Es geht um mehr als nur um einen Chat

Am 24. März berichtete das amerikanische Magazin „The Atlantic“, dass der Nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Mike Waltz, den Chefredakteur des Magazins, Jeffrey Goldberg, am 13. März versehentlich zu einem Signal-Gruppenchat eingeladen hatte. Der Chat habe den Gruppennamen „Houthi PC Small Group“ getragen. Dort sprachen die Teilnehmer laut inzwischen von „The Atlantic“ veröffentlichtem Chat-Verlauf über Einzelheiten eines Luftangriffs auf die vom Iran unterstützte Huthi-Miliz im Jemen.
Die „vierte Gewalt“: Missstände aufdecken
Der Journalist Goldberg hatte wohl rasch erkannt, dass seine Telefonnummer versehentlich benutzt worden war, um ihn der Chatgruppe hinzuzufügen. Obwohl er damit ein unberechtigter Teilnehmer war, verhielt sich Goldberg während des Chats still und hielt den Chat-Verlauf fest. Denn er erkannte sofort, dass sich hier eine Sicherheitslücke im hochsensiblen Bereich der nationalen Sicherheit der USA aufgetan hatte. Und als Journalist fühlte er sich verpflichtet, diesen Missstand öffentlich zu machen.
Eine Alternative hätte sein können, dass sich Goldberg zu Beginn des Chats zu erkennen gab. Doch in Demokratien gilt: Eine der Aufgaben von Journalisten ist es, gewissermaßen als „vierte Gewalt“ im Staat zu fungieren, indem sie Politiker überprüfen und Missstände aufdecken.
Geheim oder nicht geheim?
Die Signal-Chat-Gruppe, die von Waltz eingerichtet worden war, bestand aus hochrangigen Teilnehmern. Darunter waren unter anderem Außenminister Marco Rubio, Vizepräsident JD Vance, Geheimdienstkoordinatorin Tulsi Gabbard, Verteidigungsminister Pete Hegseth, CIA-Direktor John Ratcliffe sowie Trumps Verhandlungsführer für den Nahen Osten und die Ukraine, Steve Witkoff.
Sowohl Verteidigungsminister Hegseth als auch das Weiße Haus bestritten inzwischen, dass in der Signal-Gruppe als geheim eingestufte Informationen besprochen worden wären.
Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates hat gegenüber der US-Ausgabe der Epoch Times erklärt, dass das von Goldberg in seinem Artikel beschriebene Gespräch „authentisch zu sein scheint“. Denn grundsätzlich können Chats gefakt werden.
Der von CNN als Experte herangezogene General a. D. Mark Kimmitt bewertete in einer Analyse des amerikanischen Fernsehsenders die Aussage von Hegseth folgendermaßen: Ob der Chat-Inhalt technisch geheim war, sei unerheblich. Denn Hegseth sei als Verteidigungsminister befugt, Pentagon-Informationen freizugeben. „Wenn er sagt, dass es nicht geheim ist, dann ist es nicht geheim“, sagte Kimmitt. Aber „die grundlegende Frage, die wir stellen sollten, lautet: ‚Hätte die Information als geheim eingestuft werden sollen?‘ Und die Antwort lautet natürlich ja.“
Signal sei nach Ansicht Kimmitts „eine relativ sichere App“, und die Operation sei ja erfolgreich verlaufen. „Ich habe in einer Armee gedient, in der Fehler, die unbeabsichtigt gemacht wurden und keinen Schaden anrichteten, verziehen werden“, so der ehemalige General.
Gleicher Fehler: Deutscher General auf Webex
Ähnlich wie Kimmitt hat auch Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vor ziemlich genau einem Jahr einen vergleichbaren Fall in der Bundeswehr bewertet. Vier hochrangige Offiziere, darunter der Luftwaffen-Chef Generalleutnant (Drei-Sterne-General) Ingo Gerhartz, hatten Ende Februar 2024 in einer Telefonkonferenz mittels der öffentlichen Plattform Webex zur Vorbereitung eines Gesprächs mit dem Verteidigungsminister Einsatzszenarien für den deutschen Marschflugkörper Taurus erörtert.
Damals war noch die Frage offen, ob Deutschland diese weitreichende Waffe doch noch an die Ukraine liefern werde. Besonders heikel: Die Offiziere diskutierten ganz konkret, ob Taurus-Marschflugkörper in der Lage wären, die Brücke zur Krim zu zerstören, um dadurch die Halbinsel von Russland abzuschneiden.
