Erneute Trump-Anklage: Politische Bombe im US-Wahlkampf 2024

Die erneute Anklage gegen den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump sorgt für große Kontroversen. Für Trump könnte dies sowohl Segen als auch Fluch im Wahlkampf bedeuten – nach Ansicht von Politikwissenschaftlern.
Titelbild
Der ehemalige Präsident Donald Trump am 1. Mai 2023 in Aberdeen, Schottland, aus seinem Flugzeug.Foto: Jeff J Mitchell/Getty Images
Von 10. Juni 2023

Die am 8. Juni eingereichte Klageschrift gegen den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump wegen unerlaubten Besitzes geheimer Dokumente hat eine unberechenbare Komponente in den Präsidentschaftswahlkampf 2024 eingeführt.

Mittlerweile wurde die 49-seitige Anklageschrift gegen den republikanischen Präsidentschaftsbewerber veröffentlicht. Darin werden insgesamt sieben Kategorien von Vergehen aufgeführt, Trump werden insgesamt mehr als 37 Straftaten zur Last gelegt. Auch der Trump-Berater Waltine Nauta wurde angeklagt. Trump selbst bezeichnet sich als unschuldig.

Regierungsunterlagen in der Dusche

Vorgeworfen wird dem ehemaligen US-Präsidenten unter anderem eine Verschwörung zur Behinderung der Ermittlungen und die gesetzwidrige Aufbewahrung höchstsensibler Informationen, darunter Details zu nuklearen Fähigkeiten der USA und anderer Staats- sowie militärischer Notfallpläne der Vereinigten Staaten.

Nach dem Machtwechsel habe Trump keine Befugnis gehabt, geheime Regierungsunterlagen zu besitzen oder aufzubewahren, heißt es in der Anklageschrift. Sein Anwesen Mar-a-Lago sei kein genehmigter Ort gewesen, um die Unterlagen zu lagern.

Kisten mit Verschlusssachen habe Trump dort unter anderem in seinem Schlafzimmer, einem Badezimmer, einer Dusche, einem Ballsaal und einem Lagerraum aufbewahrt.

Geheime Dokumente im Golfclub präsentiert

Einige Kisten mit Geheimdienstdokumenten seien zeitweise in einem Raum gelagert worden, in dem öffentliche Veranstaltungen abgehalten worden seien. Ein Lagerraum für Dokumente in mehr als 80 Kisten sei über einen öffentlichen Poolbereich in Mar-a-Lago einfach zu erreichen gewesen. Trumps Residenz ist kein abgeriegeltes Privathaus, sondern ein Club mit Zimmern für zahlende Gäste und vielen Veranstaltungen wie Hochzeiten.

Im Mai 2021 habe Trump einige der Kisten zu einem anderen Anwesen, dem Trump National Golf Club in Bedminster in New Jersey, gebracht, wie die Behörden behaupten. Ihm wird vorgeworfen, die geheimen Dokumente bei zwei verschiedenen Gelegenheiten im Jahr 2021 im Golfclub anderen Personen gezeigt zu haben.

Im Juli 2021 habe er einem Schriftsteller, einem Verleger und zwei Mitarbeitern das gezeigt, was er als „Angriffsplan“ bezeichnete, heißt es in der Anklageschrift. Trump sagte, er hätte den Plan freigeben können, als er noch Präsident war, aber er konnte es nicht, da er nicht mehr im Amt war. „Dies sind geheime Informationen“, wurde er zitiert.

Politikwissenschaftler sieht „großartige Möglichkeit“ für Trump

Für Trump, dem Kontroversen nicht fremd sind, könnte die Anklage sowohl Segen als auch gleichzeitig Fluch bedeuten. Das Ereignis könnte aber auch Trumps Zeitplan und seine Fähigkeit, in der Öffentlichkeit zu sprechen, einschränken. Nach Ansicht einiger politischer Strategen könnte die Anklage Trumps Anhängerschaft anspornen.

„Es ist eine großartige Möglichkeit für Trump, Spenden zu sammeln und seine Basis zu festigen“, sagte der Rechts- und Politikwissenschaftler Andrew Lieb der Epoch Times. „Wir haben von der Anklage erfahren, nachdem Trump es uns gesagt hat […]“

Andrew Lieb ist neben seiner anwaltlichen Tätigkeit auch juristischer Medienanalytiker. Er tritt täglich als Kommentator in Fernsehsendern wie „FOX LIVE“, NBC, „Newsmax“ und anderen auf. Darüberhinaus wird er häufig in der „New York Times“, der „Washington Post“ und anderen Zeitungen zitiert.

