EU-Infrastrukturprojekte oft verzögert und zu teuer – Rechnungsprüfer bemängeln fehlende Kosten-Nutzen-Analyse
Der Europäische Rechnungshof hat Verzögerungen und Verteuerungen bei von der EU kofinanzierten grenzüberschreitenden Infrastrukturprojekten beklagt. „Hauptgrund für diese schlechten Ergebnisse war die mangelhafte Koordinierung der Projekte zwischen den Ländern“, erklärten die in Luxemburg ansässigen Rechnungsprüfer am Dienstag.
Unter den bemängelten Vorhaben finden sich etwa der Brenner-Basistunnel von Österreich nach Italien und die feste Fehmarnbeltquerung von Deutschland nach Dänemark.
Der neue Brenner-Tunnel für den Eisenbahnverkehr von Österreich nach Norditalien ist demnach ein besonders negatives Beispiel: Der Bau des Tunnels und dessen Zulaufstrecken liege um zwölf Jahre hinter dem Zeitplan zurück.
Die Inbetriebnahme werde voraussichtlich erst nach 2030 erfolgen. „Darüber hinaus wird die deutsche Zulaufstrecke möglicherweise erst zwischen 2040 und 2050 fertiggestellt sein.“
Die Hauptbauphase des Projekts, mit dem Österreich und Italien den Güterverkehr zunehmend von der Straße auf die Schiene verlagern wollen, lief 2011 an. Doch schon bei der Planung sei einiges schiefgelaufen.
„Weder Österreich, Italien, Deutschland noch die EU haben jemals eine umfassende strategische Kosten-Nutzen-Analyse der gesamten 445 km langen Strecke von München nach Verona“ gemacht, beklagten die Rechnungsprüfer.
Das ursprünglich prognostizierte Verkehrsaufkommen sei mittlerweile zurückgegangen. Doch auch eine neue Kosten-Nutzen-Analyse von 2019 basiere nicht „auf einer harmonisierten Verkehrsstudie zwischen den Mitgliedstaaten und bezieht die nördlichen Zubringerstrecken auf deutschem Gebiet nicht mit ein“.
Hintergrund sind demnach auch Streitigkeiten zwischen Österreich und Deutschland bei der Methodik. Insgesamt sei die Wirtschaftlichkeit der EU-Kofinanzierung des Projekts in Gefahr, erklärte der Rechnungshof.
Auch beim deutsch-dänischen Projekt der festen Fehmarnbeltquerung stellten die Prüfer Schwachstellen bei der Kosten-Nutzen-Analyse fest.
Der 18 Kilometer lange Unterseetunnel soll eine Straßen- und Schienennetzverbindung zwischen Deutschland und Dänemark schaffen. Insbesondere bei der Auslastung des Eisenbahnteils seien die Prognosen aber zu optimistisch gewesen.
Auch zehn Jahre nach der Eröffnung würden voraussichtlich nur eine Million Fahrgäste in beide Richtungen die Strecke nutzen – „für eine Hochgeschwindigkeitslinie viel zu wenig, um wirtschaftlich tragfähig zu sein“, erklärte das für den Bericht zuständige Mitglied des Rechnungshofs, Oscar Herics.
Zudem stellten die Rechnungsprüfer bei der Umsetzung eine Verzögerung um zehn Jahre und eine Zunahme der Kosten um 54 Prozent im Vergleich zur ursprünglichen Schätzung fest.
Unter anderem waren in der Kostenanalyse nötige Modernisierungen und Lärmschutzmaßnahmen auf deutscher Seite nicht berücksichtigt worden. Für die Verzögerungen seien vor allem Umweltbedenken und entsprechend eingelegte Rechtsmittel von deutschen Organisationen verantwortlich.
Die feste Fehmarnbeltquerung ist in erster Linie ein Projekt der dänischen Regierung. Das Vorhaben soll die Transportwege von und nach Skandinavien verkürzen. Auf deutscher Seite wird das Projekt teils sehr kritisch gesehen.
Der Bericht der Rechnungsprüfer kommt grundsätzlich zu dem Schluss, dass die EU- Mitgliedstaaten grenzüberschreitende Projekte oft nicht in gleichem Maße wie nationale Vorhaben unterstützen. Ein weiteres Problem sei dann, dass die Umsetzung „beiderseits der Grenze nicht immer im gleichen Tempo erfolgt“. (afp)
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