EU holt bei Impfstoffbeschaffung weiteren Hersteller ins Boot – Deutschland hat bei Biontech-Impfstoff keinen Vorrang
Die EU-Kommission hat bei der Beschaffung von Impfstoff einen weiteren möglichen Hersteller ins Boot geholt. Die Behörde erklärte am Dienstag, sie habe Sondierungsgespräche mit dem französisch-österreichischen Anbieter Valneva abgeschlossen. Der geplante Vertrag sehe in einem ersten Schritt die Lieferung von 30 Millionen Dosen und eine Option auf weitere 30 Millionen Dosen vor. Mit einer Zulassung wird nicht vor dem zweiten Halbjahr 2021 gerechnet.
Die EU hat seit dem Sommer im Auftrag der Mitgliedstaaten mit insgesamt sechs Herstellern bereits feste Lieferverträge geschlossen: Astrazeneca, Sanofi-GSK, Johnson & Johnson, Biontech-Pfizer, Curevac und Moderna. Wie bei Valneva sind die Sonderierungsgespräche daneben auch mit dem US-Unternehmen Novavax abgeschlossen.
EU hat 2,3 Milliarden Impfdosen bestellt
Insgesamt hat die EU fest bereits bis zu 2,3 Milliarden Dosen bestellt. Allerdings ist bei den meisten Herstellern nicht sicher, wann sie liefern können. In der EU zugelassen sind bisher nur die Impfstoffe von Biontech-Pfizer und Moderna. Ende des Monats will die EU-Arzneimittelbehörde EMA über den Astrazeneca-Impfstoff entscheiden.
Der Leiter des deutschen Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus Cichutek, rechnet in diesem Jahr mit „sechs bis sieben“ weiteren Anträgen auf die Zulassung von Impstoffen. „Da bestehen gute Aussichten, dass weitere Impfstoffprodukte im Laufe des Jahres auf den Markt kommen“, sagte er im Interview mit RTL und ntv. Nach der Zulassung durch die EMA prüft das Paul-Ehrlich-Institut die Impfstoff-Chargen für Deutschland.
Klassische Technologie statt mRNA bei Valneva
Anders als die neuartigen mRNA-Impfstoffe von Biontech und Moderna wird für das Präparat von Valneva eine klassische Technologie mit inaktiven Viren verwendet wie sie bei den meisten Influenza-Präparaten zum Einsatz kommt. Er wird derzeit in klinischen Studien in Europa getestet.
Valneva rechnet bei einem erfolgreichen Verlauf mit einer vorläufigen Zulassung im zweiten Halbjahr 2021. Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben in Österreich, Schweden, Großbritannien, Frankreich, Kanada und den USA vertreten und beschäftigt gut 500 Menschen.
EU-Kommission: Deutschland hat bei Biontech-Impfstoff keinen Vorrang
Im Übrigen habe Deutschland nach Angaben der EU-Kommission keinen Vorrang bei der Belieferung mit dem Corona-Impfstoff des Mainzer Unternehmens Biontech und seines US-Partners Pfizer. Sie wisse nichts von nationalen Absprachen mit Impfstoffherstellern, sagte die Generaldirektorin der Kommissionsabteilung für Gesundheit, Sandra Gallina, am Dienstag in einer Anhörung im EU-Parlament in Brüssel.
Und in jedem Fall ist klar, dass die Lieferungen an Europa Vorrang haben.“
Die 27 EU-Staaten hatten die Kommission im Juni damit beauftragt, für sie Impfstoffe vorzubestellen. Dies sollte einen Wettlauf zwischen den EU-Regierungen um die Präparate verhindern und zudem günstigere Einkaufskonditionen sichern. Das Bundesgesundheitsministerium hatte aber im Dezember mitgeteilt, dass Berlin neben den Bestellungen über die EU national nochmals 30 Millionen Dosen bei Biontech und seinem US-Partner Pfizer geordert habe.
„Empörung“ in Brüssel und EU über Deutschlands Vorgehen bei heimischen Impfstoffen
In Brüssel und in anderen Mitgliedstaaten sorgte dies für Empörung. Viele fühlten sich an deutsche Alleingänge zu Anfang der Corona-Pandemie erinnert, als Berlin etwa die Ausfuhr von Schutzausrüstung an die EU-Partner unterband.
„Parallele Vereinbarungen sind nicht möglich“, unterstrich nun die für Impfstoff-Bestellungen zuständige Verhandlungsführerin Gallina unter Verweis auf bereits von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geäußerte Kritik am Vorgehen der Bundesregierung. „Und ich muss sagen, ich habe bisher auch noch keine (nationale Vereinbarung mit Impfstoffherstellern) gesehen.“ Die Kommission sei nicht von bilateralen Absprachen Berlins mit Biontech in Kenntnis gesetzt worden.
In jedem Fall hätten die Hersteller sich zu proportionell zur Einwohnerzahl gleichen Lieferungen an alle Mitgliedstaaten verpflichtet. „Und auch wenn einige Mitgliedstaaten nicht ihre Gesamtmenge wollen, werden die verbleibenden Impfstoffdosen zu gleichen Teilen an die übrigen Mitgliedstaaten verteilt“, sagte Gallina.
„Wir haben alles gekauft, was wir kaufen konnten“
Den Vorwurf, die Kommission habe nicht genug Impfstoff bestellt, wies die Abteilungsleiterin zurück. „Wir haben alles gekauft, was wir kaufen konnten.“ Dabei habe auch der Preis der einzelnen Vakzine, die Haftungsbereitschaft der Hersteller und deren Produktions- und Lieferkapazitäten eine Rolle gespielt. „Wenn ich mehr einkaufe, aber es nicht geliefert wird, was bringt es dann?“
Die EU-Abgeordneten im Umweltausschuss forderten mehr Transparenz. Die EU-Kommission hatte Vertragsdetails wie die Preise der einzelnen Vakzine und Fragen der Haftung bei Nebenwirkungen unter Verweis auf Vertraulichkeitsklauseln nicht publik gemacht.
Am Dienstag gewährte das Tübinger Pharmaunternehmen Curevac, mit dem die Kommission ebenfalls einen Liefervertrag für dessen bislang nicht zugelassenen Impfstoff abgeschlossen hat, als erster Hersteller Einsicht in die Vertragsdokumente. Allerdings unter strengen Auflagen: Wenige Abgeordnete können redigierte Versionen der Verträge für kurze Zeit und erst nach Unterzeichnung einer Vertraulichkeitsvereinbarung einsehen. (afp)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion