Erstmal vom Tisch: „Frei-Testen“-Antrag ließ Parlamentsserver zusammenbrechen
Österreichs Gesundheitsminister Rudolf Anschober hat am Montagvormittag, 4. Januar, nach einer Sitzung des Hauptausschusses des Nationalrats erklärt, dass die geplante Option des „Freitestens“ bis auf Weiteres nicht verfügbar sein werde. Gleichzeitig verkündete Anschober (Grüne) die Verlängerung des Lockdown bis zum 24. Januar.
Das „Freitesten“ war im Regierungsentwurf für eine Novelle zum Epidemiegesetz sowie dem COVID-19-Maßnahmengesetz enthalten, nach welchen sich Bürger durch den Nachweis der Teilnahme an einem Corona-Screening-Programm von Einschränkungen durch den Lockdown befreien lassen können.
Ausschlaggebend für die Befreiung der Corona-Sanktionen sei ein negatives Testergebnis auf SARS-CoV-2 oder eine in den vorangegangenen drei Monaten überstandene Infektion. Mit der Bescheinigung solle der Zugang zu Großveranstaltungen wieder ermöglicht werden.
Anschober will am Dienstag neue Gespräche mit Opposition führen
Die Opposition aus SPÖ, FPÖ und NEOS hatte das Gesetzespaket abgelehnt. Da sie im Bundesrat über eine Mehrheit verfügt, wird die Novelle nicht in Kraft treten. Kritik gab es vonseiten der Parteien an der Begutachtungsfrist, aber auch die Eignung der Corona-Tests zur eindeutigen Feststellung einer Infektion wurden infrage gestellt.
Wie die „Oberösterreichischen Nachrichten“ berichten, will Anschober am morgigen Dienstag, 5. Januar, bei einem weiteren Gesprächstermin mit der Opposition zumindest in jenen Bereichen einen Konsens erzielen, der sich nicht auf die individuellen Screening-Nachweise bezieht.
Ansturm auf Parlamentsserver
Der öffentliche Begutachtungsprozess zur geplanten Novelle, deren Fokus auf dem „Freitesten“ liegen sollte, hat offenbar eine größere Resonanz hervorgerufen als von der Regierung angenommen. Wie der „Standard“ berichtet, mussten „mehr Hard- und Software zugeschaltet“ werden, weil die Website zeitweilig unter der Last des Ansturms interessierter Nutzer zusammenbrach.
Es wurden mehr als 9.000 Stellungnahmen aus der Bevölkerung zu der geplanten Novelle eingereicht. Am 3. Januar endete die Begutachtungsfrist. Wie auch die Opposition kritisierte eine Vielzahl an Nutzern, dass die Frist zur Begutachtung in Anbetracht der weitreichenden Folgen des Gesetzes viel zu kurz bemessen sei.
Die Regierung hatte hingegen im Zuge der Debatte gegen eine Verlängerung argumentiert, weil eine solche das geplante Ende des Lockdowns hinauszögern würde.
Ein Nutzer, der zur Website durchkam und freigeschaltet wurde, schreibt: „Bezugnehmend auf die sogenannten Freitests möchte ich festhalten, dass mittlerweile jeder weiß dass diese Tests keine konkreten Aussagen machen ob man positiv oder negativ ist, was dazukommt ist, dass wenn man diesen Test macht am nächsten Tag doch erkranken könnte, sie sperren die Menschen wochenlang ein und dann wird ein „freitesten“ verlangt, für wie dumm halten sie die österreichischen Bevölkerung eigentlich? Es ist für jeden schon ersichtlich dass da ganz was anderes dahinter steckt. Sie möchten gesunde Menschen impfen mit einem Impfstoff der in 10 Monate eine Zulassung erlangte, wo andere 5 bis 12 Jahre dazu benötigen. Dieser Virus ist kein Killervirus, dass steht fest. Mittlerweile kenne ich genug Personen die an diesen Virus erkrankt sind und die meisten hatten harmlose Grippesymptome und nicht einmal die Familienmitglieder die im gleichen Haushalt leben wurden infiziert. Wenn ich Aussagen höre das die Politiker auf eine Impfung verzichten um der Bevölkerung den Vortritt zu lassen, läuten bei mir alle Glocken. Man kann einen Freitest machen und darf 1 Woche früher in ein Restaurant in eine Veranstaltung und sich freier bewegen, obwohl dieser Test keine Garantie dafür ist das man sich nicht am folgenden Tag infiziert wissen sie was, da frag ich mich wirklich, welche hellen Köpfe in unserer Regierung sitzen und das fragen sich mittlerweile sehr sehr viele Menschen. Beenden Sie endlich diesen Wahnsinn, bevor Sie noch mehr zerstören und noch mehr Menschen in den finanziellen und seelischen Ruin treiben.“
PCR-Tests zu wenig aussagekräftig?
Kritik wurde auch an der Qualität von PCR-Tests und ihrer Eignung zur Bestimmung eines Infektionsrisikos geübt. Diese sei nicht verlässlich genug, um eine Befreiung negativ Getesteter von Corona-Maßnahmen zu rechtfertigen. So heißt es in einer Stellungnahme, die der Regierung von Susanne Walcher, Regulatory Affair Manager von Biopharmaceuticals, Sandoz GmbH, auf dem Server übermittelt wurde:
„Die Vorlage eines negativen Testergebnisses als Persilschein für ein vorzeitiges Ende von Lockdown und Ausgangssperre für die getestete Person, ist vom wissenschaftlichen Standpunkt her unsinnig. Analog dazu wäre auch §5 StVO entsprechend anzupassen, sodass ein negativer Alkoholtest mehrere Tage lang zum Nachweis der Fahrfähigkeit herangezogen werden könnte.“
In ihrer Stellungnahme hieß es weiter, dass der PCR-Test nicht zwischen vermehrungsfähigen und nicht vermehrungsfähigen Viren unterscheide, was zur Folge habe, dass eine Person, bei der ein PCR-Test positiv verlaufe, nicht zwingend auch mit SARS-CoV-2 infiziert, an COVID-19 erkrankt oder ansteckend sei.
Aussagekräftiger sei da schon ein Antikörpertest – dieser würde „die Unterscheidung zwischen wissenschaftlich interessanten und medizinisch relevanten Fällen sehr erleichtern“.
Kritik an kurzer Begutachtungsfrist auch aus der SPÖ
Andere Nutzer wiesen darauf hin, dass ein Testergebnis lediglich eine Momentaufnahme darstelle und keinen Prognosewert bezüglich einer künftigen Virenlast einer Person zulasse. Weitere befürchten, dass eine indirekte Impfpflicht nur der logische nächste Schritt des „Freitestens“ wäre.
Die Bundesregierung schließt kategorisch aus, dass es eine vom staatlichen Hoheitsträger verordnete Pflicht zur Impfung geben werde. Allerdings ist es offenbar auch nicht beabsichtigt, den Katalog gesetzlicher Diskriminierungsverbote für Private auf Nicht-Geimpfte zu erweitern.
Vizekanzler Werner Kogler erklärte entsprechend auch in „Ö1“: „Wie das Private für ihr eigenes Geschäft handhaben werden, müssen diese allerdings selbst beantworten.“
Tirols SPÖ-Chef Georg Dornauer begründet das „Nein“ seines Landes zur geplanten Novelle im Bundesrat unter anderem mit der „höchst problematischen“ Kürze der Begutachtungsfrist, die „an Arroganz kaum zu überbieten“ sei. Allerdings sieht er auch inhaltlich keinen Anlass für ein „Freitesten“. Im „Standard“ äußert er:
„Wer sich bis 18. Jänner an den harten Lockdown hält, braucht aus unserer Sicht keine Bestätigung, um ein Handelsgeschäft oder ein Gasthaus besuchen zu dürfen.“
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