EU-Kommission verklagt Deutschland wegen zu hoher Stickstoff-Dioxid-Werte

Die EU-Kommission verklagt Deutschland und weitere Länder vor dem Europäischen Gerichtshof wegen schlechter Luftqualität. Kanzlerin Merkel erklärt: Deutschland sei auf einem "sehr, sehr guten Weg".
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Drohendes Fahrverbot: Der Grenzwert für den Stickoxid-Ausstoß wurde im vergangenen Jahr in rund 90 Städten überschritten, am häufigsten in Stuttgart.Foto: Marijan Murat/dpa
Epoch Times17. Mai 2018

Die EU-Kommission verklagt Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wegen zu hoher Stickstoffdioxid-Werte in vielen Städten. Deutschland und fünf weitere Länder hätten es versäumt, sich für die Einhaltung der Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide einzusetzen, sagte EU-Umweltkommissar Karmenu Vella am Donnerstag in Brüssel.

Vella hatte die Umweltminister von neun Ländern Ende Januar nach Brüssel geladen. Sie sollten Vorschläge unterbreiten, um die Luftqualität in den Städten rasch zu verbessern. „Die Kommission musste feststellen, dass die vorgeschlagenen zusätzlichen Maßnahmen nicht ausreichen, um die Luftqualitätsnormen so schnell wie möglich einzuhalten“, begründete der maltesische EU-Kommissar die Anklage vor dem EuGH von sechs der neun Länder.

Merkel: Deutschland sei auf einem „sehr, sehr guten Weg“

Anders als die Kommission sieht Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Deutschland auf einem „sehr, sehr guten Weg“ – schließlich seien Verletzungen der Grenzwerte in weniger Städten vorgekommen, als zuvor, sagte Merkel beim EU-Gipfel in Sofia. Die Förderprogramme für betroffenen Kommunen seien „beispiellos“ gewesen.

In den Vorschlägen an die Kommission ging es etwa um eine verstärkte Ausrüstung von Bussen mit Elektroantrieb. Fahrverbote für Dieselfahrzeuge wollte die Bundesregierung hingegen nach Möglichkeit vermeiden.

Der Kommission reichte das nicht. Anders im Fall von Spanien, Tschechien und der Slowakei: Auch sie hatten Anfang des Jahres zusätzliche Maßnahmen vorstellen müssen, werden aber vorerst nicht in Luxemburg verklagt.

SPD: Autohersteller hätten „das Problem verursacht“

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) bedauerte die Entscheidung der Brüsseler Behörde. Nötig seien „so schnell wie möglich“ technische Nachrüstungen für Diesel-Pkw auf Kosten der Automobilhersteller, „denn die haben das Problem verursacht“, erklärte sie.

Dieser Meinung ist auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). Auch zur Finanzierung der Programme der Regierung sollten die Autohersteller herangezogen werden, sagte VZBV-Chef Klaus Müller dem „Handelsblatt“.

Daniela Ludwig, verkehrspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sprach sich gegen Nachrüstungen aus: „Die vom Bundesumweltministerium geforderten Hardware-Nachrüstungen führen in die Sackgasse, weil sie eine Investition in die Vergangenheit darstellen“, erklärte Ludwig.

„Das ist die größte Blamage für die Bundesregierung, die man sich vorstellen kann“, analysierte der Autobranchenexperte Ferdinand Dudenhöffer. Die Gesundheit der Menschen sei für die Bundesregierung Nebensache, „sonst hätte sie längst etwas gemacht“, sagte Dudenhöffer AFP.

Grünen: Einführung der blauen Plakette

Die Grünen begrüßten den Schritt der Kommission. „Es kann nicht sein, dass die Bundesregierung europäische Vorgaben zum Schutz von Umwelt und Gesundheit über Jahre ignoriert“, erklärte die Europapolitikerin Rebecca Harms. Ihre Partei sowie die Linke und mehrere Umweltverbände sprachen sich außerdem für die Einführung einer blauen Plakette aus.

