Maas: Lukaschenko wird „bitteren Preis“ für die Festnahme zahlen – EU kappt Flugverkehr mit Belarus
Nach der international scharf verurteilten Festnahme des Regierungskritikers Roman Protasewitsch steigt der Druck auf Belarus: Die EU-Staats- und Regierungschefs vereinbarten bei ihrem Gipfel am Montagabend die Sperrung des Luftraums für Flugzeuge aus Belarus sowie ein Landeverbot auf EU-Flughäfen.
Ein angebliches Geständnis von Protasewitsch, das vom belarussischen Staatsfernsehen veröffentlicht wurde, löste Sorgen um den Gesundheitszustands des Journalisten aus.
Ukraine stellt Flugverkehr mit Belarus ein
Durch die am Montagabend vereinbarten EU-Sanktionen soll das autoritär regierte Belarus vom europäischen Luftverkehr abgeschnitten werden. Zahlreiche Fluggesellschaften, darunter die Lufthansa, Air France, KLM, SAS und AirBaltic, wollen den belarussischen Luftraum nun bis auf Weiteres meiden. Die Ukraine entschied, den Flugverkehr mit dem Nachbarland einzustellen.
Die Staats- und Regierungschefs der EU hätten „zusätzliche Sanktionen gegen Einzelpersonen beschlossen, die an dieser Entführung beteiligt waren“, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Auch Unternehmen, „die dieses Regime finanzieren“, sollten sanktioniert werden können.
Belarus hatte am Sonntag eine Ryanair-Maschine auf dem Weg von Athen nach Vilnius unter dem Vorwand einer Bombendrohung und mit einem Kampfjet zur Zwischenlandung in Minsk gezwungen. Dort wurden der in Polen und Litauen im Exil lebende Oppositionelle Protasewitsch und seine aus Russland stammende Freundin Sofia Sapega festgenommen.
Maas: Lukaschenko wird „bitteren Preis“ für Festnahme von Blogger zahlen
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte die Erklärung für die erzwungene Landung „vollkommen unglaubwürdig“. Der EU-Gipfel verlangte die „sofortige Freilassung“ von Protasewitsch und Sapega.
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hat eine harte Reaktion auf die Festnahme eines Bloggers durch die belarussische Führung unter Staatschef Alexander Lukaschenko angekündigt.
„Jedem Diktator der mit derlei Gedanken spielt, dem muss klar gemacht werden, dass es dafür einen bitteren Preis zu zahlen gibt“, sagte Maas am Dienstag in Berlin. Die Führung in Belarus hatte ein Flugzeug mit dem Oppositionellen Roman Protasewitsch an Bord zur Landung in Minsk gezwungen und diesen dort festgenommen.
Die UNO schloss sich dieser Forderung am Dienstag an. Der Sprecher des UN-Menschenrechtskommissariats, Rupert Colville, äußerte Sorge um die Sicherheit des Journalisten.
Video zeigt Protasewitschs mit blauen Flecken im Gesicht
Das vom Staatsfernsehen verbreitete Video Protasewitschs sei angesichts der blauen Flecken im Gesicht „nicht beruhigend“ gewesen, sagte er. Es sei davon auszugehen, dass er „nicht freiwillig“ vor der Kamera gewesen und dass sein angebliches Geständnis „erzwungen“ gewesen sei.
Der 26-Jährige hatte in dem Video gesagt: „Ich werde weiter mit den Ermittlern zusammenarbeiten und gestehe, Massenproteste in der Stadt Minsk organisiert zu haben.“
Sein Vater Dmitri Protasewitsch sagte der Nachrichtenagentur „AFP“, im Gesicht seines Sohnes seien „Spuren eines Schlags“ zu sehen. Womöglich fehlten ihm auch Zähne. Sein Sohn sei eindeutig dazu gezwungen worden, eine vorgefertigte Erklärung vorzulesen.
Biden: US-Regierung bereite „angemessene“ Schritte vor, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen
US-Präsident Joe Biden kündigte an, seine Regierung bereite „angemessene“ Schritte vor, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Er nannte das Verhalten der Regierung in Minsk einen „direkten Affront gegen internationale Normen“.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat von den EU-Staats- und Regierungschefs „umfassende und wirksame Sicherheitsgarantien für Journalisten und Whistleblower“ verlangt.
Anlass ist die Entführung des belarussischen Bloggers Roman Protasewitsch, der auch journalistisch tätig war, durch das Regime des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko. Es gehe darum sicherzustellen, dass sich so etwas nicht wiederhole.
Deutscher Journalistenverband fordert von EU Sicherheitsgarantien für Journalisten
„Von der Entführung und dem wahrscheinlich erzwungenen Geständnis unseres Kollegen geht ein fatales Signal aus“, erklärte der DJV- Bundesvorsitzende Frank Überall am Dienstag. „Kein regierungskritischer Journalist ist sicher, egal wo er sich aufhält“, warnte er mit Blick auf die von den belarussischen Behörden erzwungene Umleitung eines Verkehrsflugzeugs auf dem Weg von Athen nach Vilnius.
Die EU dürfe danach nicht zur Tagesordnung übergehen, forderte der DJV.
Belarus lädt internationale Luftfahrtexperten zu einer Untersuchung ein
Die belarussische Regierung lud derweil internationale Luftfahrtexperten zu einer Untersuchung der erzwungenen Landung des Ryanair-Flugzeugs in Minsk ein. Vertreter der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO), des Internationalen Luftfahrtverbands (IATA) sowie Experten der EU und der US-Behörden sollten die „Umstände“ der Ereignisse vom Sonntag prüfen, teilte das Verkehrsministerium mit.
Protasewitsch war früher Chefredakteur des oppositionellen Telegram-Nachrichtenkanals Nexta. Über Nexta waren nach der von Betrugsvorwürfen begleiteten Präsidentschaftswahl in Belarus im vergangenen August hunderttausende Demonstranten mobilisiert worden.
Protasewitsch wird vorgeworfen, Massenproteste ausgelöst zu haben, worauf in Belarus bis zu 15 Jahre Haft stehen. Auch Terrorvorwürfe werden gegen ihn erhoben, worauf die Todesstrafe steht.
In den vergangenen Monaten waren gegen dutzende Aktivisten und Journalisten in Belarus Haftstrafen verhängt worden. Am Dienstag wurden sieben weitere Angeklagte im Zusammenhang mit den Massenprotesten zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt. (afp)
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