EU-Abkommen über engere Beziehungen zur Schweiz vor möglichem Abschluss
Die Europäische Kommission hofft auf eine frohe Weihnachtsbotschaft aus Bern: Nach jahrelangem Tauziehen und Vorbehalten aus dem Alpenland könnten die EU und die Schweiz noch in dieser Woche ein Abkommen schließen, das eine engere Zusammenarbeit regeln soll. Anschließend müsste die Vereinbarung allerdings wohl ein Schweizer Referendum überstehen – und der Widerstand in Teilen der Bevölkerung ist groß.
Worum geht es?
Bislang sind die Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz in mehr als 120 einzelnen Abkommen geregelt, die nun durch einen umfassenden Text ersetzt werden sollen. Dazu gehören Regeln für den Strommarkt, die Lebensmittelsicherheit und das Gesundheitssystem.
Der Schweiz geht es um einen besseren Zugang zum Binnenmarkt der EU und um Fördergelder etwa aus dem Forschungsprogramm Horizon Europe. Im Gegenzug soll sich Bern dauerhaft verpflichten, in den EU-Fonds für wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt einzuzahlen.
Die Behörden sollen zudem sicherstellen, dass sich Schweizer Unternehmen an EU-Regeln halten, wenn sie auf dem europäischen Binnenmarkt handeln.
Warum gibt es in der Schweiz Bedenken?
Die Schweizer Gewerkschaften fürchten um den Schutz der hohen Löhne in ihrem Land, wenn der Arbeitsmarkt stärker für EU-Bürger geöffnet wird. Die Schweiz fürchtet zudem um die Kontrolle über die Einwanderung in das Alpenland, obwohl Arbeitskräfte aus dem Ausland eigentlich gebraucht werden.
Vorbehalte gibt es auch gegen ein geplantes Schiedsgericht, das in bestimmten Streitfällen entscheiden soll. Nach Ansicht der stärksten Partei im Schweizer Nationalrat, der Schweizerischen Volkspartei (SVP), ist es eine Gefahr für die Unabhängigkeit des Justizsystems.
Streitpunkt Deutsche Bahn
Ein weiteres Problem ist aus Schweizer Sicht die mangelnde Pünktlichkeit der Deutschen Bahn. Die EU will den Verkehr an den Grenzen stärken, durch das Land führen zudem wichtige Bahnstrecken zwischen Nord- und Südeuropa.
Die Schweiz will diesen internationalen Verbindungen aber keinen Vorrang einräumen, um die Pünktlichkeit der Schweizer Züge sicherzustellen.
Wo stehen die Verhandlungen?
„Es sind nur noch wenige Fragen offen“, erklärte EU-Handelskommissar Maros Sefcovic am Dienstag im Onlinedienst X. „Unser Ziel ist es, die Gespräche über die Ziellinie zu bringen“, fügte er hinzu. Der Schweizer Außenminister Ignazio Cassis gab sich vorsichtiger: In den finalen Verhandlungen komme es „auf jedes Detail an, um ein ausgewogenes Abkommen zu erzielen, das unsere bilateralen Beziehungen stabilisieren und weiterentwickeln wird“.
Schweizer Medien berichteten derweil, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen plane am Freitag eine Reise nach Bern, um das Abkommen zu unterzeichnen. Offiziell ist das jedoch nicht bestätigt, die Verhandlungen dauern an.
Kann die Schweiz das Abkommen noch kippen?
Ja, denn nach der Unterschrift müssen beide Seiten das Abkommen ratifizieren. In der Schweiz könnte dafür eine Volksbefragung nötig sein, denkbar ist auch eine Kombination aus Referendum und Abstimmung unter den Kantonen oder eine Aufteilung des vereinbarten Textes in mehrere Teile, über die einzeln abgestimmt wird.
Beobachter gehen davon aus, dass die endgültige Entscheidung frühestens 2027 fallen könnte. (afp/red)
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