EU-Kommission verspricht „fokussierten Haushalt“ – 130 Regionen protestieren gegen „Machtergreifung“

Fokussierter und effizienter will die EU-Kommission ihren nächsten Haushaltsplan gestalten. Dafür sollen bisherige Programme und Posten zusammengefasst werden. Damit Mitgliedstaaten Zugriff auf den Fördertopf erhalten, sollen sie jedoch strengere Bedingungen erfüllen. Das ruft Argwohn hervor.
«Die Ukraine trägt für uns alle eine schwere Last auf ihren Schultern»: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.Foto: Jean-Francois Badias/AP/dpa
Von 8. Oktober 2024

Derzeit bestehen etwa 530 unterschiedliche EU-Förderprogramme, die in den 27 Mitgliedstaaten genutzt werden können. Zudem sind die Etatposten für Landwirtschaft und strukturschwache Regionen groß – und häufig wenig produktiv. Die EU-Kommission möchte deshalb für den Haushaltsplan von 2028 bis 2034 einen vollständig neuen Ansatz wählen und stattdessen auf nationale Töpfe setzen.

Der Haushalt, um den es geht, umfasst derzeit 1,2 Billionen Euro. An die Stelle der 530 bisherigen Programme will die EU-Kommission nun 27 nationale Töpfe setzen. Diese sollen dann alle Maßnahmen von der Landwirtschaft über den Katastrophenschutz bis zum ökologischen Landbau betreuen. Das Portal „Politico“ hatte über das Vorhaben berichtet, das Haushaltsbeamte ausgearbeitet hätten und das die Rückendeckung der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen habe.

EU-Kommission will „Wirtschaftsreformen“ für Zugang zu Fördertopf verlangen

Was auf den ersten Blick eine Stärkung der Verantwortung der einzelnen Mitgliedstaaten verspricht, offenbart bei genauerer Betrachtung sogar Gegenteiliges. Um überhaupt Zugriff auf die Mittel zu haben, die für die einzelnen Länder vorgesehen sind, müssen diese Bedingungen erfüllen. Und diese will Brüssel dem Bericht zufolge noch deutlich strenger gestalten, als schon bisher der Fall war.

Die Rede ist dabei vor allem von „Wirtschaftsreformen“. Wer die Praxis der EU aus der Zeit der Zuweisungen aus dem Corona-Topf kennt, weiß jedoch, dass diese auch auf eine grundsätzliche „Werte“-Komponente nicht verzichten wird. So wurden Ländern wie Ungarn und Polen Mittel verweigert, weil diese politischen Vorgaben aus Brüssel zur „Rechtsstaatlichkeit“ nicht entsprochen hatten.

Künftig soll beispielsweise dann auch die Beseitigung von Geschlechterdiskrepanzen Voraussetzung dafür sein, dass ein Land Zugang zu Fördermitteln für die Landwirtschaft bekommt. Als weitere Verweigerungsgründe könnten Vorbehalte gegen LGBTQ*-Anliegen oder der Wunsch zu stärkerer Kontrolle von NGO-Finanzierung definiert werden.

Weniger Geld für Regionen und Landwirtschaft – mehr für Krieg und Ukraine

Zudem könnte der Zugang zu den Fördertöpfen auch an die Bereitschaft zur Aufrüstung und zur Unterstützung der Ukraine geknüpft sein. Immerhin soll der neue Ansatz in der Haushaltspolitik der EU neue Prioritäten ermöglichen, zu denen die Rüstung und der „Aufbau gesamteuropäischer Industriechampions“ zählen sollen.

Neben der Rückzahlung von mehr als 300 Milliarden Euro an Corona-Schulden rechnet die EU-Kommission in dem Dokument, das „Politico“ vorliegt, auch mit einem Beitritt der Ukraine. Dieser würde ebenfalls Ausgaben in einer Höhe erwarten lassen, die bisherige Größenordnungen des EU-Haushaltes sprengen. Um das zu finanzieren, sollen offenbar einige bestehende Programme abgespeckt werden.

Von der Leyen soll den designierten neuen Haushaltskommissar Piotr Serafin damit beauftragt haben, für jedes Land einen auf dessen Situation zugeschnittenen „nationalen Plan“ zu entwickeln. Dieser soll „Schlüsselreformen mit Investitionen verbinden“. Agrarsubventionen und Kohäsionsmittel für ärmere Regionen würden ebenfalls künftig in die nationalen Pläne integriert. Der – vom Europäischen Rechnungshof kritisch gesehene – Corona-Aufbaufonds sei das erklärte Vorbild für das neue Vorhaben der EU-Kommission.

Inspiration für EU-Kommission durch Draghi-Plan und Thinktank?

Die Inspiration zu dem neuen Ansatz im Haushaltsplan soll aus dem Draghi-Konzept kommen, das der frühere EZB-Chef vor einigen Wochen präsentierte. Ein EU-Beamter witterte im Gespräch mit „Politico“, dass ein Thinktank die EU-Kommission auf die Idee gebracht haben könnte.

Neben den „nationalen Plänen“ will man die Geldtöpfe für Forschung, Verteidigung und Innovation in einem einzigen „Europäischen Wettbewerbsfonds“ zusammenfassen. Zwei weitere Säulen sollen die Finanzierung der geplanten Erweiterungen sowie Mittel für Personal und das Ausland abdecken.

Beobachtern zufolge dürfte das Vorhaben der EU-Kommission vor allem die Befugnisse der Generaldirektionen und der Regionaldirektion einschränken. Der Generaldirektion wird vorgeworfen, gegenüber Lobbygruppen etwa aus der Landwirtschaft ein zu offenes Ohr gehabt zu haben. Die Regionaldirektion soll wiederum die „europäische Perspektive“ vermissen lassen.

Ausschuss der Regionen sieht diese „ins Abseits gestellt“

Der Haushalt unterliegt allerdings dem Einstimmigkeitsprinzip. Es ist damit zu rechnen, dass das Konzept der EU-Kommission auf einigen Widerstand stoßen wird. Diesen gibt es bereits aus den Regionen. 130 davon haben bereits in einem offenen Brief gegen die „Machtübernahme“ Brüssels protestiert.

Der Präsident des Ausschusses der Regionen, Vasco Alves Cordeiro, befürchtet, dass diese auf der untersten Stufe der von der EU-Kommission geschaffenen Hackordnung stehen werden. Sobald diese mit den Mitgliedstaaten die jeweiligen nationalen Programme aushandele, würden die Regionen „nicht in den Mittelpunkt der Politik, sondern ins Abseits gestellt“, so Alves Cordeiro.

 

 



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