EU-Kommission: Wichtige Köpfe in von der Leyens neuem Team
Die neue EU-Kommission unter Ursula von der Leyen steht kurz vor der Bestätigung. Die Abgeordneten im Europaparlament dürften die 26 Kommissare am Mittwoch mit der nötigen einfachen Mehrheit ins Amt wählen. Die Kommission kann dann zum 1. Dezember ihre Arbeit aufnehmen.
In der EU kann nur die Kommission Gesetze vorschlagen, sie überwacht, ob die Staaten die Gesetze einhalten. Die Brüsseler Behörde mit rund 32.000 Mitarbeitern regelt damit vieles, was im Alltag von knapp 450 Millionen EU-Bürgern eine Rolle spielen kann. Ein Überblick über wichtige Köpfe:
Vizepräsident und Regionalförderung: Raffaele Fitto
Mit dem Italiener Raffaele Fitto bekommt nach von der Leyens Willen erstmals ein rechter Politiker einen der Schlüsselposten als geschäftsführender Vizekommissionspräsident. Fitto gehört der Partei Fratelli d’Italia von Regierungschefin Giorgia Meloni an.
Er erhält das Ressort für Regionalförderung und Reformen und verwaltet künftig Fördergelder der EU. Fitto ist damit einer der sechs Stellvertreter von der Leyens. In Brüssel ist er als langjähriger Europaabgeordneter und zuletzt Europaminister gut vernetzt.
Klima und Wettbewerb: Teresa Ribera
Teresa Ribera soll für die Umsetzung der Klimaziele der EU sorgen und dafür mit den Kommissaren aus den Niederlanden und Schweden zusammenarbeiten. Die Spanierin gehört in Spanien der Partido Socialista Obrero Español (PSOE) an und gilt als Sozialistin.
Ribera leitet zudem die Wettbewerbspolitik der EU-Kommission, diese Abteilung verhängt Wettbewerbsstrafen etwa gegen Kartelle und große Digitalkonzerne und entscheidet über Unternehmensfusionen.
Deal um Fitto und Ribera: Beide sehr umstritten
Sozialdemokraten, Grüne und Liberale im Europaparlament hatten den Vorschlag Raffaele Fitto scharf kritisiert. Aus dem Mitte-Links-Lager im Europaparlament hagelte es scharfe Kritik, weil von der Leyen dem Italiener einen wichtigen Posten gibt.
Letztlich ließen sich Sozialdemokraten und Liberale auf einen Deal ein und stimmten zu.
Im Gegenzug akzeptierten die Konservativen unter anderem die umstrittene Sozialdemokratin Teresa Ribera. Sie wird als bisherige Umweltministerin Spaniens mit für die Folgen der jüngsten Flutkatastrophe in der Region Valencia mit mehr als 200 Toten verantwortlich gemacht.
Wohlstand und Industriepolitik: Stéphane Séjourné
Der Franzose Stéphane Séjourné soll gemeinsam mit Ribera eine Strategie für die europäische Industrie vorlegen. Dabei geht es um milliardenschwere Investitionen, mit denen Unternehmen etwa ihre Produktion elektrifizieren oder auf Wasserstoff umstellen sollen.
Séjourné gilt als Vertrauter des Präsidenten Emmanuel Macron und ersetzt den früheren französischen EU-Kommissar Thierry Breton.
Industriekommissar Séjourné und Wettbewerbskommissarin Ribera sollen unter anderem eine Strategie für die europäische Wirtschaft aufsetzen, die Genehmigungsverfahren abkürzen, kleineren Unternehmen den Zugang zu Finanzierung erleichtern und die Kreislaufwirtschaft fördern.
Um Investitionen anzukurbeln, soll Ribera zudem die EU-Regeln für staatliche Hilfen vereinfachen. Damit würden öfter Subventionen wie die deutschen Gelder für eine Chipsfabrik der Firma TSMC in Dresden und die Northvolt-Batteriefabrik in Schleswig-Holstein möglich. Außerdem will die Kommission künftig größere Unternehmensfusionen erlauben, um etwa Investitionen in den Netzausbau sicherzustellen.
Handel und wirtschaftliche Sicherheit: Maroš Šefčovič
Der Slowake Maroš Šefčovič ist bereits seit 2009 EU-Kommissar und damit einer der erfahrensten Politiker im Team. In den kommenden fünf Jahren soll er die schwierigen Handelsbeziehungen zu China und den USA managen und neue Handelsabkommen zum Abschluss bringen.
Er wird vor allem dann gefragt sein, wenn die USA unter der Führung Donald Trumps Zusatzzölle auf Produkte aus der EU einführen sollten.
EU-Außenbeauftragte: Kaja Kallas
Die ehemalige estnische Regierungschefin folgt dem Spanier Josep Borrell als „Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik“ nach. Die Staats- und Regierungschefs hatten sie bereits im Juli nominiert.
Die 47-jährige Liberalen-Politikerin kämpft in der EU für eine harte Linie gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin und gilt als eine der größten Unterstützerinnen der Ukraine.
