Erdoğan droht Israel mit militärischer Unterstützung für Hamas – und geht auf Konfrontationskurs zu Abbas

Der Besuch von Israels Premierminister Netanjahu in den USA hat in der Türkei für heftige Reaktionen gesorgt. Das Parlament bezeichnet diesen in einer Resolution als „Kriegsverbrecher“. Präsident Erdoğan droht mit militärischer Einmischung in Gaza. Zugleich geht er auf Distanz zu Palästinenserpräsident Abbas.
Die Beziehungen zwischen der Türkei und Israel haben sich seit dem Gaza-Krieg verschlechtert. (Archivbild)
Die Beziehungen zwischen der Türkei und Israel haben sich seit dem Gaza-Krieg verschlechtert (Archivbild).Foto: Stephanie Scarbrough/AP/dpa
Von 29. Juli 2024

Wenige Tage nach dem Besuch von Israels Premierminister Benjamin Netanjahu in den USA geht die Türkei erneut auf Konfrontationskurs zum jüdischen Staat. Die Große Nationalversammlung verabschiedete am Samstag, 27. Juli, eine Resolution, in der das Rederecht Netanjahus vor dem US-Kongress kritisiert wurde. Zugleich soll Präsident Recep Tayyip Erdoğan die Möglichkeit einer militärischen Unterstützung der terroristischen Hamas in Gaza angesprochen haben.

„Resolution der Großen Nationalversammlung verurteilt Netanjahu-Rede in US-Kongress.“ Wie „Hürriyet Daily News“ berichtet, hat das türkische Parlament eine Resolution beschlossen, in der Netanjahu als „Kriegsverbrecher“ bezeichnet wird. Es sei eine „demokratische Schande“, dass dieser in einer demokratischen Einrichtung sprechen dürfe. „Kriegsverbrecher“ sollten, so heißt es in der Entschließung, „von der Anklagebank internationaler Gerichtshöfe sprechen und nicht vom Rednerpult eines Parlamentes aus“.

Das Parlament nahm offenbar auf den Haftbefehl Bezug, den Chefankläger Karim Khan vor den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag im Mai gegen Netanjahu wegen angeblicher „Kriegsverbrechen“ beantragt hatte.

Der US-Kongress sei, so heißt es weiter, zu einem „Instrument für eine Bühnenshow geworden, die Verantwortlichen für große Verbrechen gegen die Menschlichkeit Macht und Mut verleiht“. Demgegenüber würdigte man in der Resolution die teils gewalttätigen Gegendemonstranten und jene Kongressmitglieder, die dem Auftritt fernblieben, als „Stimmen des sozialen Gewissens“.

Erdoğan stellt Unterstützung für Gaza „wie in Karabach oder Libyen“ in Aussicht

In Rize am Schwarzen Meer soll Präsident Erdoğan zudem die Möglichkeit einer militärischen Unterstützung der terroristischen Hamas in Gaza angedeutet haben. Wie die oppositionsnahe Plattform „Bianet“ schreibt, mahnte Erdoğan zum Aufbau größerer militärischer Stärke der Türkei. Es könne „niemand garantieren, dass diejenigen, die heute Gaza ausradieren, nicht morgen auch ein Auge auf Anatolien werfen“. Weiter äußerte der türkische Präsident:

„Wenn wir stark sind, kann Israel sich auch nicht in dieser Weise gegenüber Palästina verhalten. So wie wir in Karabach und Libyen interveniert haben, könnten wir das dort auch tun. Und es gäbe keinen Grund, es nicht zu tun.“

Im Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur „Anadolu“ (AA) fand sich diese Passage nicht. In beiden angesprochenen Fällen hatten türkische Bayraktar-Drohnen eine entscheidende Rolle gespielt. Im Jahr 2020 gelang es der von der UNO anerkannten Einheitsregierung in Libyen damit, den Vormarsch der Truppen von General Khalifa Haftar aufzuhalten. Im Jahr darauf konnte Aserbaidschan die zuvor von Armenien besetzte Enklave Bergkarabach zurückerobern.

An ihre Grenzen stieß die Schlagkraft der Drohnen im Ukraine-Krieg, wo der Einsatz verbesserter Luftabwehrsysteme Russland ermöglichte, ukrainische Drohnenangriffe effektiver abzuwehren. Auch gegen Israels Luftabwehrsysteme könnten sie vermutlich wenig ausrichten. Zudem gibt es, anders als in den zuvor genannten Fällen, keine offizielle Autorität, die eine türkische Intervention im Israel-Palästina-Konflikt angefordert hätte.

Wechselseitige Vergleiche mit Hitler und Saddam Hussein

Die Rede Erdoğans ist in Israel nicht unbemerkt geblieben. Außenminister Israel Katz erklärte auf X, der türkische Präsident „tritt in die Fußstapfen von Saddam Hussein und droht mit einem Angriff auf Israel“. Er solle sich „nur daran erinnern, was dort geschah und wie es endete“.

Am Montag schaltete sich Katzs türkischer Amtskollege Hakan Fidan ein. In einer Erklärung, aus dem AA zitiert, heißt es, der „völkermörderische Netanjahu wird wie der völkermörderische Hitler“ enden. Die Menschheit werde auf der Seite der Palästinenser stehen, äußerte Fidan auf X. Präsident Erdoğan sei „zur Stimme des Gewissens der Menschheit“ geworden.

Die Türkei wirft Israel vor, in Gaza einen „Völkermord“ zu begehen, der bislang 40.000 Zivilisten das Leben gekostet habe. Die vielfach auf Zahlen der Hamas beruhende Schätzung ist unabhängig schlecht überprüfbar. Es gibt belastbare Hinweise darauf, dass die Hamas nichtmilitärische Einrichtungen militärisch nutzt und dabei zivile Opfer mutwillig in Kauf nimmt.

Über eine weitere Verschlechterung der Beziehungen zwischen Ankara und Jerusalem hinaus werden Erdoğans Aussagen voraussichtlich kaum Konsequenzen haben. Es ist nicht das erste Mal, dass der türkische Präsident sich als vermeintlicher „Befreier“ der Palästinenser oder Jerusalems ins Spiel bringt. Allerdings ist damit zu rechnen, dass die Türkei in der NATO mögliche Kooperationen mit Israel blockieren wird.

Erdoğan fordert Entschuldigung von Palästinenserpräsident Abbas

Gänzlich friktionsfrei ist unterdessen auch das Verhältnis zwischen der Türkei und den Palästinensern nicht. So soll der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, eine Einladung des türkischen Parlaments ignoriert haben. Erdoğan ging in Rize auf Forderungen der Opposition ein, die Türkei könne doch diesen als Reaktion auf Netanjahus Rede im US-Kongress dazu einladen, in der großen Nationalversammlung zu reden.

Dies sei längst geschehen, äußerte Erdoğan. Allerdings sei Abbas nicht erschienen. Dafür, so der türkische Präsident, solle dieser sich erst einmal entschuldigen.

„Vielleicht kommt er, vielleicht auch nicht. Aber wir sprechen bereits bei jedem Treffen das aus, was im Namen des palästinensischen Volkes und unserer palästinensischen Brüder überall gesagt werden muss.“

Der Leiter des Justizausschusses des türkischen Parlaments, Cüneyt Yüksel, hatte zuvor bestätigt, dass die Türkei Abbas eingeladen habe, im Parlament zu sprechen.



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