Mit dieser Plakette könnte älteren Modellen, die bestimmte Grenzwerte überschreiten, die Fahrt in gekennzeichnete Bereiche der Innenstädte untersagt werden. Ohne solche Maßnahmen würden die Einhaltung der seit 2010 geltenden NO2-Grenzwerte „weiter verschoben und die drohenden Strafzahlungen billigend in Kauf genommen“, erklärte Hubert Weiger, Vorsitzender der Organisation BUND.

Neben Deutschland stehen Frankreich, Großbritannien, Italien, Ungarn und Rumänien nunmehr in Luxemburg vor Gericht. Im Fall von Deutschland geht es hauptsächlich um die erhöhte Stickoxid-Belastung in Städten, die gesundheitsschädlich ist und dort in erster Linie von Dieselautos ausgeht. Grenzwertüberschreitungen bei Feinstaub sind in deutschen Städten bis auf Ausnahmefälle kein Problem mehr.

Konkret geht es Brüssel bei der Klage gegen Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich um den Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO2). Ungarn, Italien und Rumänien werden wegen anhaltend hoher Feinstaubwerte (PM10) verklagt. Die Abkürzung PM10 bezeichnet die Größe der Feinstaubpartikel (siehe Umweltbundesamt).

Überprüfung der Luftqualitätsrichtlinie von 2008

Im Jahr 2017 überprüfte die EU die Luftqualitätsrichtlinie von 2008. Diese schreibt den Mitgliedsstaaten vor, die Feinstaubbelastung bis zum Jahr 2010 um zwanzig Prozent (im Vergleich zu 2010) zu senken. Weiterhin werden in der Luftqualitätsrichtlinie maximale Grenzwerte für bestimmte Emissionen festgelegt.

Zwischen 2015 und 2017 wurden rechtliche Schritte gegen zwölf Staaten wegen zu hohen Stickstoffdioxid-Werten eingeleitet: Österreich, Belgien, Tschechien, Deutschland, Dänemark, Spanien, Frankreich, Ungarn, Italien, Polen, Portugal und Großbritannien. In Deutschland klagte die Deutsche Umwelthilfe gegen die Regierung, auch in Großbritannien gewannen Umweltaktivisten derartige Klagen.

Die Tschechische Republik, die Slowakei und Spanien konnten nun den aktuellen Anklagen ausweichen, da sie passende Maßnahmen durchführten oder zumindest entsprechende planen würden.

Die EU Kommission veröffentlichte nach 2017 Berichte zu 28 Ländern, „in denen sie die Fortschritte der einzelnen EU-Staaten beim Abfallmanagement, Naturschutz, der Kreislaufwirtschaft und der Wasserqualität analysierte. Die Ergebnisse will sie einzeln mit jedem Mitgliedsland besprechen und dann einen Mechanismus einführen, der ihnen dabei helfen soll, Erfahrungen auszutauschen“.

Neuartige Technik für die Senkung der Feinstaubbelastung vorhanden

Ein Team von Forschern hat speziell für die Verringerung der Feinstaubkonzentration im Innenstadtbereich bereits eine Art „Feinstaub-Sauger“ in der Größe eines Müllautos gebaut. Dieser wird über Elektroantrieb auf Neutrino-Basis angetrieben und belastet daher nicht über Dieselabgase die Straßen. Er könnte – bei entsprechender Finanzierung – in städtischen Ballungsräumen problemlos zur Partikel-Reduktion eingesetzt werden.

Dieser ungewöhnliche „Staubsauger“ beruht neben anderen eingesetzten Technologien auch auf speziellen Düsen. Die mit Feinstaub belastete Luft wird angesaugt, mit hohem Druck durch die Düsen geblasen, dabei vollständig von Feinstaub befreit und wieder an die Umgebung abgegeben.

Die herkömmliche Reduktion der Feinstaubemissionen ist sehr komplex, sehr langwierig und mit erheblichen Kosten für die Bürger und den Staat verbunden. Dieses Verfahren senkt nicht nur die gesundheitliche Belastung der Bürger, speziell in den Straßenschluchten, sondern auch die Kostenbelastung für die städtischen Kämmerer.

Andere Möglichkeiten zur Feinstaubreduzierung gibt es im Kraftwerksbereich, vor allem bei Steinkohle. Informationen zur Technik der Düsen hier: Feinstaub Düsensystem (pdf).

 

(ks mit material von dts/afp)

 

 



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