Kallas‘ wurde die Politik quasi in die Wiege gelegt: Ihr Vater Siim Kallas war früher Estlands Ministerpräsident und lange Jahre EU-Kommissar. Auch sie selbst verbrachte vier Jahre in Brüssel – als Europa-Abgeordnete von 2014 bis 2018.
EU-Verteidigungskommissar: Andrius Kubilius
Der Litauer wird der erste Verteidigungskommissar in Brüssel. Zusammen mit Kallas will Kubilius in den ersten hundert Tagen im Amt ein Strategiepapier zu Sicherheit und Verteidigung vorlegen. Er hat bereits deutlich höhere Investitionen in diesem Bereich gefordert.
Die Kommission geht von einem Zusatzbedarf von 500 Milliarden Euro aus, um Europa in den kommenden zehn Jahren vor allem gegen Russland abzusichern. Ungeklärt ist die Finanzierung. Neue Gemeinschaftsschulden wie in der Corona-Pandemie lehnte Deutschland bisher ab.
Soldaten unterstehen dem 67-Jährigen nicht. Er soll vielmehr dafür sorgen, dass die europäische Rüstungsindustrie den Bedarf erfüllt und genug Geld hat, um ihre Produktionskapazitäten auszubauen.
Innen- und Migrationskommissar: Magnus Brunner
Brunner von der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) war bisher Finanzminister seines Landes. In Brüssel gehört zu seinen Aufgaben die Umsetzung des Asylpakts, der 2026 voll greift.
Er soll die Umsetzung der im Frühjahr beschlossenen EU-Asylreform überwachen und ein neues Konzept zur beschleunigten Abschiebung irregulär eingewanderter Migranten vorlegen.
Zudem wird es seine Aufgabe sein, den Schutz der EU-Außengrenzen zu verbessern. Im Gespräch ist, die ständige Reserve der Europäischen Grenz- und Küstenwache Frontex auf 30 000 Einsatzkräfte aufzustocken.
Von der Leyen will im Auftrag der Mitgliedsländer in Kürze einen Gesetzesvorschlag für die schnellere Abschiebung irregulär eingereister Migranten vorlegen. Nach EU-Angaben wurden im vergangenen Jahr mehr als 480.000 Drittstaatsangehörige zum Verlassen der EU aufgefordert, nur in jedem fünften Fall kam es zur Rückkehr.
Kommissarin für Digitales: Henna Virkkunen
Die Finnin Henna Virkkunen soll die Umsetzung mehrerer großer Digitalgesetze aus der vergangenen Legislaturperiode übernehmen, darunter etwa das Gesetz für Künstliche Intelligenz (KI) sowie strengere Vorschriften für Online-Dienste wie Google und Facebook.
Sie ist zudem für die Cybersicherheit in der EU verantwortlich und soll den Netzausbau vorantreiben.
Gesundheit und Tierwohl: Oliver Varhelyi
Weil er als Vertrauter des umstrittenen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban gilt, schlägt dem Karrierediplomaten Várhelyi in Brüssel viel Misstrauen entgegen. Als einziger musste er im Bestätigungsverfahren des Parlaments schriftlich Zusatzfragen beantworten.
An seiner Eignung für einen Kommissarsposten gibt es letztlich aber wenig Zweifel – Várhelyi ist nicht neu in Brüssel, er war bereits Mitglied in Ursula von der Leyens erster Kommission und dort zuständig für Nachbarschaft und Erweiterung.
Allerdings erreichte das EU-Parlament, dass seine Zuständigkeit verkleinert wird. Für Abtreibungsrechte und für den Fall einer Pandemie zeichnet nun die Belgierin Hadja Lahbib verantwortlich.
Landwirtschaft: Christophe Hansen
Auf den Landwirtschaftskommissar Christophe Hansen kommt die Neuauflage der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU zu, die über die Verteilung milliardenschwerer Subventionen für Bauern bestimmt.
Der Luxemburger soll bereits in den ersten 100 Tagen Leitlinien dafür vorlegen, insbesondere kleine Betriebe sollen stärker profitieren als bislang. Eine umfassende Reform des Prinzips, wonach die Gelder anhand der bewirtschafteten Fläche berechnet werden, gilt allerdings als unwahrscheinlich.
Klimaschutz: Wopke Hoekstra
Der neue Klimakommissar ist gleichzeitig der alte. Als Wopke Hoekstra mitten in der vergangenen Legislaturperiode auf Frans Timmermans folgte, gab es zunächst Zweifel an seinen Ambitionen: Der Niederländer war in der Vergangenheit unter anderem beim Öl-Konzern Shell angestellt. Inzwischen hat die Skepsis nachgelassen.
Nun wird Hoekstra erneut dafür verantwortlich sein, den „Green Deal“ umzusetzen, mit dem die EU bis 2050 klimaneutral werden will. Der Klimaschutz dürfte zwar keine so große Rolle mehr spielen wie in der vergangenen Legislaturperiode. Insbesondere das Verbrenner-Aus, das ab 2035 in der EU gelten soll, sorgt aber für großen Unmut, sodass Hoekstra weiter im Zentrum hitziger Diskussionen stehen könnte.
(afp/dpa/red)
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