EU-Krisengipfel: Einigkeit bei Wiederbewaffnung – Widerstand bei Ukraine-Hilfe

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben grundsätzlich den Weg für eine Wiederaufrüstung Europas frei gemacht. Bei der weiteren Unterstützung der Ukraine gab es dagegen keine Einigung, weil der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban ausscherte.
Krisentreffen nach US-Kehrtwende
EU-Spitzenpolitiker waren infolge der außenpolitischen Kehrtwende der USA unter Präsident Donald Trump am Donnerstag in Brüssel zu einer Krisensitzung zusammengekommen. Nach dem Stopp der US-amerikanischen Militärhilfe sollte die EU-Unterstützung für die Ukraine bei der Dringlichkeitssitzung in einer gemeinsamen Erklärung bekräftigt werden.
So wollten die Regierungsspitzen einem Entwurf einer Abschlusserklärung des Gipfeltreffens zufolge die bekannten EU-Positionen unterstreichen, wonach es etwa keine Verhandlungen ohne die Ukraine geben dürfe und die territoriale Integrität der Ukraine respektiert werden müsse.
Ungarns Regierungschef Orban stimmte aber nicht zu. Am Ende schlossen sich nur die übrigen 26 EU-Staaten einer Erklärung an, Details dazu lagen zunächst nicht vor.

Selenskyi in Brüssel Foto: Omar Havana/AP/dpa
Einigkeit bei Wiederbewaffnung Europas
In einer weiteren Erklärung begrüßten alle 27 Staaten den Vorstoß von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für eine Wiederbewaffnung Europas. Die Kommissionschefin wurde beauftragt, zeitnah detaillierte Vorschläge zu unterbreiten.
Von der Leyen sprach von einem „Wendepunkt“ für die Sicherheit Europas und der Ukraine. Die Lage sei brandgefährlich, sagte von der Leyen bei einem Auftritt mit Selenskyj und Ratspräsident António Costa vor Gipfelbeginn.
Selenskyj dankte den Europäern demonstrativ für ihre Unterstützung und betonte, die Menschen in der Ukraine seien „nicht alleine“. US-Präsident Donald Trump hatte Selenskyj vergangene Woche im Weißen Haus mangelnde Dankbarkeit und keinen Friedenswillen vorgeworfen.
Vor diesem Hintergrund betonte von der Leyen, Europa müsse in der Lage sein, „sich selbst zu schützen, sich selbst zu verteidigen, so wie wir die Ukraine in die Lage versetzen müssen, sich selbst zu schützen und für einen dauerhaften und gerechten Frieden zu kämpfen“. Sie habe den Staats- und Regierungschefs deshalb einen Wiederaufrüstungsplan vorgelegt. Damit will die Kommissionschefin bis zu 800 Milliarden Euro mobilisieren.
Nukleare Abschreckung ausweiten
Polens Regierungschef Donald Tusk, dessen Land in diesem Halbjahr den EU-Ratsvorsitz innehat, begrüßte zudem die Erwägungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, die nukleare Abschreckung Frankreichs auf europäische Partner auszuweiten.
Es muss eine unserer Prioritäten sein, alle unsere Kapazitäten in Europa zu koordinieren und tatsächlich eine einzige, gut koordinierte Militärmacht aufzubauen“, sagte Tusk.
Von der Leyen hatte „ein neues EU-Finanzierungsinstrument“ vorgeschlagen, um die Mitgliedsländer bei der Aufrüstung zu unterstützen. Es soll Darlehen in Höhe von 150 Milliarden Euro umfassen, die durch den EU-Haushalt abgesichert sind. Sie sprach sich zudem dafür aus, die europäischen Schuldenregeln mittels einer nationalen Ausnahmeklausel zunächst für vier Jahre zu lockern.

Für Deutschland reiste Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum EU-Gipfel nach Belgien. Foto: Omar Havana/AP/dpa
Bundeskanzler Olaf Scholz will noch weiter gehen. Er sprach sich für „eine langfristige Anpassung des Regelwerks“ aus, damit die Länder „Spielräume haben für ihre langfristigen Investitionen in Verteidigung und Sicherheit“. Unterstützung bekam er unter anderem von den baltischen Staaten, „sparsame“ Länder wie die Niederlande und Schweden sind laut Diplomaten dagegen skeptisch und warnen bei zu laxen Schuldenregeln vor einer neuen Finanzkrise.
Die „Nukleare Teilhabe“ darf „nicht aufgegeben werden“, sagt Bundeskanzler Olaf Scholz vor dem EU-Gipfel in Brüssel. Man müsse weiter sicherstellen, dass „die finanzielle und militärische Unterstützung Europas“ für die Ukraine „aufrechterhalten bleibt“, und mit „kühlen Kopf“ auch… pic.twitter.com/mhX0sPJ2C1
— Epoch Times Deutsch (@EpochTimesDE) March 6, 2025
Wiederbewaffnung Europas überfällig
Der deutsche Vorstoß spiegelt auf europäischer Ebene, was die möglichen Koalitionspartner CDU/CSU und SPD unter CDU-Chef Friedrich Merz auch national anstreben. Sie hatten in den Sondierungsgesprächen vereinbart, Verteidigungsausgaben weitgehend von der Schuldenbremse auszunehmen.
EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola nannte eine Wiederbewaffnung Europas „überfällig“. Nach jahrelangen ergebnislosen Diskussionen sei es dafür „verdammt noch mal Zeit“, sagte die Christdemokratin aus Malta. Zum Auftakt des Gipfels kamen die EU-Spitzen wie üblich mit Metsola zusammen.
Weitere Unterstützung der Ukraine
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas kritisierte das Einfrieren der US-Militärhilfen für Kiew durch Präsident Donald Trump. Sie nannte dies ein „gefährliches Spiel mit der Zukunft der Ukraine“. Bundeskanzler Scholz mahnte mit Blick auf die USA, im Umgang mit Präsident Trump einen „kühlen und klaren Kopf“ zu bewahren. „Wir müssen sicherstellen, dass die Ukraine weiter unterstützt wird“, sagte er.
Scholz warnte erneut vor einem „Diktatfrieden“ in der Ukraine. Zu einem „fairen, gerechten Frieden“ gehöre aus seiner Sicht „eine starke ukrainische Armee auch in Friedenszeiten“. Er begrüßte aber den Vorstoß aus Frankreich und Großbritannien für eine vorläufige Waffenruhe in der Ukraine, die Angriffe aus der Luft, auf See und auf die Energieinfrastruktur pausieren könnte.
Reaktion aus Russland
Der Kreml hat die Einigung der EU-Staaten auf eine massive Wiederaufrüstung als kontraproduktiv kritisiert und mögliche Gegenmaßnahmen angekündigt. Die „konfrontative Rhetorik“ der europäischen Staaten behindere die „Suche nach einer Lösung“ für den Konflikt in der Ukraine, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Freitag vor Journalisten.
Russland verfolge die europäischen Aufrüstungsbemühungen sehr genau, „da die EU Russland als größten Feind darstellt“, fügte er hinzu.
„Das könnte uns möglicherweise große Sorgen bereiten und angemessene Gegenmaßnahmen nötig machen, um unsere Sicherheit zu garantieren“, sagte Peskow weiter.
(dpa/afp/red)
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