Erdrutschsieg der FPÖ in der Steiermark: Mario Kunasek beansprucht Landeshauptmann-Posten

Die Landtagswahl in der Steiermark hat eine politische Zäsur herbeigeführt: Mit einem historischen Ergebnis von 35 Prozent hofft die FPÖ auf einen Machtwechsel. Ihr Spitzenkandidat Mario Kunasek beansprucht den Posten des Landeshauptmanns. Das schwache Abschneiden von ÖVP und SPÖ setzt die Verhandler über eine Koalition im Bund unter Druck.
FPÖ-Chef und ehemaliger Innenminister Österreichts: Herbert Kickl.
FPÖ-Chef und ehemaliger Innenminister Österreichts: Herbert Kickl.Foto: Eva Manhart/APA/dpa
Von 25. November 2024

In der Steiermark deutet sich nach der Landtagswahl am Sonntag, 24.11., eine tiefgreifende Veränderung an. Gleichzeitig verstärkt sich der Erfolgsdruck auf die Parteispitzen von ÖVP, SPÖ und NEOS, die derzeit in Wien über eine Koalition im Bund verhandeln. Mit 35 Prozent der Stimmen und einem Plus von 17,5 Prozentpunkten konnte die rechte FPÖ nicht nur einen Erdrutschsieg und das beste Ergebnis ihrer Geschichte in dem Bundesland erzielen.

Nicht einmal 20 Jahre nach der Landtagswahl des Jahres 2005, als die FPÖ mit 4,6 Prozent sogar aus dem Parlament geflogen war, könnte sie künftig sogar den Landeshauptmann stellen. Ihr Spitzenkandidat, der frühere Verteidigungsminister Mario Kunasek, hat am Wahlabend auch bereits diesen Anspruch angemeldet. Bis dato stellte die FPÖ lediglich mit Jörg Haider in Kärnten einen Landeshauptmann. Nach dessen Tod im Jahr 2008 konnte sein Nachfolger Gerhard Dörfler die Landtagswahl für sich entscheiden – allerdings auf dem Ticket der kurzlebigen FPÖ-Abspaltung BZÖ.

Landeshauptmann der Steiermark sieht sich als „Bauernopfer“

Es spricht vieles dafür, dass die ÖVP, die nach Verlusten von 9,2 Prozentpunkten mit 26,9 Prozent immerhin noch Platz 2 halten konnte, für ein Bündnis mit Kunasek zur Verfügung stehen wird. Allerdings ist die politische Zukunft ihres Spitzenkandidaten Christopher Drexler ungewiss. Er amtiert seit 2022 als Landeshauptmann, nachdem sich Vorgänger Hermann Schützenhofer aus Altersgründen zurückgezogen hatte.

Drexler deutete in einer ersten Erklärung nach der Wahl an, er sei das „Bauernopfer“ der Politik der ÖVP im Bund. Dort verhandelt Bundeskanzler und Parteichef Karl Nehammer mit der SPÖ und den linksliberalen NEOS über eine Dreierkoalition. Nach dem Ergebnis der Nationalratswahlen vom September, bei denen die FPÖ erstmals stärkste Partei wurde, haftet dem Projekt das Image einer „Koalition der Verlierer“ an.

Generalsekretär Christian Stocker äußerte hingegen, er wäre „vorsichtig mit Schuldzuweisungen“. Er sehe angesichts des schlechten Ergebnisses keine „Schuldfrage“, sehr wohl aber „schwierige Zeiten“ für die ÖVP. Er gelobte, es werde „kein Weiter-so“ geben. Die ÖVP hat in der Steiermark flächendeckend Stimmen verloren, in 197 Gemeinden sogar zweistellig. Lediglich in Drexlers Heimatgemeinde Passail (Bezirk Weiz) gab es ein Plus von 7,8 Prozentpunkten auf 54 Prozent.

FPÖ kommt in Rottenmann auf 63,2 Prozent – KPÖ auf 9,4

Nachwahlbefragungen zeigen, dass die Bundespolitik deutlich die landesspezifischen Fragen überlagert hatte. Die FPÖ konnte nicht nur allen anderen Parteien Stimmen abnehmen – am meisten der ÖVP (netto 50.000 Stimmen) und der SPÖ (netto 19.000). Die Partei konnte zudem 56.000 frühere Nichtwähler zurück an die Urne holen – lediglich 13.000 vormalige FPÖ-Wähler blieben dieses Mal der Wahl fern.

Auch bei den Wahlmotiven spielten bundespolitische Themen eine tragende Rolle. Von jenen Befragten, die „Ärger“ über die Koalitionsverhandlungen im Bund verspürten, wählten 69 Prozent die FPÖ. Unter Menschen, die sich wegen der Teuerung einschränken mussten, kam die Partei auf 48 Prozent.

Von Wählern, die häufig im Bekanntenkreis über die Inflation gesprochen hatte, wählten 45 Prozent FPÖ. Außerdem gehörten Wohnen, Arbeitsplätze, Wirtschaft, Kriminalität und Zuwanderung zu den Themen, die FPÖ-Wähler bewegten. Unter Gegnern der Corona-Maßnahmen kam die Partei sogar auf 63 Prozent.

