EU: Juncker fordert „Klartext“ gegenüber Ungarn – Papst Franziskus ruft zur „Solidarität“ auf
Die EU hätte „die Dinge beim Namen nennen“ müssen, um entschlossener auf Ungarns Vorstoß zur Stärkung der Regierungsgewalt zu reagieren, sagt der ehemalige Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.
In einem Gespräch mit „Politico“ kritisierte Juncker die schwache Reaktion der EU auf die Abstimmung im ungarischen Parlament, die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán per Dekret ohne zeitliche Begrenzung regieren zu lassen. „Es ist uns nicht gelungen, den Ost-West-Konflikt zu lösen, weil die Ungarn außerhalb jeder vernünftigen Zone handeln“, sagte Juncker „Politico“.
„Ich dachte … dass die Regierungen und die [Europäische] Kommission die Dinge beim Namen nennen werden“, aber weder seine Nachfolgerin als Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen noch die EU-Regierungen forderten Budapest ausdrücklich auf, als sie Bedenken über die Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf die Rechtsstaatlichkeit äußerten.
Die Erwähnung Ungarns „hätte keine unmittelbare Wirkung gehabt, aber sie hätte die Positionen der Fronten klarer gemacht“, sagte Juncker.
Wenn es um den Rechtsstaatlichkeitsstandard geht, zählt nicht Wischiwaschi, sondern Klartext.“
Ungarns Justizministerin im Interview mit der „Welt“
Indes hat Ungarns Justizministerin im Interview mit der „Welt“ den Standpunkt Ungarns erneut verteidigt. Das Parlament in Ungarn hat am 11. März wegen der Corona-Krise das umstrittene Notstandsgesetz verabschiedet, das Regierungschef Viktor Orbán mit weitreichenden Vollmachten ausstattet.
„Der Ausnahmezustand wird aufhören, wenn die Gefahr nicht mehr besteht. Das ist ein objektives Kriterium“, sagte Varga im Gespräch mit der „Welt“. Wann die Epidemie und damit der Notstand enden werde, werde nicht nur in Ungarn, sondern international „letztlich ziemlich klar sein“, sagte die Ministerin und fügte hinzu: „Wir sind ja hinsichtlich der Maßnahmen der WHO auch mit anderen Ländern in Verbindung.“
Die Befürchtung, dass das Parlament durch das Notstandsgesetz quasi „ausgeschaltet“ ist, sieht die Justizministerin anders: „Ich lese ja schon in Verlautbarungen des Europaparlaments, dass wir das Parlament ausgeschaltet hätten. Das Parlament tagt ganz normal weiter bis zum Ende der Sitzungsperiode am 15. Juni“, betont sie gegenüber „Welt“.
Jede Menge Gesetzentwürfe würden auf Entscheidungen warten und „ich hoffe, dass alle Abgeordneten gesund bleiben und das Parlament funktionsfähig bleibt“, fügt sie hinzu. Auch die Gerichte und das Verfassungsgericht funktionierten ganz normal weiter, sagte sie.
Konflikte zwischen Nord und Süd flammen erneut auf
In der Zwischenzeit sind laut „Politico“ erneut Meinungsverschiedenheiten zwischen nord- und südeuropäischen Ländern über die Reaktion der Union auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie aufgeflammt.
„Die Art und Weise, wie sich der niederländische Finanzminister in Richtung Italien äußerte, schürt erneut den Konflikt zwischen Nord und Süd“, sagte Juncker und bezog sich dabei auf Wopke Hoekstra.
Der niederländische Minister hatte im März Berichten zufolge die EU zu einer Untersuchung aufgefordert, warum einige Länder nicht über die finanziellen Puffer verfügten, um den wirtschaftlichen Schock besser zu bewältigen. „Jetzt haben wir den Nord-Süd-Konflikt unnötigerweise wieder aufflammen lassen“, sagte Juncker und fügte hinzu: „Wir haben nichts gelernt“, sagte er im Interview mit „Politico“.
Papst Franziskus: Zukunft der EU hängt von der Corona-Reaktion ab
Papst Franziskus bezeichnete den Ausbruch des COVID-19-Virus in seiner jährlichen Osterrede am Sonntag als „eine epochale Herausforderung“, welche die Zukunft der EU beeinflussen werde, schrieb Jillian Deutsch von „Politico“.
„Heute sieht sich die EU mit einer epochalen Herausforderung konfrontiert, von der nicht nur ihre Zukunft, sondern auch die der ganzen Welt abhängen wird. Wir sollten die Gelegenheit nicht verpassen, erneut Solidarität zu zeigen, auch durch innovative Lösungen“, sagte er laut der spanischen Nachrichtenagentur „EFE“.
Papst Franziskus predigte vor einem fast leeren Petersdom – ein deutlicher Unterschied zu den geschätzten 70.000 Menschen, die im vergangenen Jahr auf dem Petersplatz zusammenkamen. In seiner Rede nannte der Papst den diesjährigen Feiertag ein „Ostern der Einsamkeit“.
Er rief die EU dazu auf, sich in ihrer Reaktion auf den Ausbruch zu vereinen, so wie sie es nach dem Zweiten Weltkrieg getan hatte, als „der Kontinent dank eines besonderen Geistes der Solidarität, der es ihm ermöglichte, die Rivalitäten der Vergangenheit zu überwinden, aufstieg“.
„Es ist dringend, besonders unter den heutigen Umständen, dass diese Rivalitäten nicht wieder an Kraft gewinnen, sondern dass sich alle als Teil einer einzigen Familie erkennen“, sagte er laut der Nachrichtenagentur „Agenzia Nova“.
Papst Franziskus forderte auch eine Lockerung der internationalen Sanktionen gegen die betroffenen Länder und eine Verringerung oder einen Erlass der Schulden, die die Haushalte der ärmsten Länder belasten. „Dies ist nicht die Zeit für Spaltungen“, sagte er.
Für den Papst ist die Antwort auf diese Situation nicht eine Rückkehr zum Egoismus oder eine Rückkehr in die Vergangenheit, „die die Entwicklung der neuen Generationen gefährdet“, schreibt die „Agenzia Nova“.
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