rolle. Die Frage wurde wohl auch wegen des andauernden Widerstands von Ungarn, Polen und Österreich vorerst ad acta gelegt. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron beschrieb die Stimmung als „sehr viel ruhiger“ als etwa beim EU-Migrationsgipfel des Jahres 2018.

In Berlin soll es am Donnerstag, 16. Februar, mit einem „Flüchtlingsgipfel“ der Spitzen aus Bund und Ländern weitergehen. Dabei soll erörtert werden, wie die Kommunen in Sachen Migration entlastet werden können.

Nach Informationen von „n-tv.de“ vertreten 51 Prozent der Befragten einer Insa-Umfrage, die die „Bild am Sonntag“ in Auftrag gegeben hatte, die Meinung, dass Deutschland eher zu viele Geflüchtete aufgenommen habe. Elf Prozent hätten angegeben, dass die Bundesrepublik noch mehr Menschen Platz bieten solle. 33 Prozent hielten die aktuelle Anzahl für „angemessen“.

Statistik

Die Zahl der Asylanträge war 2022 EU-weit im Vergleich zum Vorjahr um 46,5 Prozent gestiegen. Nach einem aktuellen „Situationsbericht zur Migration und Flüchtlingslage“ der EU-Kommission hatten 923.991 Menschen einen Antrag gestellt. Mit 226.467 Fällen hatte Deutschland rund 24,5 Prozent davon zu bearbeiten – der mit Abstand höchste Anteil vor Frankreich (154.597), Spanien (116.952) und Österreich (108.490). Ungarn (46), die Slowakei (544) und Lettland (622) nahmen am wenigsten fremde Menschen auf.

Dazu kamen 2022 noch rund vier Millionen Schutzsuchende aus der Ukraine in der EU an. Auch von ihnen wählte rund ein Viertel Deutschland als Zielland aus. Ukrainer müssen auf Basis einer EU-Richtlinie wegen des Krieges keinen Asylantrag stellen, um ihr Recht auf Aufenthalt und Versorgung geltend zu machen. Bis zum Februar 2023 suchten nach Angaben des Statistischen Bundesamts 18,4 von rund 40 Millionen Ukrainern ihr Heil außerhalb ihres Heimatlandes.

Nach Angaben des Europäischen Parlaments steht Deutschland weltweit in der Spitzengruppe der Länder, die die meisten Geflüchteten beherbergen – nach der Türkei, Kolumbien, Pakistan und Uganda.

Die Grenzschutzagentur Frontex hatte 2022 rund 330.000 irreguläre Ankünfte in der EU registriert. Zuletzt hatte es 2016 eine vergleichbar hohe Zahl gegeben. Aktuelle Daten zur Aufdeckung illegaler Grenzübertritte in die EU gibt es auf der Website von Frontex.

[Mit Informationen aus Agenturen]



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