Sehr detailliert ging es auch darum, wie die ukrainischen Streitkräfte für die Zielprogrammierung ausgebildet werden könnten oder ob die Programmierung aufgrund des langen Trainings von Bundeswehrsoldaten vorgenommen werden sollte. Die Teilnehmer kamen zu dem Schluss, dass ein schneller Einsatz des Taurus nur mit Beteiligung deutscher Soldaten umzusetzen sei.
Dieses Gespräch wurde vom russischen Geheimdienst mitgehört und kurz darauf auf der russischen Plattform „Russia Today“ veröffentlicht. Russland wurde damals in den deutschen Medien unterstellt, es beabsichtige, Deutschland als Kriegspartei im Ukraine-Konflikt darzustellen.
Während der damalige Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages, Konstantin von Notz (Grüne), umgehend die Frage aufwarf, „ob es sich hier um einen einmaligen Vorgang oder um ein strukturelles Sicherheitsproblem“ handle, konzentrierte sich der CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter auf die russische Veröffentlichung, in der er ein „Ablenkungsmanöver“ vermutete. Dass sich die Offiziere, indem sie für ihre Schaltkonferenz keine geschützte Leitung genutzt hatten, fahrlässig verhalten haben könnten, wurde eher in der Presse diskutiert.
Richtig ist: Spätestens seit der Aufstellung des Cyber-Kommandos der Bundeswehr im Jahr 2017 durch die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) werden alle Bundeswehrstellen – insbesondere die Generalität – über Cybersicherheit ständig informiert. In Rheinbach bei Bonn sitzen die IT-Cracks, die genauso wie in anderen Armeen, genau wissen, welche Fallen das Internet stellt und wie sich die Truppe dagegen schützen kann. Unwissenheit konnte der Luftwaffen-Webex-Gruppe im Jahr 2024 jedenfalls nicht unterstellt werden. Jeder andere Soldat wäre für solch eine Fahrlässigkeit höchstwahrscheinlich bestraft oder sogar außer Dienst gestellt worden.
Doch Verteidigungsminister Pistorius entschied sich dazu, den Hauptverantwortlichen für den Abhörskandal, Luftwaffenchef Gerhartz und auch die anderen Beteiligten, nicht zu entlassen. Sein Argument lautete: „Ich werde niemanden meiner besten Offiziere Putins Spielen opfern.“ Nur – die Russen hatten dieses Gespräch lediglich abgehört; geführt hatten es die Deutschen.
Klage gegen fünf Chat-Mitlieder eingereicht
Es gibt keine gesetzlichen Bestimmungen, die US-Regierungsmitgliedern die Nutzung von Signal ausdrücklich verbietet. Und so stellt sich der amerikanische Präsident Donald Trump genauso wie Pistorius vor seine Leute. Beth Sanner, eine CNN-Sicherheitsexpertin, mahnt, das Thema über die Verwendung einer Messenger-App solle kein parteiisches Thema sein, sondern vielmehr eine Chance für Veränderungen.
„Wir müssen verstehen, dass die ganze Politisierung dieses Themas es für jeden schwieriger macht, jetzt die richtigen Lehren daraus zu ziehen. Nämlich künftig die Kommunikation so zu führen, dass unsere Gegner nicht wissen können, was wir tun und wie wir es tun“, appellierte Sanner an die Washingtoner Politik.
Ob Trumps Truppe jedoch ungeschoren aus der Signal-Affäre hervorgeht, ist derzeit vollkommen offen. Denn gegen fünf Teilnehmer der Chat-Gruppe wurde nun eine Bundesklage wegen der Nutzung von Signal eingereicht. Der Fall wurde dem US-Bezirksrichter James Boasberg zugewiesen. Er gilt als heftiger Gegner Trumps. Dies berichtete die britische „Economic Times“.
Der Fall wurde von der American Oversight eingereicht, eine Aktivistenorganisation, die sich nach eigenen Worten als „überparteiliche, gemeinnützige Kontrollinstanz“ bezeichnet. Sie sei der „Wahrheit“ verpflichtet und fördere die Demokratie. Sie ist für ihre Gegnerschaft zu den Republikanern bekannt.
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