EU-Kommission vor Gericht wegen Pfizer-Impfstoff-Deal

Ursula von der Leyen hat mit viel persönlichem Einsatz den Milliardendeal mit Impfstoff-Hersteller Pfizer vorangetrieben – jetzt steht ihre Kommission vor Gericht wegen Verletzung des EU-Transparenzgesetzes. Es soll geklärt werden, ob die mit Pfizer-Chef Bourla ausgetauschten SMS offengelegt werden müssen.
Titelbild
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Attila Kisbenedek/afp via Getty Images
Von 15. November 2024

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Hinweis: Dieser Artikel wurde ursprünglich am 21. Juli 2023 unter dem Titel „EU-Parlament stimmt gegen Veröffentlichung der Pfizer-SMS“ publiziert und am 15. November 2024 aktualisiert.

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Im Mai 2021 schloss die EU-Kommission das größte Geschäft der Pharmageschichte ab. Die Rede ist von 35 Milliarden Euro. So viel soll die Bestellung wert sein, die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Anfang 2021 – quasi im Alleingang – bei Pfizer auslöste. Den Deal soll sie via SMS mit Pfizer-Chef Albert Bourla unter vier Augen vereinbart haben. Hat sie damit ihre Kompetenzen als Kommissionspräsidentin überschritten und gegen die Verfahrensregeln verstoßen, an die EU-Beamten gebunden sind?

Mengenrabatt andersherum: Preiserhöhung beim Megadeal

Der Vertrag mit Pfizer war der größte Kaufvertrag der EU, der jemals mit einem Einzelhersteller abgeschlossen wurde. Nach zwei ersten Verträgen mit Pfizer/Biontech vom November 2020 und Februar 2021 über den Kauf von insgesamt 600 Millionen Dosen gab die EU-Kommission im Mai 2021 eine zweite Order über weitere 900 Millionen Dosen. Dazu gab es eine Option über eine weitere Verdoppelung, also nochmals 900 Millionen Dosen. Bei diesem dritten Deal wurde der Preis pro Dosis um 25 Prozent erhöht, von 15,50 Euro auf 19,50 Euro.

Hinter verschlossenen Türen: Pfizer-CEO Bourla schweigt

Wie genau dieser Deal eingetütet worden ist, ist unklar. Ursula von der Leyen trotzt allen Forderungen, die SMS, die sie mit Bourla dafür ausgetauscht haben soll, offenzulegen. Auch Bourla verweigert sich jeglicher Offenlegung, zweimal wurde er zur Anhörung nach Brüssel vorgeladen und ist nicht erschienen.

Einmal, im Oktober 2020, schickte er als Vertretung Janine Small, „Pfizer president of international developed markets“, die vor dem Europäischen Parlament dann zugab, dass der Impfstoff vor seiner Freigabe nie auf seine Fähigkeit getestet wurde, die Übertragung von Covid zu verhindern. Damit wurde eine weitere Dimension des Impfstoff-Skandals deutlich.

Akt vorsätzlicher politischer Behinderung

Nicht nur das Zustandekommen, auch die Inhalte der Verträge mit dem Pharmariesen, in denen unter anderem eine Freistellung Pfizers von der Herstellerhaftung festgeschrieben sein soll, werden geheim gehalten.

Martin Sonneborn, Satiriker und für „Die Partei“ im EU-Parlament, bemängelt, dass die Kommission nicht in der Lage gewesen sei, dem Europäischen Rechnungshof irgendwelche internen Unterlagen vorzulegen, keine Verhandlungsprotokolle, keine Vertragsentwürfe, „nicht einmal das Europäische Parlament und sein Sonderausschuss haben etwas anderes erhalten als so stark geschwärzte Fassungen, dass sie nicht mehr zu erkennen sind“. Mit der Weigerung, die mit Bourla ausgetauschten SMS zu zeigen, widersetze sich von der Leyen „nicht nur den rechtmäßigen Auskunftsersuchen von Journalisten und Abgeordneten des Europäischen Parlaments, sondern auch den Anfragen des Europäischen Bürgerbeauftragten und sogar den ziemlich eindringlichen Forderungen des Europäischen Rechnungshofs“.