Aber auch dort, wo es um landespolitische Themen ging, profitierte die FPÖ von einer Proteststimmung. Ihr bestes Ergebnis erzielte sie in Rottenmann, wo sie auf 63,2 Prozent kam – zweitstärkste Kraft war dort die KPÖ mit 9,4 Prozent. In der Gemeinde fürchtet man um die Zukunft des Krankenhauses. ÖVP und SPÖ, die im 22 Kilometer entfernten Stainach-Pürgg einen Neubau favorisieren, verloren dort zusammen fast 30 Prozentpunkte.

SPÖ in der Steiermark stärker als bei der Nationalratswahl

Die Sozialdemokraten konnten von der Schwäche der ÖVP nicht profitieren. Sie verloren gegenüber der Wahl im Jahr 2019 weitere 1,65 Prozentpunkte und kamen nur noch auf 21,4 Prozent. Immerhin schnitt sie damit noch deutlich besser ab als bei der Nationalratswahl, wo sie in der Steiermark nur noch 18,6 Prozent erzielt hatte.

Trotz des durchwachsenen Landestrends konnte die SPÖ einige kleine Teilerfolge erzielen. So gelang es ihr, in einigen früheren Hochburgen wie der Mur-Mürz-Furche besser abzuschneiden als bei der Nationalratswahl. In Städten wie Kapfenberg, Mürzzuschlag oder Kindberg konnte sie dieses Mal die Stimmenmehrheit halten.

Zugewinne konnte sie sogar in Leoben, der Heimat des Spitzenkandidaten Anton Lang, oder Bärnbach erzielen. Dort kandidierte Bürgermeister Jochen Bocksruker selbst für den Landtag. Vor allem in der Landeshauptstadt Graz legten die Sozialdemokraten gegen den Landestrend zu. Mit 20,7 Prozent und einem Plus von 5,3 Punkten profitierten sie vor allem von den deutlichen Verlusten für die Grünen (minus 11,2) und der KPÖ (minus 2,6).

Doskozil geht auf maximale Distanz zur eigenen Partei

Insgesamt wird das Ergebnis der Sozialdemokraten jedoch den Gegenwind für Parteichef Andreas Babler verstärken. Der selbsternannte Parteirebell Rudolf Fußi, der derzeit Unterschriften sammelt, um eine Abstimmung über den Parteivorsitz zu erzwingen, verschärfte seine Kritik.

Mit Blick auf die vor einigen Wochen bekannt gewordene Mitwirkung Bablers an dem 2005 erschienenen Buch „Stamokap heute“ bezeichnete er diesen als „Stalin-Verehrer“. In dem Buch fanden sich Aussagen über die Politik des früheren Sowjetführers, die als apologetisch aufgefasst werden können. Vor allem aber attestiert Fußi SPÖ-Parteichef Babler, diesem gehe es nur noch darum, den Vizekanzlerposten zu retten. Seine Wahlversprechen werde er nicht umsetzen können – und dies sei auch nicht wünschenswert. Auf „Puls24“ erklärte Fußi:

„Die Schnapsidee 32-Stunden-Woche würde unsere Wirtschaft endgültig an die Wand fahren. Es muss endlich bei den Ausgaben gespart werden, es braucht keine zusätzliche Belastung, sondern Entlastung.“

Im Burgenland, wo im Januar gewählt wird, bemüht sich Bablers früherer Gegenkandidat um den Bundesvorsitz der Sozialdemokraten, Hans Peter Doskozil, um die Wiederwahl als Landeshauptmann. Er geht dabei sichtbar auf Distanz zur Partei. Auf dem Stimmzettel lautet die Bezeichnung seines Wahlvorschlages „Liste Doskozil – SPÖ Burgenland“, auf den Wahlplakaten fehlt der Hinweis auf die SPÖ vollständig. Für die FPÖ wird der frühere Bundespräsidentschaftskandidat und dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer kandidieren.

Experten: ÖVP und SPÖ können sich Neuwahlen im Bund nicht leisten

Deutlicher Wahlverlierer waren auch die Grünen. Sie stürzten von 12,1 Prozent im Jahr 2019 auf 6,2 Prozent ab. Auf zweistellige Ergebnisse kamen sie nur noch unter Akademikern sowie in Graz und dessen Umgebung. Die NEOS kamen auf 5,85 Prozent und konnten damit leicht zulegen. Auch dazu trugen vor allem Graz und Umgebung sowie einzelne Touristengebiete bei.

Ernüchterung gab es auch bei der KPÖ. Die 2005 erstmals seit den 1960er Jahren wieder in den Landtag eingezogenen Kommunisten verloren ein knappes Drittel ihrer Stimmen und kamen nur noch auf 4,4 Prozent. Allerdings konnten sie aufgrund ihres Ergebnisses in der Landeshauptstadt ihr Grundmandat halten und bleiben bei zwei Sitzen im Parlament.

Politikberater Thomas Hofer äußerte gegenüber dem ORF, das Ergebnis in der Steiermark verstärke den Erfolgsdruck auf die Koalitionsverhandler im Bund. Neuwahlen könnten diese sich derzeit angesichts der Stärke der FPÖ nicht leisten. Die Situation werde ÖVP, SPÖ und NEOS zu Kompromissen zwingen, die sie ihrer jeweiligen Parteibasis erst erklären müssten.

In der ÖVP werde die Sympathie für Bündnisse mit der FPÖ wachsen, da diese in der Opposition noch stärker würde. Allerdings werde es auf Bundesebene kein Umschwenken geben. Die Rolle als Juniorpartner sei eine, vor der die Partei aufgrund früherer Erfahrungen in Großen Koalitionen zurückschrecke.



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