EU oder nicht EU? Viele Augen schauen auf Moldau

In der Präsidentschaftswahl der Republik Moldau zeichnet sich noch kein Sieger ab – die pro-europäische Staatschefin Maia Sandu verknüpfte die Wahl mit einem Referendum über einen EU-Beitritt. Allerdings ist der Kandidat der russlandfreundlichen Sozialisten erfolgreicher als erwartet.
Die Präsidentschaftswahl in Moldau wird in einer Stichwahl münden.
Die Präsidentschaftswahl in Moldau wird in einer Stichwahl münden.Foto: Vadim Ghirda/AP
Epoch Times21. Oktober 2024

Im Referendum über einen EU-Beitritt Moldaus zeichnet sich ein äußerst knapper Ausgang ab. Nach Auszählung von 98 Prozent der Stimmen hatten die Ja-Stimmen eine knappe Führung von 50,03 Prozent, wie die Wahlkommission am Montag mitteilte.

Zunächst hatten während der Auszählung die Nein-Stimmen überwogen. Die pro-europäische Staatschefin Maia Sandu hatte einen „beispiellosen Angriff auf die Freiheit und Demokratie in unserem Land“ dafür verantwortlich gemacht.

Sandu sagte vor Reportern in Chisinau, „kriminelle Gruppen, die mit ausländischen Kräften zusammenarbeiten“ versuchten, „den demokratischen Prozess zu untergraben“. Die Gruppen hätten Moldau mit „Millionen Euro, mit Lügen und Propaganda angegriffen“, um „Unsicherheit und Instabilität“ zu erzeugen, sagte Sandu.

Stichwahl um Präsidentschaft

Bei der zeitgleich stattfindenden Präsidentschaftswahl lag Sandu Teilergebnissen zufolge mit 38 Prozent vorn. Der Kandidat der russlandfreundlichen Sozialisten, Alexandr Stoianoglo, war jedoch mit knapp 29 Prozent der Stimmen erfolgreicher als erwartet. Gegen ihn tritt Sandu voraussichtlich am 3. November in einer Stichwahl an.

Nach Einschätzung des moldauischen Politikinstituts WatchDog hat Moskau allein in diesem Jahr mehr als 100 Millionen Dollar (92 Millionen Euro) für Einmischungen in die moldauische Politik ausgegeben.

Die Menschen in Moldau konnten nicht nur über das Präsidentenamt abstimmen, sondern auch über die Verankerung des EU-Kurses in der Verfassung.

Die Menschen in Moldau konnten nicht nur über das Präsidentenamt abstimmen, sondern auch über die Verankerung des EU-Kurses in der Verfassung. Foto: Cristian Cristel/XinHua/dpa

Anfang dieses Monats hatte die moldauische Polizei einen groß angelegten Wahlbetrug aufgedeckt, bei dem mehr als 100.000 Menschen bestochen worden sein sollen, um im Sinne Moskaus abzustimmen. Es gebe Beweise, dass 300.000 Stimmen gekauft worden seien, sagte Sandu bei einem nächtlichen Auftritt in der Hauptstadt. Details nannte die 52-Jährige nicht. Im Land leben rund 2,5 Millionen Einwohner.

Der Kreml wies alle Vorwürfe „kategorisch“ zurück. Moldau liegt zwischen Rumänien und der Ukraine und wurde früher Moldawien genannt. Dieser Name wird nicht mehr offiziell verwendet.

Russland wirft EU Einflussnahme vor

Als einflussreicher Akteur in der moldauischen Politik gilt neben Russland der ins Ausland geflüchtete moskautreue Oligarch Ilan Shor, der in seiner Heimat wegen Geldwäsche und Betrug in Abwesenheit zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde und zur Fahndung ausgeschrieben ist. Russischen Staatsmedien zufolge warf Shor seiner Rivalin Sandu vor, bei der Wahl gescheitert zu sein – Moldau brauche die EU nicht.

Russland wirft der Europäischen Union vor, mit Milliardenversprechen Einfluss auf die Abstimmung genommen zu haben.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte bei einem Besuch in Chisinau und einem Treffen mit Sandu kurz vor der Abstimmung 1,8 Milliarden Euro an Fördergeld in Aussicht gestellt. Die Finanzspritze soll vor allem das Wachstum ankurbeln, Arbeitsplätze schaffen sowie Dienstleistungen und Infrastruktur verbessern.

Referendum: Verfassung für EU-Beitritt ändern?

Bei dem Referendum wurde gefragt, ob die Verfassung geändert werden soll, um den EU-Beitritt als Ziel aufzunehmen.

An dem Referendum nahmen den Angaben zufolge fast 50 Prozent der Wahlberechtigten teil, womit das Quorum für die Gültigkeit deutlich überschritten wurde. Bei der Präsidentenwahl lag die Beteiligung laut Wahlkommission bei 51,6 Prozent.

Sandu ist seit 2020 in der ehemaligen Sowjetrepublik im Amt, viele sind mit ihrer Politik unzufrieden. Weil sie einen Verzicht auf russisches Gas durchsetzte, stiegen die Energiepreise, was viele Verbraucher ärgert.

Die frühere Ökonomin der Weltbank hatte die Beziehungen zu Russland abgebrochen und 2022 den Beitritt zur EU beantragt. Seit Juni laufen die offiziellen Beitrittsgespräche zwischen Brüssel und Chisinau.

Um Reformen umzusetzen, ist Sandu auf eine Mehrheit im Parlament angewiesen, die sie derzeit noch hat. Der politische Machtkampf in Moldau könnte seinen Höhepunkt bei der Parlamentswahl im kommenden Sommer erreichen.

Ein „Ja“ an die EU wäre ein deutliches Signal gewesen

Florent Parmentier, Politikwissenschaftler an der Pariser Elite-Hochschule Sciences Po, bezeichnete das Ergebnis des EU-Referendums als „Überraschung“. Selbst wenn es sich nach Auszählung aller Stimmen noch wenden sollte, „schwächt es das pro-europäische Image der Bevölkerung und der Führung von Maia Sandu“, erklärte Parmentier.

Das Ergebnis werde keinen Einfluss auf die Beitrittsverhandlungen mit der EU haben, meinte der Experte. Allerdings wäre ein klares Ja „ein deutlich positives Signal an Brüssel“ gewesen.

Parmentier fügte hinzu, dass die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl für Sandu „nichts Gutes für die zweite Runde verheißen“. Viele Wähler, die am Sonntag einen der neun anderen Kandidaten unterstützt hatten, könnten in der Stichwahl eher für Stoiagnolu als für Sandu stimmen. (afp/dpa/red)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion