Erster EU-Antrag auf Zulassung von Laborfleisch

Entenstopfleber aus dem Reagenzglas? Das Start-up Gourmey hat den ersten Antrag auf EU-Zulassung seiner im Labor gezüchteten Foie Gras gestellt. Längst ist die Diskussion um im Labor gezüchtetes Fleisch entbrannt. In der EU fällt es in die Kategorie „neuartiges Lebensmittel“.
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„Künstlicher Laborfraß“ oder nachhaltiges Produkt – ersetzt Laborfleisch bald echtes Fleisch?Foto: anyaivanova/iStock
Von 2. August 2024

Das französische Unternehmen Gourmey hat als erstes in der Europäischen Union eine Zulassung für künstliche Entenstoffeber, sprich Foie Gras, beantragt. Foie Gras wird traditionell durch das Zwangsmästen von Enten und Gänsen hergestellt. Das Wort bedeutet auf Deutsch „Fettleber“. Diese Praxis hat zu erheblichen ethischen Bedenken und in vielen Ländern zu einem Verbot geführt, auch in vielen der EU-Länder. Nur Frankreich, Spanien, Ungarn, Bulgarien und ein Teil von Belgien produzieren noch Stopfleber.

Herstellung der künstlichen Foie Gras

Das Start-up Gourmey kultiviert ihre Labor-Foie-Gras nach eigenen Angaben aus Zellen, die aus Enteneiern entnommen und in einer speziellen Nährlösung ohne Antibiotika oder tierische Produkte wie Kälberserum gezüchtet werden. Das Unternehmen bewirbt sein Produkt damit, dass es jetzt einen Weg gefunden habe, Foie Gras im Labor herzustellen, wodurch die Notwendigkeit der Tierquälerei entfällt.

Im Labor gezüchtetes Fleisch ist in der EU als „neuartiges Lebensmittel“ durch die Novel-Food-Verordnung (EU 2015/2283) geregelt. Geprüft wird die Zulassung von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, die diese neuartigen Lebensmittel einer gesundheitlichen Bewertung unterzieht.

Nach EU-Recht muss ein Unternehmen, das ein neuartiges Lebensmittel auf den Markt bringen will, einen Zulassungsantrag bei der Europäischen Kommission stellen. Geprüft werden Sicherheit und Nährwert sowie soziale, wirtschaftliche und ökologische Auswirkungen. Für den Prüfungszeitraum werden etwa 18 Monate anberaumt.

Sollten die Anforderungen erfüllt werden, könnte Gourmey das erste Unternehmen sein, das sogenanntes kultiviertes Fleisch, also Laborfleisch, in der EU auf den Markt bringt. Dies könnte Tür und Tor für weitere Markteintritte von Produkten dieser Art öffnen.

Fleisch aus dem Reagenzglas – bald zugelassen?

Nicolas Morin-Forest, CEO von Gourmey, erklärte in einer Pressemitteilung des Unternehmens, dass er sich auf die Zusammenarbeit mit den Regulierungsbehörden freue, um die Einhaltung der Sicherheitsanforderungen zu gewährleisten. Er zeigte sich zuversichtlich, dass seine Produkte die von den EU-Behörden festgelegten „äußerst anspruchsvollen Standards“ erfüllen werden.

Gourmey wirbt damit und beruft sich dabei auf eine in Finnland eigens beauftragte Studie der Universität Helsinki und dem Natural Resources Institute Finland. Dieser zufolge ist durch den künstlichen Produktionsprozess nicht nur eine ethischere Herstellung, sondern auch eine signifikante Reduktion des ökologischen Fußabdrucks ermöglicht. Kultiviertes Fleisch könne die Treibhausgasemissionen um bis zu 92 Prozent und den Landbedarf um bis zu 90 Prozent senken. 

Das in Paris ansässige und produzierende Start-up hat sein Startkapital 2022 in einer Finanzierungsrunde durch Risikokapital in Höhe von in der Branche bislang unerreichten 48 Millionen Euro eingesammelt. Gourmey hat einen Zulassungsantrag für fünf Märkte gestellt: neben der EU noch in Singapur, den Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Königreich und der Schweiz. 

Singapur war das erste Land, das im Jahr 2020 die kommerzielle Zulassung für Hühnerfleisch aus dem Labor erteilte. In den USA wurde im Jahr 2023 ebenfalls eine Zulassung erteilt. Die weltweit erste Erlaubnis für in-vitro-Rindfleisch hatte Israel im Januar 2024 dem Unternehmen Aleph Farms gegeben. Das israelische Unternehmen Aleph Farms hat den Antrag zur Zulassung seines Labor-Rindfleisches auch im Juli 2023 beim Schweizer Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) eingereicht, es arbeitet dabei mit dem Lebensmittelkonzern Migros zusammen. Das war der erste Zulassungsantrag in Europa.

Neben Gourmey haben auch andere Unternehmen wie The Cultivated B und Mosa Meat ähnliche Zulassungsanträge gestellt. 

