EU streitet über Aussetzung der Beitrittsgespräche mit der Türkei
Kurz vor dem Treffen der EU-Außenminister am Montag in Brüssel ist in der EU ein offener Streit über die Frage der Fortsetzung der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ausgebrochen: EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will den Gesprächskanal zur Türkei offenhalten – und stellt sich damit gegen den Beschluss des Europaparlaments, die Verhandlungen vorübergehend auf Eis zu legen.
Er wisse nicht, „wodurch sich Erdogan und seine Schergen gegenwärtig für eine Wiederaufnahme der Beitrittsverhandlungen empfohlen haben“, sagte Grünen-Chef Cem Özdemir der „Welt“ (Montagsausgabe). „Die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei liegen gegenwärtig auf Eis und genau da sollte man sie auch belassen“, sagte Özdemir weiter.
Umgekehrt solle man die Tür für künftige Verhandlungen auch nicht ganz zuschlagen, damit klar wird, „dass sich unsere Kritik gegen das demokratiefeindliche Erdogan-Regime richtet und nicht gegen das Land und seine Menschen“.
Der Vizepräsident des Europaparlamants, Alexander Graf Lambsdorff (FDP) verteidigte den Beschluss der Parlamentarier ebenfalls. Es gehe dem EU-Parlament nicht darum, die Brücken mit der Türkei abzubrechen. „Im Gegenteil: Der Abschied vom gescheiterten Beitrittsprozess macht sinnvollen Dialog erst wieder möglich“, sagte Lambsdorff der Zeitung. Juncker hatte in der „Welt am Sonntag“ gesagt, dass er es nicht für richtig halte, die Beitrittsgespräche mit der Türkei einzufrieren.
„Es lohnt sich vor allem wegen der Menschen, mit dem Land im Gespräch zu bleiben. Wir sollten daran arbeiten, dass sich die Türkei wieder auf die Europäische Union zubewegt und sich nicht mit Riesenschritten noch weiter entfernt.“
Am Montag und Dienstag kommen in Brüssel die EU-Außenminister zusammen. Ein Entwurf für einen Beschluss zur EU-Erweiterung sieht vor, dass nicht nur die Gespräche mit den Westbalkanstaaten, sondern auch jene mit der Türkei fortgesetzt werden sollen. Elmar Brok (CDU), der Chef des Auswärtigen Ausschusses des Europaparlaments, sprach sich hingegen für ein vorübergehendes Aussetzen der Gespräche aus.
„Ich halte nichts davon, die Verhandlungen abzubrechen. Aber während des Notstands in der Türkei Verhandlungen zu führen, halte ich nicht für klug. Das kann doch nicht zu den notwendigen Fortschritten führen.“
Wenn die Türkei wieder bereit sei, wichtige demokratische Prinzipien wie Meinungsfreiheit und eine unabhängige Justiz durchzusetzen, sei es „völlig klar“, dass die Verhandlungen weiter geführt werden sollten. „Es ist wichtig, dass wir Verbindung zur Türkei halten, um auf die Entwicklungen in dem Land Einfluss zu nehmen.
Andererseits ist die Türkei aus geopolitischer Sicht auch wichtig für die EU.“ Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Niels Annen, warnte hingegen vor einem Abbruch der Gespräche. „Natürlich ist die Türkei in der gegenwärtigen Verfassung nicht beitrittsfähig. Präsident Erdogan trägt für diese Entwicklung die Verantwortung“, sagte Annen der Zeitung. „Wir sollten ihm durch voreilige Beschlüsse nicht die Möglichkeit geben, diese Verantwortung auf Brüssel abzuschieben.“
Sollte sich die Türkei in der Zukunft wieder in Richtung Europa bewegen, müssten die Türen dafür auch offen stehen. Auch Michael Stübgen (CDU), der europapolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, sprach sich für eine Fortsetzung des Dialogs mit Ankara aus.
„Symbolpolitik bringt selten etwas – und in diesem Fall würde Symbolpolitik mehr Schaden anrichten als Nutzen stiften“, sagte Stübgen der Zeitung. Faktisch sei es ohnehin eindeutig, dass neue Kapitel unter den jetzigen Bedingungen nicht eröffnet werden könnten. “
Aber was die Beitrittsperspektive angeht, haben wir es mit einem historischen Prozess zu tun. Der geht auch weiter über die Amtszeit von Herrn Erdogan hinaus.“ Er teile Junckers Einstellung deshalb eindeutig, sagte Stübgen: „Wenn wir uns jetzt für ein Aussetzen der Verhandlungen aussprechen, würde das ein Schwarze-Peter-Spiel befeuern, das niemandem etwas bringt.“ (dts)
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