Erste Sitzung des neuen EU-Parlaments: Von der Leyen sucht eine Mehrheit
Eine Hürde muss EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für eine zweite Amtszeit noch nehmen: Am kommenden Donnerstag stellt sie sich im Europaparlament zur Wahl. Die CDU-Politikerin braucht eine absolute Mehrheit von 361 der 720 Abgeordneten, die ihr auch wegen Abweichlern in der eigenen Partei zunächst nicht ganz sicher ist.
Von der Leyen setzt auf die Unterstützung der Parteien, die sie bereits 2019 ins Amt gewählt haben: die Europäische Volkspartei (EVP), der CDU und CSU angehören, die Sozialdemokraten und die Liberalen-Fraktion Renew. Rechnerisch haben die drei Fraktionen eine Mehrheit von 400 Abgeordneten, die allerdings nicht alle hinter der Kommissionspräsidentin stehen. Einen Fraktionszwang gibt es im Europaparlament nicht.
Kritik an Klimapolitik
Kritik aus der eigenen Partei gab es etwa an der Klimapolitik von der Leyens. Gruppen wie die französischen Republikaner kündigten deshalb bereits an, die deutsche Politikerin in der geheimen Wahl nicht zu unterstützen. Auch ihr Wahlergebnis vor fünf Jahren war knapp, obwohl die sogenannten Mitte-Parteien damals eine größere Mehrheit hatten.
Von der Leyen müsse „die Effekte möglicher Überläufer aus dem eigenen Lager abwenden“, erklärt auch die Direktorin der Brüsseler Fondation Schuman, Pascale Joannin – allerdings ohne offen zu sagen, wo sie sich die fehlenden Stimmen sucht. „Denn dann könnten andere pikiert sein“, betont Joannin.
Die Kommissionspräsidentin war in den vergangenen Wochen deshalb auf Stimmenfang in Brüssel, traf Abgeordnete der Sozialdemokraten, Liberalen und auch der Grünen, die nach ihren Verlusten bei den Wahlen Gesprächsbereitschaft signalisiert hatten.
Für ihre Stimme dürften die Grünen eine Gegenleistung erwarten: mehr Klimaschutz in von der Leyens Arbeitsprogramm für die nächsten fünf Jahre oder einflussreiche Posten in der Kommission.
Stimmensuche bei der Rechten
Nach den Europawahlen hielt sich von der Leyen auch eine Zusammenarbeit mit Kräften rechts von CDU und CSU offen, am kommenden Dienstag soll sie nach Angaben der Fraktion an einer Sitzung der Rechtsaußen-Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) in Straßburg teilnehmen. In der EKR sitzen unter anderem die Abgeordneten der Partei Fratelli d’Italia (Brüder Italiens) der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni.
Die Rechtsaußen-Parteien ziehen gestärkt ins neu gewählte Parlament ein, bei den Wahlen Anfang Juni hatten sie in mehreren Ländern deutliche Zugewinne verzeichnet.
Von der Leyen ginge allerdings auch ein Risiko ein, sollte sie sich die Stimmen von rechts suchen: Sozialdemokraten und Grüne kündigten an, ihr dann die Unterstützung zu entziehen.
Zwei neue Fraktionen im EU-Parlament
In jedem Fall dürfte der Einfluss der rechten Parteien im Europaparlament wachsen. Neben Melonis EKR gründeten Ungarns Regierungschef Viktor Orban und die französischen Rechtspopulisten Anfang der Woche die Fraktion „Patrioten für Europa“, die aus der bisherigen Gruppe Identität und Demokratie (ID) hervorgeht und als drittstärkste Kraft ins Parlament einzieht. Die AfD kündigte am Mittwoch ihrerseits die Gründung einer dritten Rechtsaußen-Fraktion an.
Insbesondere die neu gegründete Orban-Fraktion dürfte Anspruch auf eine Reihe an Ämtern im Parlament erheben, etwa den Vorsitz in Fachausschüssen und Posten unter den Vizepräsidenten des Parlaments.
Dies könnten die anderen Fraktionen allerdings verhindern, wie es bereits in der vergangenen Legislaturperiode der Fall war. „Was für ID galt, dürfte auch für die Patrioten und selbstverständlich auch für die noch kleinere AfD-Fraktion gelten“, betont Pascale Joannin.
Als sicher gilt hingegen die Wiederwahl der Parlamentspräsidentin Roberta Metsola. Die EVP-Politikerin aus Malta soll bereits am Dienstagmorgen im Amt bestätigt werden, nachdem das neu gewählte Parlament seine Arbeit aufgenommen hat. (afp/red)
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