„Auf der anderen Seite dürfte das Ganze sehr, sehr störend sein, da Richter, insbesondere Bundesrichter, sich wenig dafür interessieren, welche Verpflichtungen Trump hat“, so Lieb weiter. „Er wird also um ihren Zeitplan herum arbeiten müssen.“ Nach Liebs Einschätzung werde es eine Vertraulichkeitsanordnung geben.

Politikexpertin: Senkung von Trumps Umfragewerten unwahrscheinlich

Die aus Texas stammende Politikexpertin Amani Wells-Onyioha geht davon aus, dass die Anklageschrift Trumps Unterstützung zunächst einmal nicht beeinträchtigen wird.

„Wir haben Trump in den letzten Wochen fast täglich in den Nachrichten gesehen, er ist der erste ehemalige Präsident, der strafrechtlich angeklagt wurde. Und trotzdem führt er in den Umfragen immer noch mit großem Abstand“, so Wells-Onyioha gegenüber The Epoch Times.

„Selbst wenn er angeklagt wird und hinter Gittern sitzt, könnte er theoretisch immer noch unser Präsident sein“, so Wells-Onyioha weiter. Sie schätzt, dass Trump seine Kampagne für 2024 fortsetzen wird. Es sei zudem unwahrscheinlich, dass seine Umfragewerte stark sinken werden. Wells-Onyioha vermutet, dass der größte Schaden, den Trump durch die jüngste Anklage erleiden könnte, darin bestehe, die unentschlossenen republikanischen Wähler zu verlieren.

Angriffe gegen Biden von Republikaner

Die republikanischen Kandidaten für die Präsidentschaftskandidatur 2024 standen vor der Wahl, entweder ihren stärksten Gegner direkt anzugreifen oder ihn zu schonen, um seine gewaltige Anhängerschaft nicht zu verärgern. Deshalb könnten sie sich in einer unangenehmen Zwickmühle befinden.

Eine Reihe von Republikanern des Kongresses unterstützten Trump weiterhin und nahmen die Anklage zum Anlass, ihren politischen Hauptgegner, Präsident Joe Biden, anzugreifen.

„Joe Biden hat sein Justizministerium … heute Abend benutzt, um seinen wichtigsten politischen Gegner, Trump, anzuklagen. Er hat die Rechtsstaatlichkeit mit Füßen getreten, um sich selbst zu begünstigen. Er hat das Land in große Gefahr gebracht“, schrieb Senator Josh Hawley (Missouri) auf Twitter.

„Das ist unser zweistufiges Justizsystem in voller Ausprägung“, schrieb Senator Bill Hagerty (Tennessee) auf Twitter. „Das Biden-Justizministerium begräbt Ermittlungen gegen Präsident Biden und seine Familie, während es seine politischen Rivalen anklagt. Es ist unglaublich unverantwortlich, Amerika wie eine Bananenrepublik aussehen zu lassen.“

Präsidentschaftskandidat Christie: „Selbstverschuldete Wunden“ von Trump

Bei den Republikanern, die in der Präsidentschaftskandidatur 2024 gegen Trump antreten, ist das politische Kalkül ein anderes. Obwohl Trump ihr Gegner ist, birgt eine Attacke gegen ihn das Risiko, seine beachtliche politische Basis zu gefährden. Zwei Kandidaten sind jedoch bereit, dieses Risiko einzugehen.

Der republikanische Präsidentschaftskandidat und ehemalige Gouverneur von New Jersey, Chris Christie, am 4. Dezember 2022 in Arlington, Texas. Foto: Richard Rodriguez/Getty Images

Der ehemalige Gouverneur von New Jersey, Chris Christie, bezeichnete Trumps rechtliche Probleme als „selbstverschuldete Wunden“, die ihn zu einer schlechten Wahl im Jahr 2024 machen würden.

„Geben Sie die Dokumente zurück und hören Sie auf damit“, sagte Christie in einem am 9. Juni im Fernsehen ausgestrahlten Interview auf „Fox News“. „Warum müssen Sie die ganze Zeit im Mittelpunkt der negativen Aufmerksamkeit stehen? Warum müssen Sie immer wütend sein? Donald Trump hat all das getan.“

„Donald Trumps Handlungen – von seiner vorsätzlichen Missachtung der Verfassung bis hin zu seiner Missachtung der Rechtsstaatlichkeit – sollten nicht unsere Nation oder die Republikanische Partei definieren“, sagte der ehemalige Gouverneur von Arkansas Asa Hutchinson in einer Erklärung am 8. Juni. „Dies unterstreicht die Notwendigkeit für Donald Trump, sein Amt zu respektieren und seine Kampagne zu beenden.“

DeSantis und Haley kritisieren „Doppelmoral“ der Justiz

Andere Kandidaten zögerten, Trump anzugreifen, und zogen es vor, ihren Unmut auf das Justizministerium zu lenken.

Ron DeSantis am 8. November 2022 im Convention Center in Tampa, Florida. Foto: Giorgio Viera/AFP via Getty Images

Der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, der in den Vorwahlen an zweiter Stelle hinter Trump liegt, verzichtete darauf, den Spitzenreiter zu kritisieren.

„Die zunehmende Bewaffnung der Strafverfolgungsbehörden stellt eine tödliche Bedrohung für eine freie Gesellschaft dar. Wir erleben seit Jahren eine ungleiche Anwendung des Rechts je nach politischer Zugehörigkeit. Warum so eifrig bei der Verfolgung von Trump, aber so passiv gegenüber Hillary oder Hunter?“ schrieb DeSantis auf Twitter und versprach, das Justizministerium im Falle seiner Wahl zur Rechenschaft zu ziehen.

Die ehemalige Gouverneurin von South Carolina, Nikki Haley, die unter Trump als Botschafterin bei den Vereinten Nationen diente, griff ebenfalls eher das System als ihren ehemaligen Chef an. „Das ist nicht die Art und Weise, wie die Rechtsprechung in unserem Land funktionieren sollte“, schrieb sie auf Twitter. „Das amerikanische Volk hat die Nase voll von staatsanwaltlicher Maßlosigkeit, Doppelmoral und Vendetta-Politik. Es ist an der Zeit, die endlosen Dramen und Ablenkungen hinter sich zu lassen.“

Politikwissenschaftler Andrew Lieb bezeichnet die vorangegangen Aussagen als strategischen Fehler. „Es zeigt die Schwäche der anderen republikanischen Kandidaten“, sagte Lieb. „Trump ist schwach. Er ist jetzt am Boden und warum trampeln sie nicht auf ihm herum? Sie zeigen, dass sie die zweite Geige spielen. Sie sind sein Beta“, so Lieb.

Trumps Basis würde ihm zwar helfen, die Vorwahlen zu gewinnen, aber sie würde nicht ausreichen, um die Parlamentswahlen zu gewinnen, ergänzt Lieb. In diesem Fall müssten andere republikanische Kandidaten die unentschlossenen Stimmen innerhalb der Partei für sich gewinnen.

Nuancen von 2016

Ironischerweise ähneln die Anklagen gegen Trump den Vorwürfen, die gegen seine Gegnerin aus dem Jahr 2016, die ehemalige Außenministerin Hillary Clinton, wegen ihres Umgangs mit E-Mails erhoben wurden. In beiden Fällen geht es um den unsachgemäßen Umgang mit geheimen Regierungsdokumenten.

Clinton hatte während ihrer Amtszeit im Außenministerium einen privaten E-Mail-Server benutzt. Eine Praxis, die ihrer Meinung nach von ihren Vorgängern aufgrund der schlechten Leistung des E-Mail-Servers des Ministeriums angewandt worden war.

Die ehemalige US-Außenministerin Hillary Clinton während einer Podiumsdiskussion am 5. Mai 2023 in Washington. Foto: Madalina Vasiliu/The Epoch Times

Trump und andere hielten dies bestenfalls für fahrlässig und schlimmstenfalls für kriminell. Ihr Handeln hätte Hackern den Zugang zu Regierungsdokumenten ermöglichen können, sagten sie. Möglicherweise habe sie gegen das Gesetz verstoßen, indem sie geheimes Material unsachgemäß aufbewahrt habe.

Das FBI leitete im Juli 2015 eine Untersuchung über den Umgang mit Clintons E-Mails ein. Ein Jahr später gab der damalige FBI-Direktor James Comey bekannt, dass keine Anklage erhoben werde.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Trump Clinton bereits den Spitznamen „Crooked Hillary“ gegeben, und die Parole „Sperrt sie ein“ wurde zu einem Schlachtruf unter seinen Anhängern.

Comey gab am 28. Oktober 2016 bekannt, dass die Untersuchung von Clintons E-Mails wieder aufgenommen worden war, und entfachte damit die Kontroverse weniger als zwei Wochen vor der Wahl erneut. Vor dieser Ankündigung hatte Clinton in nationalen Umfragen 5,9 Prozentpunkte vor Trump gelegen. Eine Woche später war ihr Vorsprung um 3 Prozentpunkte gesunken.

Es wurde keine Anklage gegen Clinton erhoben.

(mit Material von The Epoch Times und Nachrichtenagenturen)



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