Institutionelle Intransparenz: Klagen anhängig

Die EU-Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly redet zwei Jahre nach Abschluss der Verträge von „einem Akt der vorsätzlichen politischen Behinderung“. Auch der Umgang von der Leyens mit den zahlreichen anhängigen Beschwerden und Klagen sei befremdlich.

Gegen Ursula von der Leyen (CDU) ist vor einem belgischen Strafgericht von EU-China-Lobbyist Frédéric Baldan Klage eingereicht worden – wegen „Amtsanmaßung und Titelmissbrauch“ sowie „illegaler Interessenvertretung“. Es sei ihr in ihrer Funktion nicht erlaubt gewesen, den Milliarden-Deal per SMS-Nachrichten einzufädeln.

Auch die „New York Times hat die EU-Kommission verklagt“ und will sich vor dem höchsten Gericht der EU darüber auseinandersetzen, dass die Kommission rechtlich verpflichtet ist, die Nachrichten freizugeben, die Informationen über den Milliarden-Kauf von mRNA-Dosen durch die EU enthalten könnten. Der Fall wird seit Freitag, den 15. November 2024 vor dem Europäischen Gerichtshof verhandelt, teilte Journalist Alexander Fanta auf X mit.

Nachdem Fanta zusammen mit Emily O’Reilly die Herausgabe der SMS nicht erwirken konnte, hatte er die „New York Times“ eingeschaltet. Gegenüber dem „Stern“ teilte der Journalist mit: „Es geht auch darum, was die Europäische Kommission als Dokument wertet und was nicht.“

SMS, Chatnachrichten oder Videokonferenzen fielen aktuell nicht darunter und obliegen somit keiner Transparenz- oder Aufbewahrungspflicht.

Auch der Folgedeal intransparent

Martin Sonneborn wies darauf hin, dass auch ein Folgedeal mit Pfizer wieder hinter verschlossenen Türen verhandelt wurde. Laut dem EU-Politiker ging es um eine „Anpassung“ des dritten Leyen/Pfizer-Vertrages, in dem sich die Kommission verbindlich verpflichtet hat, 900 Millionen Dosen bis Ende 2023 zu kaufen. Etwa 400 Millionen seien bis Mitte 2023 geliefert worden, die restlichen 500 Millionen sollten bis Ende letzten Jahres von den EU-Mitgliedstaaten erworben werden.

Pfizer bestehe auf die Einhaltung des Vertrages. Dieser hat ein Volumen von zehn Milliarden Euro. Laut „Financial Times“ geht aus dem Vertrag hervor, dass Pfizer bereit sei, die ursprünglich bestellten, aber nicht abgenommenen Einheiten gegen eine „Stornogebühr“ von 10 Euro pro Einheit zu stornieren. Was in Summe 2,2 Milliarden Euro für nichts, sprich Stornogebühr, ausmache. Wobei für Pfizer dann noch die geschätzten 70 Cent Herstellungskosten pro Impfdosis entfielen.

Zudem ist eine Vertragsverlängerung über 2023 hinaus und eine Preiserhöhung pro Dosis im neuen Vertrag mit Pfizer vorgesehen.

„Den EU-Bürgern gegenüber rechenschaftspflichtig“

Der Satiriker und Poltiker Sonneborn, der seit 2014 im EU-Parlament sitzt, fasst das zu Erwartende so zusammen: „Die Kommission schlägt vor, auf 220 Millionen Pfizer-Dosen zu verzichten, die sie ursprünglich bestellt hatte, was eine Stornogebühr von 2,2 Milliarden Euro bedeutet, und im Gegenzug eine neue Bestellung von 280 Millionen Stück aufzugeben, die als Ergebnis der Neuverhandlungen getarnt sind, was Kosten zwischen 5,6 und 28 Milliarden Euro verursacht.“

Kurzes Resümee von Sonneborn: „Auf diese Weise ersetzt die Kommission eine Verpflichtung zur Zahlung von (fast genau) 10 Milliarden Euro an Pfizer durch eine Verpflichtung zur Zahlung von (mindestens) 10 Milliarden Euro an Pfizer. Ein interessanter Taschenspielertrick.“

Sonneborn erinnert daran, dass die EU-Kommission und von der Leyen hohe Beamte sind und als solche den EU-Bürgern rechenschaftspflichtig, „egal hinter welcher Geheimtür im Kalender sich ihre Vertragsänderungen verbergen“.

Abstimmung im Parlament: Geheim-SMS dürfen unter Tisch fallen

Nicht nur die mit Pfizer getroffenen Verträge sollen weiterhin unter Verschluss bleiben, auch die SMS, die wahrscheinlich zu dem Megadeal geführt haben, werden nicht mit der Öffentlichkeit geteilt. Das EU-Parlament hat am 12. Juli 2023 gegen die Offenlegung der SMS gestimmt.

„Tichys Einblick“ schreibt von einem „sich selbst kastriertem Parlament“ und vom „Tiefpunkt einer EU-Intransparenz“. In der Abstimmung haben 55 Prozent der Abgeordneten dagegen gestimmt, dass von der Leyen die mit Bourla ausgetauschten SMS veröffentlichen muss. Die Europäischen Parteibündnisse EVP (Christdemokraten), das sozialdemokratische Bündnis S&D und das liberale Bündnis „Renew“ votierten beinahe geschlossen gegen den Antrag.

Unter den deutschen Vertretern stimmten die Unionsabgeordneten geschlossen und die SPD- und FDP-Abgeordneten zum größten Teil gegen die Offenlegung der Leyen-Bourla-Nachrichten. Grüne, AfD und die Linkspartei, auch Piraten und auch Martin Sonneborn („Die Partei“) stimmten für den kritischen Antrag. Der Abgeordnete der deutschen Piraten, Patrick Breyer, beklagte „mangelnde Transparenz“ und dass die Mehrheit im Parlament die Undurchsichtigkeit an der Spitze der Kommission unterstützen würde. Unter EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen habe, so Sonneborn, die Tendenz der EU-Institutionen und der Beamten, sich der Rechenschaftspflicht zu entziehen, in alarmierendem Maße zugenommen, „indem sie sich hinter einem Bollwerk der Undurchsichtigkeit verschanzen und die Demokratie völlig verachten“.

„Bollwerk der Undurchsichtigkeit“: Parlament steht hinter Ursula von der Leyen

Während Einzelpersonen und Medien wie die „New York Times“ klagen, haben sich die größten Fraktionen im EU-Parlament hinter die EU-Kommission und deren intransparente Entscheidungen gestellt.

Für von der Leyen gilt die Unschuldsvermutung. Sollte es allerdings zu einem dienstrechtlichen Vergehen kommen, würde ihr Rücktritt unausweichlich sein. Schon jetzt könnte das EU-Parlament einen Misstrauensantrag stellen und von der Leyen ihres Amtes entheben.

Das Parlament könnte auch der neuen EU-Kommission den Antritt verweigern. So urteilt Fabio De Masi, neuer EU-Abgeordneter des Bündnis Sahra Wagenknecht in der „Berliner Zeitung“:

Wenn das Parlament einen Funken Selbstachtung hätte, würde es daher die Bestätigung der EU Kommissare verweigern, bis die Kommission europäisches Recht respektiert.“

Einen ähnlichen Fall gab es schon einmal: Am 15. März 2010 musste die EU-Kommission unter Jacques Santer nach Vorlage des Abschlussberichtes einer Untersuchungskommission zurücktreten. Der Vorwurf seinerzeit: Vetternwirtschaft und Korruption.



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