Gut fürs Klima? Fleisch aus dem Reagenzglas

Sogenanntes „kultiviertes Fleisch“, auch als Laborfleisch oder in-vitro-Fleisch bezeichnet, wird aus tierischen Zellen im Labor gezüchtet. Anstatt Tiere zu schlachten, entnimmt man ihnen Zellen, die dann in einer Nährlösung wachsen und sich vermehren. Bei dem Prozess werden die natürlichen Bedingungen im Körper des Tieres nachgeahmt, wodurch echtes Fleisch entsteht.

Befürworter sehen darin eine nachhaltigere und ethische Alternative zur traditionellen Fleischherstellung, da die Produktion von Laborfleisch weniger Ressourcen verbraucht und das Leid der Tiere reduzieren soll. Zudem könnte es helfen, so die Argumentation, Umweltprobleme wie Treibhausgasemissionen und Landnutzungsprobleme zu mindern.

Für Kritiker oft „künstlicher Laborfraß“

Skeptische Verbraucher nennen die neuen Produkte oft „künstlicher Laborfraß“, wie Florian Aigner bei „Future Zone“ schreibt. Die Ethik der Nutzung von tierischen Zellen und Nährlösungen mit tierischen Bestandteilen wird hinterfragt. Vorbehalte gibt es auch, da es bisher nicht ausreichend Studien zu potenziellen gesundheitlichen Risiken und zu sonstigen Folgen des Konsums gibt. 

Auch der Aspekt des Umweltschutzes oder Energieaufwandes gilt unter Kritikern als unbelegt, zumal die Herstellung des Laborfleisches aktuell sehr energieintensiv ist und somit das Argument der besseren Gesamtumweltbilanz fragwürdig erscheint. Ebenfalls stehen Bedenken im Raum, dass große Unternehmen den Markt dominieren und kleine Bauernhöfe verdrängen könnten.

Kulinarische Traditionen in Europa: Echte Lebensmittel

Die Landwirtschaftsminister Frankreichs, Italiens und Österreichs hatten bereits im Januar 2024, ein halbes Jahr vor dem Antrag des Laborfleich-Start-ups Gourmey, dem EU-Rat gegenüber die Eignung der EU-Verordnung über neuartige Lebensmittel in Bezug auf in-vitro-Fleisch infrage gestellt. Gefordert wurde eine strengere Bewertung dieser kultivierten Produkte, diese sollten denen für neue Medikamente und pharmazeutische Produkte ähneln beziehungsweise angepasst werden.

In der Mitteilung an den Rat, unterstützt von Ministern aus Tschechien, Zypern, Griechenland, Ungarn, Luxemburg, Litauen, Malta, Rumänien und der Slowakei, wurde argumentiert, dass im Labor gezüchtetes Fleisch eine Bedrohung für „echte Lebensmittelerzeugungsmethoden“ darstelle.

Vor Kurzem initiierte Ungarn (das seit 1. Juli den Vorsitz der EU-Ratspräsidentschaft sechs Monate lang innehat) eine Debatte im Rat über die möglichen negativen Auswirkungen neuartiger Lebensmittel auf die kulinarischen Traditionen Europas. Budapest erklärte hierbei, dass Fleisch und Milchprodukte aus der Landwirtschaft nach wie vor ein Eckpfeiler der europäischen Esskultur seien und verwies auf die „Skepsis der Bürger“ gegenüber neuen Lebensmitteln.

USA und Italien: Erste Verbote von Laborfleisch

Italien hat unterdessen die Herstellung und den Verkauf von künstlich erzeugtem Fleisch verboten.

Auch in den USA werden erste Verbote erlassen. Vorreiter war hier Florida, das als erster US-Bundesstaat Kunstfleisch aus dem Labor untersagt hat – zum Schutz der Bevölkerung und der lokalen Viehwirtschaft. Die Maßnahme soll nach Aussage von Gouverneur Ron DeSantis dem angeblichen Ziel des Weltwirtschaftsforums entgegenwirken, die weltweite Ernährung auf gezüchtetes Fleisch umzustellen. Das Gesetz ist am 1. Juli in Kraft getreten. „Wir sind keine Versuchskaninchen für die linken Ideen von Netto-Null“, sagte Floridas Landwirtschaftsminister über das Verbot von synthetischem Fleisch im Sunshine State. Es gehe um Profit und nicht ums Klima. Epoch Times berichtete. 

Beim World Economic Forum 2018 in Davos mit einem Schwerpunkt Ernährung wurde das Thema auf einem Open Forum in dem Kontext präsentiert, dass Fleisch fast 15 Prozent der Treibhausgase verursache und eine Hauptursache für die Klimaerwärmung sei. Die damalige Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan (seit 2022 Staatssekretärin und Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik im Auswärtigen Amt in Deutschland) konstatierte auf dem WEF-Podium: „Fleisch ist ein Auslaufmodell.“



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