EU kündigt in Kiew 10. Sanktionspaket gegen Russland an
Bei einem Besuch in der Ukraine hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen offiziell neue Sanktionen gegen Russland angekündigt. Bis zum 24. Februar, also dem ersten Jahrestag der russischen Invasion, „wollen wir ein zehntes Sanktionspaket fertigstellen“, sagte von der Leyen am Donnerstag bei einer Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew. Russlands Außenminister Sergej Lawrow warf von der Leyen und dem Westen vor, sein Land zerstören zu wollen.
Die Kommissionspräsidentin betonte, die bisherigen Sanktionen hätten der russischen Wirtschaft bereits beträchtlichen Schaden zugefügt und würden sie „um eine Generation zurückwerfen“. Allein der Preisdeckel für russisches Öl koste Moskau „etwa 160 Millionen Euro täglich“.
Russland fragt zurück: „Ist das nicht Rassismus?“
Für das bereits seit Dezember in der Vorbereitung befindliche neue Sanktionspaket werden unter anderem neue Einreise- und Vermögenssperren für Verantwortliche in Russland und dem verbündeten Belarus erwartet. Am Sonntag soll zudem ein Preisdeckel für russische Mineralölprodukte wie Diesel oder Kerosin in Kraft treten, über dessen Höhe Vertreter der EU-Staaten noch beraten.
Russlands Außenminister Lawrow warf von der Leyen zerstörerische Absichten vor. Die Kommissionschefin wolle, dass sich Russlands Wirtschaft „auf viele Jahrzehnte hin“ nicht werde erholen können, sagte der Außenminister im russischen Staatsfernsehen.
„Ist das nicht Rassismus, nicht Nationalsozialismus – nicht ein Versuch, ‚die russische Frage‘ zu lösen?“, fragte Lawrow mit Verweis auf den Zweiten Weltkrieg. Am Donnerstag beging Russland den 80. Jahrestag des Sieges der Sowjetarmee über die Truppen Nazi-Deutschlands in der Schlacht von Stalingrad.
EU-Ukraine-Gipfel mit Selenskyj in Kiew
Von der Leyen war am 2. Februar zu einem zweitägigen Besuch in Kiew eingetroffen. Begleitet wurde sie von 15 weiteren Kommissionsmitgliedern. Es ist von der Leyens vierter Besuch in der ukrainischen Hauptstadt seit Beginn des russischen Angriffskriegs vor fast einem Jahr. Neben von der Leyen und dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell reisten unter anderem die Vizepräsidentinnen und -präsidenten Margrethe Vestager, Valdis Dombrovskis, Vera Jourova und Margaritis Schinas nach Kiew.
Am Freitag findet in Kiew ein EU-Ukraine-Gipfel mit Selenskyj statt. Neben von der Leyen will daran auch EU-Ratspräsident Charles Michel teilnehmen.
Bei den Gesprächen in Kiew wird es auch um weitere notwendige Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung und einer möglichen EU-Unterstützung dabei gehen. Weitere Themen sollen der Abbau von Handelshemmnissen, humanitäre und militärische Hilfen sowie die geplante Aufnahme der Ukraine in den EU-Roaming-Raum sein. Letzteres würde bedeuten, dass Ukrainer innerhalb der EU mit ihren Mobilgeräten telefonieren, SMS schreiben und Datendienste nutzen könnten, ohne Zusatzkosten fürchten zu müssen. Ebenso würde dies für EU-Bürger in der Ukraine gelten.
Auch juristische Möglichkeiten zur Ahndung des russischen Kriegs und der ukrainische Wunsch nach einem möglichst schnellen EU-Beitritt wurden angesprochen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte zuletzt in einer Videoansprache an seine Landsleute gesagt, er erwarte Entscheidungen der EU-Partner, die den offensichtlichen Reformfortschritten entsprächen. Damit bezog er sich darauf, dass die EU die Ukraine im vergangenen Juni in den Kreis der Beitrittskandidaten aufgenommen, den Beginn von Verhandlungen über einen Beitritt allerdings an die Erfüllung von sieben Voraussetzungen geknüpft hatte.
Korruption ist ein Problem
Bei diesen geht es etwa um das Auswahlverfahren ukrainischer Verfassungsrichter und eine stärkere Korruptionsbekämpfung – insbesondere auf hoher Ebene. Die EU fordert zudem, dass Standards im Kampf gegen Geldwäsche eingehalten werden und ein Gesetz gegen den übermäßigen Einfluss von Oligarchen umgesetzt wird.
Aus der EU-Kommission hieß es dazu zuletzt, dass die Ukraine Fortschritte gemacht habe. Eine offizielle Empfehlung für den Beginn von Beitrittsverhandlungen werde aber vermutlich frühestens in der zweiten Jahreshälfte erfolgen. „Wir haben eine Reformdynamik registriert, aber es gibt noch einiges zu tun“, sagte ein ranghoher Beamter am Dienstag in Brüssel.
Korruption ist in der Ukraine schon lange ein Problem, auf dem Korruptions-Index der Organisation Transparency International rangierte das Land vor Beginn des Kriegs auf Platz 122 von 180.
Mark Savchuk, Leiter des Aufsichtsausschusses des Nationalen Antikorruptionsbüros der Ukraine (NABU), vermutete gegenüber dem Tagesspiegel, dass das gesellschaftliche Tabu, bei dem Selenskyjs Team nicht kritisiert werden darf, nun offenbar aufgehoben sei.
Kritik gibt es an mehreren Ministern der ukrainischen Regierung und Gouverneuren. Nur zwei Beispiele: Der stellvertretende Infrastrukturminister Vasyl Lozynsky wurde wegen der Annahme von 400.000 US-Dollar Schmiergeld festgenommen. Der stellvertretende Verteidigungsminister Wjatscheslaw Schapowalow trat nach überteuerten Einkäufen für die Streitkräfte zurück. Anfang des Jahres 2023 scheiterte ein Regierungsausschuss bei der Verabschiedung eines staatlichen Programmes zur Korruptionsbekämpfung. Savchuk erklärt:
Die Ukraine profitiert davon, dass während des Krieges ein populärer und charismatischer Politiker wie Selenski an der Macht ist, der es versteht, den Menschen zu gefallen. Aber alles hat seinen Preis.“
30.000 Soldaten ausbilden
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell traf sich in Kiew mit dem ukrainischen Ministerpräsidenten Denys Schmyhal. Über Twitter erklärte Borrell, die EU werde 15.000 weitere ukrainische Soldaten ausbilden und die Minenräumung in dem Land mit 25 Millionen Euro unterstützen.
Borrell bestätigte damit frühere Brüsseler Angaben, wonach die Mitgliedsländer nun insgesamt 30.000 ukrainische Soldaten auf EU-Gebiet ausbilden wollen, doppelt so viele, wie bisher vereinbart. Die Soldaten sollen demnach unter anderem den Umgang mit Leopard-Kampfpanzern erlernen.
Unterdessen setzten russische Streitkräfte ihre Angriffe in der ostukrainischen Region Donezk fort. In der Stadt Kramatorsk wurden laut ukrainischen Angaben bei einem russischen Raketenangriff mindestens drei Menschen getötet und etwa 20 weitere verletzt. Wie die Polizei mitteilte, wurde ein Wohngebäude getroffen.
Die ukrainische Regierung vermutet, dass die aktuellen russischen Angriffe in der Ostukraine die Vorboten einer Großoffensive sind, die zeitlich nah am Jahrestag des russischen Einmarschs am 24. Februar liegen könnte. (afp/ks)
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