EU-Parlament untersucht Vorwürfe gegen Rechnungshofpräsident Lehne

Eine französische Zeitung erhebt nach monatelangen Recherchen Vorwürfe gegen den Präsidenten des Europäischen Rechnungshofes Klaus-Heiner Lehne. Der zuständige Kontrollausschuss des EU-Parlaments untersucht den Fall. Lehne dementiert.
Titelbild
Der Präsident des Europäischen Rates Charles Michel (L) begrüßt den Präsidenten des Europäischen Rechnungshofs (ERH) Klaus-Heiner Lehne vor einem Treffen in Brüssel am 17. Januar 2020.Foto: Olivier Hoslet/POOL/AFP via Getty Images
Von 4. Dezember 2021

Es geht im Fall von Klaus-Heiner Lehne, Präsident des Europäischen Rechnungshofes (EuRH), um „Wohnprämien für Scheinwohnungen in Luxemburg, Missbrauch von Spesenabrechnungen, ungeprüfte Dienstreisen“, schrieb die französische Tageszeitung „Libération“ am 26. November in einem Investigativ-Bericht. Der Zeitungsartikel brachte eine Untersuchung ins Rollen. Rund zehn Mitglieder der Kontrollinstanz sollen betroffen sein, angefangen von ihrem Präsidenten.

EU-Parlament untersucht Vorwürfe

Am Dienstag forderte in Brüssel der Haushaltskontrollausschuss des EU-Parlaments in einer Anhörung Rede und Antwort von Lehne. Der deutsche EuRH-Präsident wies alle Vorwürfe vehement zurück. Lehne hatte betont, dass in seiner Institution alles den Regeln entsprechend erfolgt sei. Alles sei intern geprüft und korrekt. Die Vorwürfe seien nur der Versuch einer Skandalisierung. Sie beruhten „im Wesentlichen auf unbewiesenen und unwahren Behauptungen“. Nach AFP-Angaben habe Lehne im Parlamentsausschuss angegeben, dass die meisten in dem Artikel aufgestellten Behauptungen falsch seien.

Lehne wird vorgeworfen, in Luxemburg eine fiktive Adresse zu haben.  Daher gebe es keine Rechtfertigung für die Wohnsitzzulage von bis zu 3.600 Euro im Monat, die Lehne erhalte, so der Vorwurf. Lehne soll nach Angaben des Nachrichtenportals „euractiv“  die Wohnung mit Mitarbeitern seines Kabinetts teilen. Es sei aber nur eine „Fassadenadresse“ und das könne nur als Betrug am EU-Haushalt bezeichnet werden.

Lehne dazu: „Es ist meine Privatangelegenheit, wo und mit wem ich in Luxemburg wohne.“ Laut dem österreichischen „Standard“ handle es sich nach Lehnes Aussagen um eine 160-Quadratmeter-Wohnung „mit zwei Bädern“. Er habe zwei Zimmer „untervermietet“, wofür es auch Verträge gebe. Lehne zufolge sei es regelkonform, dass er dennoch 15 Prozent seines Gehalts von 24.000 Euro pro Monat als Wohnbeihilfe bekomme. Alle Mitglieder des Rechnungshofes würden diese Wohnbeihilfen erhalten, wenn sie tatsächlich einen Wohnsitz haben, schreibt AFP.

Zu einem weiteren beanstandeten Punkt sagte Lehne, dass es „nicht optimal“ sei, dass Rechnungshof-Mitglieder „Dienstwagen der Oberklasse“ für nur acht Cent pro Kilometer nutzen dürften. Man werde diese Regelung wieder ändern. Sie sei von ihm selbst eingeführt worden und beinhalte einen Selbstbehalt von nur 100 Euro im Monat. Den Vorwurf, dass er und andere Rechnungshof-Mitglieder kaum in Luxemburg anwesend seien, wies Lehne mit aller Vehemenz zurück, so der „Standard“, der darauf verweist, dass es jedoch kein Register dazu gebe.

Weitere Sitzung am 7. Dezember

Offenbar haben seine Argumente rund die Hälfte der Abgeordneten nicht ausreichend überzeugt. Während die Grünen, die Liberalen und die Sozialdemokraten weitere Fragen dazu einreichten, die nun geprüft werden müssen, fanden laut AFP die Abgeordneten der Europäischen Volkspartei (EVP) und ihre Vorsitzende Monika Hohlmeier (CSU) es glaubwürdig. Das sei nicht überraschend, schreibt der „Standard“. Lehne sei bis 2014 selbst EU-Abgeordneter in der EVP gewesen.

Der belgische Abgeordnete Olivier Chastel äußerte sich angesichts der Wohngemeinschaft des Rechnungshof-Präsidenten. „Ich habe Zweifel, wenn ich die vom Rechnungshof vorgelegten Dokumente lese“. Die Abgeordnete Isabel García Muñoz (Spanien) kommentierte den Fall, dass der Rechnungshof zwar der Hüter der EU-Finanzen sei, fragte aber: „Wer überwacht den Wächter, wer prüft, ob es einen Interessenkonflikt gibt?“ Der Abgeordnete Petri Sarvamaa (Finnland) regte an: „Diese Zweifel müssen ausgeräumt werden.“ Er sprach sich für eine unabhängige Untersuchung aus.

Im Fall Lehne und dem Rechnungshof soll es am 7. Dezember eine weitere Sitzung geben.

Klagen oder nicht klagen?

Für Lehne stellt sich nun die Frage: Klagen oder nicht klagen? Er bestätigte jedenfalls, zu prüfen, den Fall vor Gericht zu bringen. „Wir sind dabei zu entscheiden, ob dies sinnvoll ist oder nicht.“ Er bedauerte jedoch, dass der Text so formuliert sei, dass es ihm schwerfalle, eine Verleumdung zu beweisen.

Der französische Abgeordnete Pierre Karleskind (Marche) von der zentristischen Fraktion Renew Europe schlug Lehne vor, die Zeitschrift wegen Verleumdung zu verklagen, wenn die Behauptungen falsch seien. Doch er warnte zugleich: „Aber seien Sie sich Ihrer Sache sicher. Der Journalist, der den Artikel veröffentlicht hat, hat den Sturz der Santer-Kommission herbeigeführt und Martin Selmayr ins Exil getrieben.“

Jean Quatremer von der „Libération“ versicherte am Dienstag auf Twitter, dass er „Dokumente“ habe, die er „bei Bedarf vorlegen“ könne.

Das „finanzielle Gewissen der Union“

Nach Angaben des Autors, Jean Quatremer, sollte der Rechnungshof eigentlich das „finanzielle Gewissen der Union“ sein, verantwortlich für die „ordnungsgemäße Verwendung der europäischen Gelder, die Zuverlässigkeit der Rechnungsführung sowie die Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Einnahmen und Ausgaben“.

Der Jahresbericht des Europäischen Rechnungshofes lasse die Gemeinschaftsinstitutionen erzittern, betont Quatremer die Macht und Wichtigkeit dieser EU-Institution.

Der Europakorrespondent der Zeitung fragt jedoch angesichts der sich anbahnenden Affäre: „Wer kontrolliert den Controller?“ – und antwortete gleich selbst: „In der Union niemand, was Betrügereien am EU-Haushalt sogar innerhalb des renommierten Europäischen Rechnungshofs (ERH) mit Sitz in Luxemburg ermöglichte.“



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